Versandapotheken durften Prämien auf Medikamente anbieten
Mit einem bemerkenswerten Urteil hat der BGH in Karlsruhe gestern die Geltung der Preisbindung für verschreibungspflichtige Arzneimittel für Versandapotheken im EU-Ausland ins Wanken gebracht. Danach stand die Regelung jedenfalls bis Dezember 2020 im Widerspruch zum EU-Recht.
Die ABDA hält die Regelung weiterhin für gültig
Nach der Begründung gilt dies wohl auch für die heutige Nachfolgeregelung, sofern Deutschland nicht belegen kann, dass eine flächendeckende Arzneimittelversorgung ohne Preisbindung nicht mehr gewährleistet werden kann. In einer ersten Stellungnahme geht die Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA) allerdings davon aus, dass die heutige sozialrechtliche Preisbindung weiterhin auch für Versandapotheken im EU-Ausland gültig ist.
In dem Karlsruher Urteil geht es noch um die Vorgängerregelung im Arzneimittelgesetz. Der Bayerische Apothekerverband hatte gegen eine Aktion der niederländischen Versandapotheke Tanimis Pharma in den Jahren 2012 und 2013 geklagt. Die Einlösung deutscher Rezepte hatte das Unternehmen mit einem direkt verrechneten Bonus in Höhe von drei Euro je Medikament beworben, höchstens neun Euro je Rezept. Ebenfalls bis zu neun Euro gab es für einen „Arzneimittel-Check“ per Fragebogen oder Telefon.
Die Preisbindung ihrerseits verstieß gegen EU-Recht
Der BGH bestätigte nun zwar die Position des Apothekerverbandes, dass dies mit der Arzneimittelpreisbindung unvereinbare Boni waren. Allerdings habe die Preisbindung ihrerseits gegen EU-Recht verstoßen und sei daher für Versandapotheken im EU-Ausland nicht anwendbar gewesen.
Hintergrund ist die Warenverkehrsfreiheit in der EU. Diese gilt als einer der Kernpfeiler der Union und darf daher nur aus besonders wichtigen Gründen eingeschränkt werden. Für die Arzneimittelpreisbindung hatte Deutschland bislang auf das Ziel einer sicheren und flächendeckenden Arzneimittelversorgung verwiesen.
Schon 2016 hatte allerdings der Europäische Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg Beweise gefordert, dass die Preisbindung notwendig ist, um dieses Ziel zu erreiche; in dem damaligen Streit sei Deutschland diese Beweise schuldig geblieben.
In dem neuen Streit habe auch der Apothekerverband solche Beweise nicht vorgebracht, rügte nun der BGH. „Die von den Parteien vorgelegten Gutachten, Studien und Modellierungen beziehen sich sämtlich nicht auf den im Streitfall maßgeblichen Zeitraum der angegriffenen Rabattaktionen aus dem Jahr 2012 und stützen auch für die Folgejahre die Annahmen des Gesetzgebers zur Geeignetheit, Erforderlichkeit und Angemessenheit einer Arzneimittelpreisbindung nicht.“
Ist die Preisbindung notwendig für eine sichere Arzneimittelversorgung?
Die dem Karlsruher Urteil zugrundeliegende Regelung im Arzneimittelgesetz wurde zum 15. Dezember 2020 von einer Neuregelung im Fünften Sozialgesetzbuch abgelöst. Apotheken müssen sich auch danach an die Festpreise halten und dürfen „Versicherten keine Zuwendungen gewähren“.
Auch damit dürften die hier streitigen Boni nicht vereinbar sein. Unverändert gilt aber gleichzeitig auch das EU-Recht fort. Entscheidend ist danach, ob diese Regelung erforderlich ist, um eine sichere, hochwertige und flächendeckende Versorgung mit Arzneimitteln zu gewährleisten. Nach dem Karlsruher Urteil darf Deutschland es hier nicht bei Behauptungen belassen, sondern muss Statistiken oder andere handfeste Beweise vorlegen.
Bundesgerichtshof
Az.: I ZR 74/24
Urteil vom 17. Juli 2025