Was im Recruiting funktioniert – und was nicht
Das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) hat auf Basis einer repräsentativen Unternehmensbefragung untersucht, welche Strategien sich bei der Gewinnung und Bindung von Mitarbeitenden eignen – und wo ungenutztes Potenzial liegt.
Werfen wir einen Blick auf die Ergebnisse:
Passende Strategien für erfolgreiches Recruiting: Besonders wirksam sind demnach Empfehlungen von Mitarbeitern, weil diese das Vertrauen und die Nähe zur Zielgruppe haben, ebenso Praktika, mit denen der Betrieb frühzeitig Nachwuchskräfte gewinnen kann. Auch Social-Media-Stellenanzeigen entfalten den Experten zufolge Wirkung, wenn sie zielgruppengerecht gestaltet sind: „Entscheidend für ein erfolgreiches Recruiting ist die gezielte und passgenaue Umsetzung ausgewählter Strategien.“
Arbeitsorganisation ist ein wichtiger Bindungsfaktor: „Erfolgreiche Mitarbeiterbindung beruht auf einem Zusammenspiel verschiedener Strategien – im Mittelpunkt stehen Vertrauen, Flexibilität und Entwicklungsperspektiven“, heißt es in der Studie. So setzen viele Unternehmen mit Erfolg auf eine vertrauensvolle Führungskultur, flexible Arbeitszeiten und mobiles Arbeiten, um die Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben zu verbessern. Auch regelmäßige Mitarbeitergespräche leisten demzufolge einen wichtigen Beitrag zur Bindung, da individuelle Bedürfnisse adressiert und Entwicklungsmöglichkeiten aufgezeigt werden können. Damit Weiterbildungen auf die Mitarbeiterbindung einzahlen, sei es allerdings wichtig, dass sie klar strukturiert sind.
„Hidden Champions“: Manche Strategien würden von den Arbeitgebern aber nach wie vor noch unterschätzt. So sei das sogenannte Active Sourcing ein „Hidden Champion“: Dabei sprechen Betriebe gezielt potenzielle Kandidatinnen und Kandidaten an und sind mit dieser Recruitingstrategie oft sehr erfolgreich. Was die Mitarbeiterbindung betrifft, erweise sich die betriebliche Unterstützung bei der Kinderbetreuung oder der Pflege von Angehörigen als besonders erfolgreich: „In Unternehmen, die ihre Beschäftigten in ihren familiären Pflichten unterstützen, ist die Fluktuation in der Belegschaft niedriger.“
Wettbewerbsvorteile kleiner und mittlerer Unternehmen: „Erfolg bei der Gewinnung und Bindung von Mitarbeitenden ist keine Frage der Unternehmensgröße, sondern der richtigen Strategie“, heben die Autorinnen und Autoren hervor. Gerade KMU besäßen besondere Stärken, die sie gezielt nutzen können: Kurze Entscheidungswege, persönliche Nähe und individuelle Gestaltungsmöglichkeiten. Im Recruiting kämen persönliche Ansprache, Empfehlungen aus dem Team oder Praktika zudem besser an als standardisierte Verfahren. Bei der Bindung punkten KMU laut Studie durch vertrauensvolle Führung, direkte Kommunikation und echte Beteiligung – etwa bei Veränderungsprozessen oder in Mitarbeitergesprächen. Auch bei Themen wie Vereinbarkeit und Weiterbildung könnten sie durch flexible, passgenaue Lösungen überzeugen: „Wer als kleiner oder mittelgroßer Betrieb authentisch, ansprechbar und vorausschauend agiert, kann Fachkräfte nicht nur gewinnen, sondern auch langfristig halten.“
Auch darum wird die Personalsuche schwieriger
Einer repräsentativen Befragung des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) zufolge erleben 14,7 Prozent der Unternehmen, dass Bewerberinnen und Bewerber einen Arbeitsvertrag unterschreiben, anschließend aber die Stelle nicht antreten. In fast einem Viertel der Betriebe kündigten neue Mitarbeitende innerhalb der Probezeit und über ein Drittel bekam Absagen von Bewerberinnen und Bewerber, die sich dann doch für einen anderen Job entschieden hatten.
Ursache für diese Phänomene könnte laut IW ein Wandel in den Erwartungen der Beschäftigten sein: 9 von 10 der Unternehmen berichten, dass Mitarbeitende heute höhere Ansprüche an Arbeitgeber stellen als früher. Drei Viertel von ihnen reagieren auf diese veränderten Erwartungen und betreiben heute mehr Aufwand, um Beschäftigte zu finden und zu binden. Besonders kleine und mittlere Unternehmen (KMU) stehen unter Druck, weil sie häufig nicht die gleichen Ressourcen in der Personalarbeit einsetzen können, wie große Konzerne.
Warum Mitarbeiterbefragungen zum Rohrkrepierer werden können
Beschäftigtenbefragungen und Feedbackworkshops zur Zufriedenheit führt jedes dritte Unternehmen regelmäßig durch. Aber nur selten haben die Verantwortlichen den Eindruck, dass dieser Ansatz etwas bringt. Was den Experten zufolge darauf hindeutet, dass das Potenzial dieser Formate häufig nicht ausgeschöpft wird: „Wenn Rückmeldungen ernst genommen werden, daraus konkrete Strategien entstehen und diese transparent kommuniziert werden, entsteht ein echter Mehrwert. Die Ergebnisse von Befragungen sollten deshalb nicht in der Schublade verschwinden, sondern als Grundlage dienen, um Arbeitsbedingungen sichtbar zu verbessern und die Zufriedenheit spürbar zu erhöhen.“
Das IW hat 815 Personalverantwortliche aus deutschen Unternehmen unterschiedlicher Größen und Branchen vom 11. Juni bis 31. August 2024 zu ihren Recruiting- und Mitarbeiterbindung-Strategien befragt. Die Daten sind repräsentativ.
Digitale Medien sind nicht immer die Lösung
Stellenanzeigen in digitalen Medien, wie Online-Jobbörsen oder Bannerwerbung, sind weit verbreitet. Über 70 Prozent der Unternehmen setzen sie ein, aber nur etwa ein Drittel erzielt damit spürbaren Erfolg. Zwar bieten digitale Formate laut IW eine große Reichweite, doch die richtige Zielgruppe zu erreichen, könne zur Herausforderung werden. Zudem sei es für viele Unternehmen schwierig, sich in der Flut an digitalen Stellenanzeigen sichtbar zu positionieren. Gleichzeitig zeige die Befragung ausbildungsinteressierter Jugendlicher, wie relevant das digitale Recruiting ist: Für junge Menschen sind Online-Stellenanzeigen demzufolge mit Abstand das wichtigste Format, um nach Ausbildungsplätzen zu suchen. Dem IW zufolge kann es sich daher auszahlen, Online-Stellenanzeigen „teilbar“ zu gestalten. Mit „Social Sharing“-Buttons können Mitarbeitende offene Stellen über ihre eigenen sozialen Netzwerke streuen. Geteilte Stellenanzeigen erhöhen demnach nicht nur die Sichtbarkeit, sie schaffen Vertrauen. „Empfehlungen aus dem eigenen Netzwerk können daher erfolgreicher sein als klassische Anzeigen“, resümiert das Institut.
Herzer, Philip / Arndt, Franziska / Freisburger, Judith / Stippler, Sibylle, 2025, Fachkräfte finden und binden – Was Unternehmen wirklich erfolgreich macht, Studie im Rahmen des Projektes Kompetenzzentrum Fachkräftesicherung (KOFA) im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie (BMWE), Köln




