Auswirkungen der US-Politik auf die Literaturrecherche

Was tun, wenn die USA PubMed und ClinicalTrials.gov abschalten?

nb
Politik
Was passiert, falls die USA wichtige medizinische Recherchetools für Wissenschaftler und Mediziner abschalten sollten? Fachleute in Deutschland haben sich gewappnet und Alternativen zusammengestellt.

Unter der aktuellen US-Administration von Donald Trump hat sich die Wissenschaftspolitik in den USA aufgrund finanzieller und personeller Kürzungen stark verändert – „was auch weitreichende Folgen für die wissenschaftliche Literaturrecherche in Deutschland und Europa haben könnte“, warnen Experten. In Europa sollten sich die zentralen Akteure im Gesundheitswesen daher die Frage stellen, „wie sie einem Ausfall begegnen könnten“, heißt es in einer gemeinsamen Stellungnahme des Wissenschaftsnetzwerks Cochrane, des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) sowie des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA).

Die wichtigsten Recherchequellen aus den USA

PubMed (MEDLINE) ist eine bibliografische Datenbank der National Library of Medicine (NLM). Sie umfasst Referenzen aus den Bereichen Medizin, Biochemie, Genetik und Molekularbiologie, Pharmakologie, Toxikologie und Pharmazie. PubMed (MEDLINE) bietet einen kostenfreien Zugang unter anderem zu den Datenbanken MEDLINE und PubMed Central (Volltexte).

MEDLINE wurde in den 1960er Jahren entwickelt und umfasst Zitate aus mehr als 5.200 wissenschaftlichen Zeitschriften weltweit. Insgesamt enthält die PubMed-Datenbank mehr als 38 Millionen Zitate und Zusammenfassungen biomedizinischer Literatur.

ClinicalTrials.gov ist das US-amerikanische Studienregister zur Registrierung klinischer Studien und der Darstellung ihrer Ergebnisse. Mit dem Food and Drug Adminstration Moderinzation Act von 1997 wurde seine rechtliche Grundlage geschaffen, im Jahr 2000 ging das Register online.

Zuerst umfasste der regulatorische Bereich nur die Registrierung von Studien, die in den Bereich der amerikanischen Zulassungsbehörde FDA fielen. Das Register war aber bereits von Anfang an auch offen für die freiwillige Registrierung weiterer Studien. Durch weitere zum Beispiel regulatorische Entwicklungen erweiterte sich das Register und ist heute das weltweit größte und bedeutendste seiner Art. Aktuell sind dort bereits über eine halbe Millionen Studien registriert. Gleichzeitig bietet es im Vergleich zu anderen Studienregistern umfangreiche Suchfunktionen und enthält neben der ausführlichen Ergebnisdarstellung auch weitere relevante Dokumente, wie Studienprotokolle und Statistische Analysepläne (SAP).

Konkret steht laut den Experten die Option im Raum, dass die bibliografische Datenbank „Pubmed (MEDLINE)” und das Studienregister „ClinicalTrials.gov”, die bisher frei verfügbar sind, kostenpflichtig werden oder gar nicht mehr zur Verfügung stehen. Was dann passieren würde, spielen die Fachleute für beide Recherchetools durch.

Fall 1: PubMed fällt aus

  • Andere frei zugängliche bibliografische Datenbanken oder deren Kombination können den Inhalt von PubMed (MEDLINE) danach nicht vollständig ersetzen. Eine Kombination aus einer medizinischen bibliografischen Datenbank wie dem kostenpflichten Tool „Embase“ und dem Datenbestand aus dem Tool „Crossref“ wäre theoretisch derzeit möglich, aber eine in Teilen kostenpflichtige und mit höherem Aufwand verbundene Herangehensweise.

  • Das Hauptproblem liege zudem weniger in der grundsätzlichen Abdeckung als in der Auffindbarkeit der Referenzen. Die Suchfunktionalitäten, umfangreichen Metadaten und die über Jahrzehnte von Informationsexperten entwickelten Suchfilter (wie die „Hedges-Filter“) für PubMed (MEDLINE) könnten auf andere Plattformen nicht oder nur unzureichend übertragen und daher nicht einfach ersetzt werden.

  • In diesem Fall bliebe nur noch der Archivbestand von PubMed zugänglich und könnte über kostenpflichtige Plattformen wie MEDLINE (Ovid) oder kostenfreie Angebote wie Europe PMC durchsucht werden. Eine entstehende Datenlücke würde daher erst langsam auftreten, allerdings wären natürlich die jüngsten Forschungsdaten nicht mehr verfügbar.


Fall 2: ClinicalTrials.gov fällt aus

  • Eine zukünftige Registrierung von Studien könne über nationale (etwa das deutsche Studienregister DRKS) oder über internationale Studienregister (wie ISRCTN) erfolgen. Für Arzneimittelstudien bleibt demnach das europäische Studienregister CTIS von hoher Bedeutung.

  • Der Archivbestand von ClinicalTrials.gov werde über das WHO ICTRP Search Portal weiterhin auffindbar sein. Jedoch handele es sich dabei nur um ein Aggregat der ClinicalTrials.gov Einträge. Die Angaben zu Studienergebnissen und die im Register abgelegten Dokumente fehlen demzufolge im WHO-Register komplett.

Was sollte Europa jetzt tun?

Die Experten halten es erstens für sinnvoll, dass bestehende Datenbanken die Aufgaben von PubMed übernehmen. Dafür würden sich beispielsweise Europe PMC oder die ZB Med mit Livivo (zukünftig ggf. OLSPub) eignen, da sie über die nötige Infrastruktur verfügen.

Zweitens fordern sie die Erstellung eines Interfaces mit professionellen Suchfunktionalitäten. Da ein Großteil der MEDLINE-Daten über Crossref frei verfügbar ist, könnte mithilfe einer API-Schnittstelle ein eigenes Interface aufgebaut werden. Derzeit können die Crossref-Daten nämlich nur über sogenannte Mega-Zitationsindizes wie Lens oder OpenAlex durchsucht werden. Diese Indizes böten jedoch nur begrenzte Suchmöglichkeiten und Schlagwörter sowie Abstracts sind nicht immer verfügbar. Eine systematische und professionelle Recherche sei in diesen Indizes daher nicht auf dem gleichen Niveau möglich wie in etablierten bibliografischen Datenbanken.

Drittens bestehe bei den Studienregistern die Aufgabe darin, bestehende Alternativen auszubauen und zu öffnen (wie CTIS) oder zentrale Plattformen (wie ISRCTN) zu unterstützen.

Die Fachleute von Cochrane, IQWIG und G-BA geben zudem eine tabellarische Übersicht über mögliche Alternativen zu US-amerikanischen Recherchetools. Diese wird stetig aktualisiert und ist unter anderem auf der Website des IQWIG verfügbar.

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