Studie zur Ungleichheit und Sparpolitik im britischen Gesundheitswesen

„Verantwortlich für mindestens eine Million frühzeitiger Todesfälle!“

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Medizin
Eine neue Studie des Institute of Health Equity (IHE) am University College London belegt: Eine Million Briten sind infolge des Sparkurses und der Ungleichheiten in der Gesundheitspolitik frühzeitig gestorben.

Das IHE-Team unter der Leitung von Sir Michael Marmot wollte wissen, wie stark die Lebenserwartung der Briten vom Zugang zu Haus- und Fachärzten, Kliniken und anderen Gesundheitsleistungen abhängt. Betrachtet wurde dabei der Zeitraum von 2011 bis 2019.

Im Vergleich der Lebenserwartung und der Morbidität von Briten, die in ärmeren Gegenden wohnen, mit der von Landsleuten, die in den zehn wohlhabendsten Gegenden Englands leben, sind danach zwischen 2011 und 2019 rund 1.062.334 Millionen Briten aus ärmeren Vierteln früher gestorben, als wenn sie in den wohlhabendsten Gegenden gelebt hätten.

Bildet man diese verkürzte Lebenserwartung quantitativ in Jahren ab, kommt man den Forschern zufolge mengenmäßig auf 984.333 Menschen, was der Größe der Stadt Birmingham oder der Hälfte der Bevölkerung Nordirlands entspricht.

148.000 Briten würden ohne die Sparmaßnahmen noch leben

Von dieser eine Million Menschen, die vorzeitig starben, würden 148.000 noch leben, wenn man die Sparmaßnahmen nach 2010 nicht verhängt hätte. Die Ungleichheit zwischen den am wenigsten und den am stärksten benachteiligten 10 Prozent der Wohngebiete führte im Pandemie-Jahr 2020 zu weiteren vermeidbaren 28.000 zusätzlichen Todesfällen im Vergleich zu den vorangegangenen fünf Jahren.

Dabei hatten frühere Untersuchungen den Wissenschaftlern zufolge gezeigt, dass die Regierungspolitik vor 2010 begonnen hatte, die Lücke bei der gesundheitlichen Ungleichheit zu schließen. Zu diesen Maßnahmen gehörten koordinierte Investitionen in Bildung, Nachbarschaftserneuerung und in die Gesundheitsversorgung.

Um den rückläufigen Gesundheitstrend einordnen zu können, analysierte das IHE daher zusätzlich Daten der Europäischen Union: Die Forscher verglichen dazu die Anzahl der gesunden Lebensjahre, in denen eine Person voraussichtlich weiterhin in einem gesunden Zustand leben wird [healthy years lived (HYL), „behinderungsfreie Lebenserwartung“) im Vereinigten Königreich und EU- Ländern.

Die Lebenserwartung sinkt und die Morbidität steigt

Ergebnis: Während 2014 sowohl Männer als auch Frauen im Vereinigten Königreich im Durchschnitt länger gesund leben konnten, stagnierte der HLY bis 2017 bei Männern und war bei Frauen sogar bereits gesunken. Im gleichen Zeitraum stieg der HLY in der EU um mehr als zwei Jahre. Folglich hatten 10 EU-Länder bei Männern und 14 bei Frauen einen höheren HLY als das Vereinigte Königreich.

„Das Vereinigte Königreich liefert ein Beispiel dafür, was man nicht tun sollte, um gesundheitliche Ungleichheiten zu verringern. Das einzige andere Industrieland, dem es schlechter geht und die Lebenserwartung ebenfalls sinkt, sind die USA", stellt IHE-Direktor Marmot fest.

„Mehr als eine Million frühzeitige Todesfälle, dramatisch verschlimmert durch die Sparpolitik der Regierung seit 2010, zeugen von einer schockierend verfehlten Gesundheits- und Sozialpolitik. Unser Land ist arm und krank geworden, ein Land, in dem einige wenige reiche Gesunde leben. Den Menschen liegt ihre Gesundheit am Herzen, aber sie verschlechtert sich und ihr Leben verkürzt sich, ohne dass sie es selbst verschulden. Politiker können entscheiden, ob sie der Gesundheit aller Priorität einräumen wollen oder nicht. Derzeit tun sie es nicht.“

Um gesundheitliche Ungleichheiten langfristig zu verringern, müssten alle politischen Maßnahmen auf ihre Auswirkungen auf die gesundheitliche Chancengleichheit und das Wohlbefinden überprüft werden. Gleichzeitig müsste der Abbau gesundheitlicher Ungleichheiten zu einem zentralen Anliegen der nächsten Regierung werden. Marmot: "Das bedeutet, eine gerechtere Sozial- und Wirtschaftspolitik umzusetzen, bei der die Gesundheit im Mittelpunkt steht.“

Sir Michael Marmot et al., „Health Inequalities, Lives Cut Short“, Institute of Health Equity (IHE), University College London, 8 January 2024

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