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jt/pm
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Beipackzettel sind für Patienten häufig unverständlich. Dass selbst Ärzte Schwierigkeiten haben, die Nebenwirkungen von Medikamenten richtig einzuschätzen, ist neu.

Ärzte, Apotheker und Juristen überschätzen das Nebenwirkungsrisiko deutlich. Das ergab eine Studie von Wissenschaftlern des Instituts für Medizinische Biometrie und Statistik der Universität zu Lübeck und des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein (UKSH). Die Ergebnisse wurden jetzt im Deutschen Ärzteblatt International veröffentlicht.

Häufigkeitsangaben zu Nebenwirkungen sind Bestandteil eines jeden Medikamentenbeipackzettels. Ein Team um Prof. Andreas Ziegler, Direktor des Instituts für Medizinische Biometrie und Statistik, hat 600 Mediziner, 200 Apotheker und 200 Juristen zufällig ausgewählt und mit Fragebogen angeschrieben. Die Experten sollten im Kontext von Nebenwirkungen angeben, was es bedeutet, wenn ein Medikament „häufig“, „gelegentlich“ oder „selten“ Nebenwirkungen hat.

Probleme mit "häufigen" Nebenwirkungen

Die Definitionen für sämtliche Beipackzettel hat das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) vorgegeben, und sie sind Bestandteil eines jeden Beipackzettels. So sind Nebenwirkungen „häufig“, wenn Patienten sie in einem bis zu unter zehn Prozent der Fälle entwickeln. „Gelegentlich“ treten Nebenwirkungen auf, wenn sie 0,1 bis weniger als 1 Prozent der Fälle betreffen. Und „selten“ sind Nebenwirkungen gemäß BfArM dann, wenn sie bei 0,01 bis unter 0,1 Prozent der Patienten auftreten.

Die Ergebnisse der Studie waren für die Forscher überraschend: „Nur wenige Experten haben den Begriffen ,häufig’, ,gelegentlich’ und ,selten’ im Kontext von Nebenwirkungen den richtigen Prozentwert zugeordnet“, sagt Andreas Ziegler. Prof. Inke König, Mitautorin der Studie, betont: „Die größten Probleme gab es beim Begriff ‚häufig‘. Hier haben Ärztinnen und Ärzte im Mittel eine Nebenwirkungsrate von 60 Prozent angegeben.“

Die richtige Antwort lautet hier bis zehn Prozent. Weniger als 4 von 100 befragten Ärzten lagen dabei König zufolge richtig. „Auch wenn Apothekerinnen und Apotheker bei allen Begriffen am besten abgeschnitten haben, ist es überraschend, wie häufig Experten die Nebenwirkungsrisiken überschätzt haben“, führt Ziegler aus.

Überschätzen Patienten das Risiko von Nebenwirkungen, verzichten sie eher auf ein Medikament. Dieses Problem ist womöglich noch weitreichender, weil auch die Berufsgruppen, die über die Wahrscheinlichkeiten von Nebenwirkungen informieren, diese überschätzen.

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