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Suchtexperte warnt vor dem Cannabis-Einsatz

mg/dpa
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Seit Jahrzehnten wird es diskutiert, jetzt will die Bundesregierung Cannabis als Schmerzmittel zulassen. Ein renommierter Suchtexperte äußert schwere Bedenken.

Der Hamburger Suchtexperte Rainer Thomasius hat vor der geplanten Zulassung von Cannabis als Schmerzmittel gewarnt. Es gebe kaum Belege für eine Wirksamkeit von Cannabis in dieser Hinsicht, die Gefahr der Abhängigkeit sei dagegen sehr groß. "Ich fürchte, dass der Vorstoß der Bundesdrogenbeauftragten dazu führen wird, die riesengroße Zahl der Medikamenten-Abhängigen in Deutschland noch weiter zu vergrößern", sagte der Ärztliche Leiter des Zentrums für Suchtfragen des Kindes- und Jugendalters am Universitätsklinikum Eppendorf.

1,4 Millionen Menschen seien bereits Medikamentenabhängig, die Zahl übersteige sogar die der Alkoholsüchtigen. Schwer kranke Patienten sollen nach dem Willen der Bundesregierung ab 2016 Cannabis auf Rezept erhalten können. Die Kosten sollen die Kassen übernehmen. Derzeit erteilt das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) nur selten eine Ausnahmegenehmigung zur individuellen Behandlung mit Cannabis-Präparaten. Die Bundesärztekammer begrüßte das Vorhaben.

International gibt es nur wenige Studien

Eine Therapie mit cannabionidhaltigen Arzneimitteln könne für Patienten mit neurologischen Krankheiten sinnvoll sein, sagte Verbandspräsident Frank Ulrich Montgomery.  Thomasius betonte, den Ärzten stehe bereits ein sehr differenziertes Spektrum an bewährten Schmerzmitteln zur Verfügung. Ein neues Medikament müsse vor der Zulassung nicht nur seine Wirksamkeit im Vergleich mit Placebos gezeigt haben, sondern auch seine Überlegenheit gegenüber bereits eingeführten Mitteln. Doch dazu gebe es international nur ganz wenige Studien. "Die wissenschaftliche Evidenz ist ausgesprochen schwach."

Aus den wenigen vorliegenden Studien gehe aber hervor, dass die Nebenwirkungen bei Cannabis größer seien als bei den eingeführten Schmerzmitteln. Thomasius nannte die Sedierung (Beruhigung) und den Blutdruckabfall, der gerade für ältere, hinfällige Patienten eine große Gefahr darstelle. Als Psychiater schrecke ihn vor allem das Suchtpotenzial auf. Bereits heute verordneten Ärzte immer wieder leichtfertig sogenannte Tranquilizer.

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Ausnahme: Tumorpatienten im Endstadium

Diese Mittel seien aus Patientensicht sehr angenehm, denn sie nähmen schnell Angst, Depressionen und Belastungen durch psychosozialen Stress. Der Preis dafür sei die Gefahr, sehr schnell abhängig zu werden.   Cannabis sei ein ganz ähnliches Medikament. "Was ich befürchte bei einer Finanzierung durch die Krankenkassen ist, dass ein völlig unkontrolliertes Verordnungswesen bei den Ärzten beginnt."

Thomasius betonte, dass er nichts gegen eine Ausnahmeregelung für Tumorpatienten im Finalstadium habe. "Aber es droht auf der anderen Seite eine massenhafte Verbreitung, und das müssen wir auf jeden Fall verhindern." Abhängige müssten die Dosis immer weiter steigern, um die gleiche Wirkung zu erzielen. Die Entzugssymptome seien ähnlich wie bei Opiaten. Bei einer dauerhaften Hochdosierung komme es zu einer Schädigung tiefliegender Hirnstrukturen und Gedächtnisstörungen.

CDU und SPD warnen vor Legalisierung durch die Hintertür

Dass Cannabis in anderen Ländern wie den USA oder Frankreich als Medikament eingesetzt werden darf, erklärte der Suchtexperte mit der Lobbyarbeit von Pharmaunternehmen, die diese Mittel herstellten. "Da geht es um Gewinne." Die Grünen-Politikerin Claudia Roth sieht die Pläne der schwarz-roten Koalition als ersten Schritt zu einer generellen Freigabe weicher Drogen. "Ich komme aus Bayern, und wenn man gleiche Rechte als Grundprinzip nimmt, dann wird es höchste Zeit für die Legalisierung von Cannabis", sagte die Bundestagsvizepräsidentin der Zeitung "Die Welt" (Samstag). "Ich meine, das Oktoberfest ist eine offene Drogenszene mit sechs Millionen Menschen, die sich betrinken."

Gesundheitspolitiker von Union und SPD traten dem entgegen. "Cannabis als Medikament für schwerkranke Patienten ist sinnvoll. Das ändert nichts daran, dass Cannabis als Rauschdroge gerade für junge Menschen Sucht und Entwicklungsstörung bedeuten kann", sagte der CDU-Experte Jens Spahn der "Welt am Sonntag". Karl Lauterbach stellte für die SPD klar: "Es darf nicht der Versuch unternommen werden, jetzt durch die Hintertür Cannabis zu legalisieren."

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