Verkauf des Patientenstamms ist nichtig
Im Streitfall hatte eine Zahnärztin aus Regensburg ihre Praxis zum Ende des zweiten Quartals 2018 aufgegeben. Mit einem in der Nähe praktizierenden Kollegen schloss sie einen „Kaufvertrag Patientenstamm“. Für die Karteien ihrer rund 600 Patientinnen und Patienten war ein Preis von 12.000 Euro vereinbart.
Inbegriffen war dabei eine Umleitung des Telefonanschlusses und auch des Internet-Auftritts zu dem des Kollegen. Zudem wollte die scheidende Zahnärztin ihre Patienten in einem Rundschreiben auf die „Übernahme der Patienten“ durch den Kollegen hinweisen.
Nach Unterzeichnung des Vertrags war die scheidende Zahnärztin wohl doch etwas unsicher geworden. Bei der Landeszahnärztekammer holte sie eine Auskunft zu der Sache ein. Die Antwort der Kammer war offenbar eindeutig. Jedenfalls verweigerte die Zahnärztin die Erfüllung des Vertrags. Dieser verstoße gegen Straf- und Berufsrecht und sei daher unwirksam.
Der Kollege ließ nicht locker und zog vor Gericht. Das Landgericht Regensburg und das Oberlandesgericht (OLG) Nürnberg wiesen die Klage ab. Wegen der grundsätzlichen Bedeutung ließ das OLG aber die Revision zum BGH zu.
Zur Begründung verweist der BGH auf die Berufsordnung
Ein richtiges Urteil war die Sache den Karlsruher Richter aber offenbar nicht wert. Die aufgeworfenen Fragen seien nicht ernsthaft umstritten. Mit seinem Hinweisbeschluss ließ der Senat daher wissen, er beabsichtige „die Revision des Klägers durch einstimmigen Beschluss (…) zurückzuweisen“. Daraufhin nahm der Zahnarzt seine Revision zurück.
Zur Begründung verwies der BGH zunächst auf die Berufsordnung. Danach sei es den Zahnärzten „nicht gestattet, für die Zuweisung von Patienten oder Untersuchungsmaterial ein Entgelt oder eine sonstige wirtschaftliche Vergünstigung zu fordern, sich versprechen oder gewähren zu lassen oder selbst zu versprechen oder zu gewähren“.
Dies sei eine Verbotsvorschrift mit der gesetzlichen Folge, dass eine entsprechende Vereinbarung unwirksam ist, stellten die Karlsruher Richter hierzu klar. Nach den Vorgaben des Bürgerlichen Gesetzbuchs führe dies „zur Nichtigkeit des gesamten Vertrags“.Entsprechend habe der BGH schon 1986 zu einer inhaltsgleichen Klausel der Berufsordnung für die nordrheinischen Ärzte entschieden. „Es ist auch nicht zu erkennen, dass hierüber in der Rechtsprechung der Instanzgerichte oder in der Literatur Streit bestünde“.
Es geht um das Vertrauen in die zahnärztliche Unabhängigkeit
Dabei stellte der BGH klar, dass die Klausel der Berufsordnung nicht nur dem Schutz der freien Arztwahl dient. Zusätzlich gehe es generell um das Vertrauen in die ärztliche und zahnärztliche Unabhängigkeit, außerdem um einen fairen Wettbewerb unter den Kolleginnen und Kollegen. Diese Ziele würden auch dann beeinträchtigt, wenn wie hier die empfehlende Zahnärztin komplett aus der Behandlung ausscheidet.
Nach dem Karlsruher Beschluss liegt neben dem standesrechtlichen Verbot auch ein Verstoß gegen Strafnormen vor, konkret die 2016 in das Strafgesetzbuch eingefügten Paragrafen gegen Bestechlichkeit und Bestechung im Gesundheitswesen. Strafbar ist es danach, für die „Zuführung von Patienten“ einen „Vorteil“ anzunehmen oder zu versprechen. Beiden Beteiligten droht eine Geldstrafe oder sogar bis zu drei Jahren Haft.
Die Werbemaßnahmen sind strafbare Vorteile
Dabei liege es auf der Hand, dass hier schon die beabsichtigten „Werbemaßnahmen“ strafbare „Vorteile“ seien, konkret der werbende Rundbrief sowie die Umleitung von Internetseite und Telefon, argumentiert der BGH.
Ohne Erfolg hatte der klagende Zahnarzt einen unzulässigen Eingriff in die Berufsfreiheit gerügt. Denn so verstanden sei es Ärzten und Zahnärzten unmöglich, den erheblichen Wert ihres Patientenstamms zu verwerten. Die Karlsruher Richter ließen offen, ob ein solcher Eingriff vorliegt. Wenn ja, sei dieser jedenfalls im Interesse des Gemeinwohls gerechtfertigt. Auch das Eigentumsrecht sei nicht verletzt. Denn der Patientenstamm sei lediglich mit einer „Umsatz- und Gewinnchance“ verbunden. Diese sei von dem Grundrecht auf Eigentum noch nicht erfasst.
BundesgerichtshofAz.: VIII ZR 362/19Beschluss vom 9. November 2021