Studie zur Arzt-Patienten-Kommunikation

Unterschiedliche Sprachen begünstigen Behandlungsfehler

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Praxis
Gebrechliche, ältere Senioren, die im Krankenhaus von Ärzten in ihrer Muttersprache betreut wurden, hatten kürzere Krankenhausaufenthalte, weniger Stürze und Infektionen und starben seltener. Unterschiedliche Sprachen sind keine guten Voraussetzungen.

Mehr als 6,1 Millionen Kanadier leben in einem Umfeld, in der ihre Muttersprache nicht von der Mehrheit gesprochen wird oder nicht als Amtssprache anerkannt ist: etwa Frankophone, die außerhalb von Quebec leben, Anglophone in Quebec und Menschen, die eine andere Sprache als Englisch oder Französisch sprechen. In Ontario beispielsweise, der bevölkerungsreichsten Provinz Kanadas, sprechen 33 Prozent der Bevölkerung eine andere Primärsprache als Englisch. Vor diesem Hintergrund wollten die Forscher herausfinden, ob es für die Qualität der Versorgung von Vorteil ist, wenn Patienten von einem Arzt in ihrer Muttersprache behandelt werden.

In ihrer retrospektiven Studie untersuchten sie die Fälle von 189.690 Empfängern häuslicher Pflege, die zwischen 2010 und 2018 in Ontario ins Krankenhaus eingeliefert wurden. Die Patientensprachen waren Englisch (anglophon), Französisch (frankophon) und andere (allophon). Die Krankenhauseinweisungen galten als sprachlich konkordant, wenn die Patienten zu mehr als 50 Prozent von Ärzten betreut wurden, die die Muttersprache der Patienten sprachen.

Insgesamt 84 Prozent der Pflegebedürftigen sprachen in der Studie Englisch, 13 Prozent Französisch und 2,7 Prozent eine andere Sprache als Englisch oder Französisch. Zu den am häufigsten gesprochenen anderen Sprachen gehörten Italienisch (8.361 Personen), Mandarin (3.426), Iberoromanisch (3.162) und Indo-Aryanisch (2.286). Etwas mehr als die Hälfte (58 Prozent) der Ärzte sprachen nur Englisch, der Rest (42 Prozent) war mehrsprachig. Ermittelt wurden während des Krankenhausaufenthalts unerwünschte Ereignisse, Dauer des Aufenthalts und Tod sowie nach der Entlassung Besuche in der Notaufnahme, Wiederaufnahmen und Tod innerhalb von 30 Tagen nach der Entlassung.

Das Todesrisiko ist bei gleicher Sprache bis zu 54 Prozent geringer

Die Ergebnisse sind den Autoren zufolge erschütternd: Bei Frankophonen, die von einem französischsprachigen Arzt behandelt wurden, war das Sterberisiko um 24 Prozent geringer als wenn sie von einem nicht französischsprachigen Arzt behandelt wurden. Bei den Allophonen waren die Ergebnisse mit einer um 54 Prozent niedrigeren Sterblichkeitsrate sogar noch auffälliger.

Doch nur 44,4 Prozent der Frankophonen und 1,6 Prozent der Allophonen erhielten eine Behandlung in ihrer eigenen Sprache. Bei ihnen war das Risiko für eine Nebenwirkung oder Kompli­kation um 74 Prozent geringer als bei einer Behandlung durch einen Arzt ohne Kenntnis ihrer Sprache, wie die Wissenschaftler den

-Diag­nosen der Klinik entnehmen konnten. Darüber hinaus verkürzte sich die durchschnittliche Dauer des Krankenhausaufenthalts bei Frankophonen, die eine sprachenkonforme Versorgung erhielten, um 7 Prozent.

Das Risiko für Stürze und Infektionen während des Krankenhausaufenthalts stieg bei einer Betreuung  einer nicht konkordanten Sprache um 36 beziehungsweise 74 Prozent für Frankophone und Allophone.

Auch die Dauer des Krankenhausaufenthalts an sich ist kürzer

"Dies sind erschütternde Ergebnisse, die ein starkes Argument dafür sind, sprachliche Minderheiten in Krankenhäusern in ihrer eigenen Sprache zu versorgen", sagt Mitautor Dr. Peter Tanuseputro vom Bruyère Research Institute, Ottawa, Ontario. "Es ist eindeutig einfacher, wichtige Gesundheitsinformationen in der Muttersprache zu vermitteln. Dennoch öffnet einem die mehr als doppelt so hohe Wahrscheinlichkeit für schwerer Schäden, einschließlich des Todes, für Patienten, die in einer anderen Sprache behandelt werden, augenöffnend."

Die Autoren weisen darauf hin, dass eine klare und wirksame Kommunikation zwischen Patient und Arzt auch die Zusammenarbeit und das Engagement der Patienten verbessern kann, was mit besseren Gesundheitsergebnissen verbunden ist.

Seale E, Reaume M, Batista R, Eddeen AB, Roberts R, Rhodes E, McIsaac DI, Kendall CE, Sood MM, Prud'homme D, Tanuseputro P. Patient-physician language concordance and quality and safety outcomes among frail home care recipients admitted to hospital in Ontario, Canada. CMAJ. 2022 Jul 11;194(26):E899-E908. doi: 10.1503/cmaj.212155. PMID: 35817434.

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