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Vorsicht Operation

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In Deutschland werden pro Jahr mehr als 15 Millionen OPs durchgeführt. Ob die Eingriffe immer zum Wohl des Patienten beitragen, stellt ein Dokumentarfilm jetzt Infrage.

Marc Lindberg sitzt vor den Schrauben, Bandscheiben und Stabilisierungsfedern aus Metall, die einmal in seinem Rücken steckten. 20 Stücke liegen auf dem Esstisch. "Ja, das war für mich ein Schock", sagt der 45-jährige Bayer. Was da alles in seinen Körper kam, habe er sich vor den Operationen nie klargemacht: "Erst, als es mir wieder ausgebaut worden ist." 

Wie arglose Patienten wie Marc Lindberg in die Hände übermotivierter Chirurgen geraten, ohne dass ihre Schmerzen beseitigt werden, beschreibt die Dokumentation "Vorsicht Operation", die heute in der ARD ausgestrahlt wird.

Die Rücken-OP - in vier von fünf Fällen überflüssig

In vier von fünf Fällen, kritisiert zum Beispiel die Techniker Krankenkasse, sei eine Rückenoperation überflüssig. Der Dokumentarfilm von Meike Hemschemeier nennt Zahlen: 15 Millionen Operationen wurden im Jahr 2010 in Deutschland vorgenommen.

Statistisch kommt jeder vierte Deutsche mindestens einmal pro Jahr unters Messer, berichtet die "Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung" (FAS). Dabei entfernten die Chirurgen nicht nur Blinddarm (123.000), Gallenblase (194.000) oder die Gebärmutter (112.000). Auch am Bewegungsapparat würden fast viereinhalb Millionen Eingriffe vorgenommen. Seitdem 2005 die Fallpauschalen eingeführt wurden,stieg die Zahl der Eingriffe um fast 25 Prozent.

Und zwar besonders dort, wo die Kliniken hohe Erlöse bei operativen Eingriffen erzielen können. Derzeit sei das etwa beim katheterbasiertem Herzklappenersatz, bei Herzschrittmachern, Knie- und Hüftprothesen sowie Wirbelsäulenoperationen der Fall. Ökonomen zufolge hätten Krankenhäuser in Deutschland hätten zurzeit kaum Interesse daran, lukrative OPs zu vermeiden, weil sie nahezu die einzige Möglichkeit böten, Umsatz zu generieren.

Sanktionen bestrafen ethisches Handeln

Immer häufiger legten finanzielle Sanktionsmechanismen dem Klinikpersonal zudem Entscheidungen nahe, die sie aus medizinischen und humanitären Gründen niemals treffen würden. Eine solche Ökonomisierung der Medizin dürfe Experten zufolge keinesfalls mit Wirtschaftlichkeit verwechselt werden, bei der ein gleicher Patientennutzen zu niedrigeren Kosten erbracht werde. 

Die Union wollte dieses Prozedere ändern, doch hatte der Koalitionspartner FDP Bedenken, in die Vertragsfreiheit der Kliniken und Mediziner einzugreifen. Wie die "Süddeutsche Zeitung" meldet, ist das Vorhaben an einer der zahllosen Streitigkeiten zwischen Union und FDP gescheitert.

Union scheitert an der FDP

Die Zeitung zitiert aus einem Brief von CDU-Gesundheitspolitiker Jens Spahn an seine Kollegen im Bundestag: "Alle Versuche der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, diesen Missstand gesetzlich zu unterbinden, sind bisher am Widerstand der FDP-Fraktion gescheitert.“

Viele Kliniken versuchen, so der Unions-Politiker in dem Schreiben, die Unterfinanzierung bei den Investitionen durch zusätzliche Fälle auszugleichen. Und dies werde von den Krankenhäusern durch Bonuszahlungen in Verträgen mit den Chefärzten vorangetrieben. 

Die SPD wolle nun den Koalitionsstreit nutzen. Ihr Gesundheitsexperte Karl Lauterbach habe die Union eingeladen, mit der SPD bereits in der nächsten Sitzung des Gesundheitsausschusses eine Neuregelung der Chefarzt-Honorierung zu beschließen. "Wir sind verhandlungsbereit und offen“, sagte er der Süddeutschen Zeitung.

Der Dokumentarfilm zieht derweil ein bitteres Fazit: "Die Risiken tragen die Patienten, die Kosten die Allgemeinheit." 

"Vorsicht Operation"; Montag, 14. Januar, 22.45, ARD. 

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