Teilrekonstruktion eines Gesichts
Der junge Mann erzählte auf der Jahres-Pressekonferenz der Deutschen Gesellschaft für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie (DGMKG) in Hamburg seine bewegende Geschichte.
Die Verletzung
Er wurde als Unbeteiligter in der syrischen Stadt Dura unweit der jordanischen Grenze im April 2015 lebensgefährlich von einem Granatsplitter im Gesicht getroffen. Teile der Oberlippe und des Oberkiefers waren herausgerissen. Die lebensrettende Versorgung erfolgte im nahen Amman in Jordanien, das Mittelgesicht wurde stabilisiert. Die ersten Rekonstruktionen zeigten jedoch nicht den gewünschten Erfolg.
Nach den üblichen Aufnahmeverfahren in Deutschland erhielt der Student ein Jahr später den Tipp, sich in der Mund-Kiefer-Gesichts-Chirurgie der Diakovere Henriettenstift Hannover vorzustellen.
Sein Fall stellt die gesamte Abteilung von Prof. Gerd Gehrke vor große Herausforderungen: Durch den Teilgesichtsverlust kann der Student nicht mehr normal essen und muss längerfristig über eine perkutane Magensonde (PEG) ernährt werden. Um seine Entstellung zu verbergen, trägt er immer einen Mundschutz.
Die OP-Strategie
Ziel ist, das Gesicht des Patienten in mehreren Schritten hier vor Ort wiederherzustellen. Dabei gingen die Hannoveraner MKG-Chirurgen in drei Abschnitten vor: Zuerst wurde durch eine anspruchsvolle Gewebeverschiebung - per muskulokutanem, zunächst mit Gefäß-gestieltem Lappen nach dem seit 1898 bekannten Verfahren von Abbée - die Oberlippe in gleicher Hauttextur und mit Bartteilen rekonstruiert (für einen Mohammedaner ein wichtiger Aspekt). „Bei der äußeren Weichgeweberekonstruktion wird bevorzugt ortsnahes Gewebe zur Transplantation herangezogen, damit gelingen die unauffälligsten Wiederherstellungen“, erläuterte Gehrke.
Als Zweites folgten ein mikrochirurgischer Gewebetransfer vom Unterarm zum Oberkiefer sowie die Unterfütterung mit einem Knochentransplantat vom Beckenkamm. Gehrke demonstrierte auf der Pressekonferenz die ersten Schritte dieser komplexen Rekonstruktion und zeigte die aktuelle Situation vor der noch abschließenden Zahnimplantation und Zahnersatzherstellung am Patienten. Der Operateur erwartet noch eine weitere Zeitspanne von ein bis zwei Jahren, bis die schwere Verletzung angemessen rehabilitiert ist und dadurch endlich auch die Lebensqualität des Patienten entsprechend steigen wird.
Ganze Gesichtstransplantationen werden nach wie vor eine Ausnahme bleiben, andere Verfahren wie auch diese erleben jedoch eine permanente Weiterentwicklung, urteilten die Experten der DGMKG.