Uralter Kaugummi verrät Essgewohnheiten in der Steinzeit
Vor etwa 9.700 Jahren lagerte eine Gruppe von Menschen in Huseby Klev an der Westküste Skandinaviens, nördlich des heutigen Göteborg. Sie gingen auf die Jagd, fischten in Flüssen und Seen und sammelten Beeren. Einige Jungen und Mädchen kauten Harz, nachdem sie Forellen, Wild und Haselnüsse gegessen hatten. Analysen des Erbguts aus dem Kaugummi zeigten jetzt: Auf dem Speiseplan der Steinzeit-Menschen aus Göteborg standen damals Rotwild, Forellen und Haselnüsse. Auch Spuren von Äpfeln, Ente und Rotfuchs wurden festgestellt. Das Harz diente höchstwahrscheinlich als Kleber beim Zusammenbau von Werkzeugen und Waffen.
Aufgrund einer schwerwiegenden Parodontitis hatte einer der weiblichen Teenager Probleme, das zähe Hirschfleisch zu essen und das Harz durch Kauen vorzubereiten. In dem Kaugummi fanden die Forscher „eine Reihe von Bakterien, die auf einen schweren Fall von Parodontitis“ hinwiesen, berichtet Ko-Autor Anders Götherström von der Universität Stockholm. Das betroffene Mädchen dürfte große Schmerzen gehabt und kurz danach ihre Zähne verloren haben.
Die Forscherinnen und Forscher verglichen die Daten mit gesunden und dysbiotischen Mikrobiom-Datensätzen und stellten insgesamt eine erhöhte Häufigkeit von Parodontitis-assoziierten Mikroben fest. Gefunden wurden in den Proben 51 einzelne Bakteriengenome. Die meisten dieser Genome entsprechen pathogenen oder opportunistischen oralen Bakterienarten. Die Analyse ergab zusammenfassend 27 unterschiedlich häufig vorkommende Bakterien, die als Marker für Parodontitis- und Karieserkrankungen gelten.
Die prähistorischen Kaugummis bestanden aus Birkenrindenpech
So fanden die Autoren vermehrt Actinomyces-Arten zusammen mit Treponema denticola, Streptococcus anginosus, Slackia exigua und Fusobacterium nucleatum, die bei heutigen Parodontitiserkrankungen häufig vorkommen. In Bezug auf Karies stellten sie im Vergleich zum gesunden oralen Mikrobiomprofil eine erhöhte Häufigkeit von Streptococcus sobrinus und Parascardovia denticolens fest. Zudem deuten die Ergebnisse auf einen signifikanten Anstieg der oralen kommensalen Bakterienarten hin, und zwar in Bezug auf gesunde Speichelproben wie Rothia dentocariosa, Gemella sanguinis und Streptococcus sanguinis sowie Haemophilus influenzae, Aggregatibacter actinomycetemcomitans, Cardiobacterium valvarum, Eikenella corrodens und Kingella denitrificans.
Die prähistorischen Kaugummis bestehen aus Birkenrindenpech, einer teerartigen schwarzen Substanz, und wurden bereits vor 30 Jahren neben Knochen bei einer archäologischen Grabung auf der Insel Orust in Huseby Klev entdeckt. Die Fundstücke sind mit Speichel vermischt und zeigen klar erkennbare Zahnabdrücke. Damals gab es noch nicht die Möglichkeit, derart altes Erbgut zu analysieren. Ein internationales Forschungsteam arbeitet aber bereits länger mit dem Kauharz. Im Jahr 2019 hatte eine Studie bereits das orale Mikrobiom der Menschen entschlüsselt, die die „Kaugummi“-Proben im Mund hatten.
„Der gekaute Mastix von Huseby-Klev enthält eine Fülle von DNA-Sequenzen, und darin finden wir sowohl die Bakterien, von denen wir wissen, dass sie mit Parodontitis in Zusammenhang stehen, als auch DNA von Pflanzen und Tieren, die die Menschen zuvor gegessen haben“, bilanziert Erstautor Dr. Emrah Kırdök vom Fachbereich Biotechnologie der Universität Mersin in der Türkei.
Kırdök, E., Kashuba, N., Damlien, H. et al. Metagenomic analysis of Mesolithic chewed pitch reveals poor oral health among stone age individuals. Sci Rep 13, 22125 (2023). doi.org/10.1038/s41598-023-48762-6