Unfall bei Teambuilding-Maßnahme auf dem Segway war ein Arbeitsunfall
Eine 1985 geborene Service-Request-Managerin nahm im April 2017 an einer zweitägigen Klausurtagung zum Thema „Business Development” teil. Am Nachmittag des ersten Tages war ein Segway-Parcours Teil des offiziellen Programms. Dabei stürzte die Frau auf die linke Schulter, erlitt eine Humeruskopffraktur und war in der Folge zwei Wochen krankgeschrieben. Am 11. Dezember 2017 stellte sie dann einen Antrag auf Anerkennung des Ereignisses als Arbeitsunfall und Gewährung von Verletztenrente.
Nach Einholung eines Rentengutachtens und einer beratungsärztlichen Stellungnahme wurde dies jedoch abgelehnt. Es bestehe kein Anspruch auf Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung, hieß es darin, da die zum Unfall führende Fahrt mit dem Segway „nicht der versicherten Beschäftigung” der Frau gedient habe. Vielmehr sei die Teilnahme als Freizeitaktivität und damit „als eine unversicherte Verrichtung” im Rahmen einer Dienstreise zu werten. Den hiergegen eingelegten Widerspruch der Frau wies die Beklagte mit Verweis auf zwei Entscheidungen des Bayerischen LSG in ähnlich gelagerten Fällen zurück.
1. Urteil: Segway-fahrt ist der Beschäftigung der Klägerin zuzuordnen
Die Frau klagte daraufhin vor dem Sozialgericht (SG) Nürnberg gegen den Widerspruch und bekam mit dem Urteil vom 3. Februar 2020 Recht. Die zum Unfall führende Handlung habe der versicherten Beschäftigung der Klägerin gedient, argumentierten die Richter. Es habe sich bei der Teilnahme am Segway-Parcours nicht um eine unversicherte Freizeitaktivität gehandelt, sondern um eine Veranstaltung, die als mehrtägige Dienstreise „der abhängigen Beschäftigung” der Klägerin zuzurechnen sei und als solche unter Versicherungsschutz gestanden habe, urteilte das Sozialgericht Nürnberg.
Die Beklagte legte daraufhin Berufung vor dem Bayerischen Landessozialgericht ein mit der Begründung, dass der Arbeitgeber ihr im ausgefüllten Fragebogen „Betriebliche Gemeinschaftsveranstaltung” die Segway-Fahrt ausdrücklich als Entspannungsübung im Rahmen eines Tagesordnungspunkts bezeichnet habe. Selbst wenn in der Segway-Fahrt ein betrieblicher Vorteil gesehen wird, trete dieser gegenüber den privaten Interessen der Klägerin klar in den Hintergrund.
2. URTEIL: FREIWILLIGKEIT WAR NICHT KLAR ERKENNBAR
Zur Berufungserwiderung führte die Klägerin aus, für sie sei der Parcours ein Wettkampf und „reine Anspannung” statt Entspannung gewesen. Jeder Teilnehmer habe sich, seinem Team, dem gegnerischen Team und vor allem dem Arbeitgeber zeigen wollen, dass er bereit sei, „Herausforderungen und Leistungen anzunehmen und diese auch erfolgreich abzuschließen”. Gestützt wurde diese Argumentation dadurch, dass die Betriebsleitung während der gesamten Dauer dieses Tagesordnungspunkts anwesend war und der Veranstalter den Parcours auf seiner Homepage als „Teamgeist fördernde Aktion” hervorhebt, bei der „die Teilnehmer mit herausfordernden Erlebnissen konfrontiert werden” und in Grenzsituationen kämen, „in denen sie Teamgeist, effektive Teamkommunikation und Teamkreativität fast automatisch entwickeln”.
Die Richter kamen schließlich zu der Überzeugung, dass die Klägerin zum Zeitpunkt des Ereignisses annehmen durfte, sie erfülle mit der Teilnahme am Parcours eine Pflicht aus ihrem Beschäftigungsverhältnis und diene damit betrieblichen Interessen. Die vom Vorstand genehmigte zweitägige Dienstveranstaltung habe zudem unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung gestanden, weil die Segway-Fahrt „erkennbar kein vom fachlichen Tagungsprogramm abgrenzbares Freizeit- oder Begleitprogramm der Tagung darstellte, sondern dessen integraler Bestandteil” gewesen sei.
Unerheblich sei in diesem Zusammenhang, so das Gericht weiter, dass die Teilnahme an der Dienstveranstaltung - zumindest vor der Anmeldung - freiwillig war. Ob die Teilnehmer nach der Anmeldung zur Tagung tatsächlich noch die freie Wahl hatten, an einzelnen Programmpunkten teilzunehmen oder nicht, sei ebenfalls nicht entscheidend, da dies aufgrund der damit verbundenen Zielsetzungen für die Klägerin „nicht erkennbar” gewesen sei.
Bayerisches LandessozialgerichtAz.: L 17 U 65/20Urteil vom 20. Januar 2022VorinstanzSozialgericht NürnbergAz.: S 2 U 185/19Urteil vom 3. Februar 2020