Ungesunde Ernährung der Deutschen verursacht Schäden in Milliardenhöhe
Nach der von Greenpeace in Auftrag gegebenen Studie belaufen sich die Kosten für Umwelt- und Klimaschäden durch die Fleischerzeugung auf rund 21 Milliarden Euro. Hinzu kommen Gesundheitskosten durch fleisch- und zuckerhaltige Ernährung von etwa 16 Milliarden Euro, etwa durch die Behandlung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Adipositas oder Diabetes. Zahnerkrankungen aufgrund von Zuckerkonsum belasten das Gesundheitssystem in Deutschland mit weiteren knapp 12 Milliarden Euro jährlich.
Karies und Parodontitis verursachen Schäden in Höhe von 12 Milliarden Euro jährlich
Als Grundlage für die Studie diente eine systematische Literaturrecherche. Die Autorinnen und Autoren weisen auf die schwere Vergleichbarkeit der Studien hin, in denen unterschiedliche Ernährungsaspekte berücksichtigt wurden: Meier et al. (2015) schätzen die durch übermäßigen Zuckerkonsum verursachten direkten Gesundheitskosten für Deutschland im Jahr 2008 auf 8,6 Mrd. Euro. Inflationsbereinigt entsprechen diese Kosten im Jahr 2023 etwa 11,85 Mrd. Euro. Eine weitere Studie von Meier et al. (2017) ermittelte direkte und indirekte Kosten von Zahnerkrankungen, die durch Zuckerkonsum verursacht werden, mit einer Summe von 19,35 Mrd. Euro 2010 beziehungsweise. 26,27 Mrd. Euro inflationsbereinigt für das Jahr 2023.
Meier, T., Senftleben, K., Deumelandt, P., Christen, O., Riedel, K., Langer, M. (2015): Healthcare Costs Associated with an Adequate Intake of Sugars, Salt and Saturated Fat in Germany: A Health Econometrical Analysis. In: PLOS ONE. Jg. 10, Nr. 9. S. e0135990.
Meier, T., Deumelandt, P., Christen, O., Stangl, G. I., Riedel, K., Langer, M. (2017): Global Burden of Sugar-Related Dental Diseases in 168 Countries and Corresponding Health Care Costs. In: Journal of Dental Research. Jg. 96, Nr. 8. S. 845–854.
„Die Folgekosten unserer Ernährung sind enorm und müssen besser in die Preise für Lebensmittel und deren Produktion einbezogen werden“, fordert Beate Richter, wissenschaftliche Referentin für Agrarpolitik beim FÖS. „Würden diese bislang versteckten Folgekosten in den Supermarktregalen für Verbraucherinnen und Verbraucher erkennbar, könnten Konsum und Produktion nachhaltiger und wirtschaftlicher werden.“
Beim Fleisch liegen wir mit der dreifachen Menge über den Empfehlungen
Politik und Wirtschaft seien hier gemeinsam in der Pflicht, ergänzt Matthias Lambrecht, Landwirtschaftsexperte bei Greenpeace. „Dazu müssen Supermärkte ihre Kundinnen und Kunden besser informieren und ihnen gesunde, ökologisch erzeugte Produkte anbieten, statt sie mit Werbung für Billigfleisch zum Überkonsum zu verführen.“ Die Bundesregierung sollte klimafreundliche Lebensmittel von der Mehrwertsteuer befreien und so die richtigen Anreize für Verbraucherinnen und Verbraucher setzen: „Pflanzliche, klimaverträgliche Lebensmittel sollten steuerfrei sein und dafür sollte man die Subventionen auf tierische Lebensmittel streichen. Weiter umweltschädlich erzeugte Lebensmittel zu subventionieren, lässt uns am Ende alle draufzahlen!"
Effekte einer Zuckersteuer in Deutschland
Eine Simulationsstudie [Emmert-Fees, 2023] untersuchte die gesundheitlichen und ökonomischen Auswirkungen verschiedener Steuerkonzepte auf zuckerhaltige Getränke in Deutschland im Zeitraum von 2023 bis 2043. Dabei wurden eine zwanzigprozentige Steuer (ad valorem) und eine gestaffelte Steuer, die den Zuckergehalt um 30 Prozent reduziert, analysiert. Die Studie betrachtete direkte medizinische Kosten für die Behandlung von kardiometabolischen Erkrankungen wie Typ-2-Diabetes, koronarer Herzkrankheit und Schlaganfall sowie indirekte Kosten wie Produktivitätsverluste und Zeitaufwand für das Selbstmanagement von Krankheiten.
Basierend auf nationalen Schätzungen und inflationsbereinigten Preisen von 2022 zeigte das Modell, dass eine zwanzigprozentige Steuer den Zuckerkonsum um 1 g/Tag/Person (etwa 30,2 Tonnen jährlich) und eine gestaffelte Steuer um 2,34 g/Tag/Person (70,63 Tonnen jährlich) senken könnte10. Die Zuckerkonsumreduktion würde zu einem Rückgang von Fettleibigkeit, Typ-2-Diabetes und Herz-Kreislauf-Erkrankungen führen und 106.000 bzw. 192.300 zusätzliche Qualitätsbereinigte Lebensjahre (QALYs) gewinnen. Ökonomisch könnten so über 20 Jahre hinweg 9,6 Mrd. Euro (480 Mio. Euro/Jahr) bei der ad valorem Steuer und 16 Mrd. Euro (800 Mio. Euro/Jahr) bei der gestaffelten Steuer eingespart werden.
Großbritannien will Zuckersteuer ausweiten
Für Softdrinks mit einem bestimmten Zuckergehalt gilt in Großbritannien bereits seit 2018 eine Zuckersteuer. Das Finanzministerium in London schlägt nun vor, die Steuer auszuweiten und ab einem bestimmten Zuckergehalt auch Fertiggetränke aus Milch oder pflanzlichen Alternativen wie Haferdrinks zu besteuern. Die Steuer zeige, was erreicht werden könne, wenn man die Ursachen des übermäßigen Zuckerkonsums bekämpfe, so das Ministerium in einer Mitteilung. Die Industrie habe den Zuckeranteil in Getränken um rund die Hälfte (46 Prozent) reduziert. 89 Prozent der im Land verkauften Softdrinks seien daher nicht von der Steuer betroffen. Das Finanzministerium schlägt vor, auch den Grenzwert, ab dem die Steuer greift, weiter zu senken - von 5 auf 4 Gramm pro 100 Milliliter. Die Pläne sollen nun diskutiert werden.
Emmert-Fees, K. M. F., Amies-Cull, B., Wawro, N., Linseisen, J., Staudigel, M., Peters, A., Cobiac, L. J., O’Flaherty, M., Scarborough, P., Kypridemos, C., Laxy, M. (2023): Projected health and economic impacts of sugar-sweetened beverage taxation in Germany: A cross-validation modelling study. In: PLOS Medicine. Jg. 20, Nr. 11. S. e1004311.
„Kurzfristige Vorteile wie ein günstigerer Preis werden höher gewertet als langfristige Folgen für Umwelt und Gesundheit“, erklärt Richter. Zwar sei der Fleisch- und Zuckerkonsum seit 2018 rückläufig, liege aber noch immer deutlich über den Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE). „Beim Fleisch liegen wir etwa mit der dreifachen Menge über den Empfehlungen und bei Zucker mit der doppelten Menge.“ 2023 haben die Menschen in Deutschland durchschnittlich 51,1 Kilogramm Fleisch pro Person gegessen, der Zuckerkonsum lag bei 33,2 Kilogramm.