Internationale Studie

Was Zahnschmelz über frühes Leben verrät

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Zahnmedizin
Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen untersuchten chemische Eigenschaften im Zahnschmelz, um herauszufinden, wie prähistorische Menschen vor fast 100 000 Jahren lebten.

Eine Studie eines internationalen Forscherteams unter der Leitung der Universität Southampton gibt einen Einblick in die Jagdgewohnheiten und die Ernährung der Neandertaler und anderer in Westeuropa lebender Menschen mit Hilfe einer Strontiumanalyse des Zahnschmelzes.

Strontiumisotope in Gesteinen verändern sich im Laufe der Jahrmillionen durch radioaktive Prozesse. Das bedeutet, dass sie von Ort zu Ort unterschiedlich sind, je nach dem Alter der zugrundeliegenden Geologie. Mit der Verwitterung des Gesteins werden die isotopischen „Fingerabdrücke“ über die Sedimente an die Pflanzen weitergegeben und finden ihren Weg durch die Nahrungskette – und schließlich in den Zahnschmelz. „Strontium ersetzt in kalziumhaltigen Mineralien leicht das Kalzium, da beide Kationen die gleiche Wertigkeit haben“, erklären die Forschenden [Linscott et al., 2023]. „Die Kalziumkomponente der primären Mineralphase in tierischen Knochen und Zähnen, Hydroxylapatit [Ca10(PO4)6(OH)2], wird daher während der Biomineralisierung häufig durch Strontium ersetzt“, ergänzen Linscott und ihr Team.

Strontiumisotopenmessung des Zahnschmelzes

In dieser Studie setzten die ArchäologInnen eine Technik ein, bei der Laserproben aus dem Zahnschmelz entnommen und Tausende einzelner Strontiumisotopenmessungen entlang des Wachstums einer Zahnkrone vorgenommen werden. Die Proben wurden von zwei Neandertalern entnommen, die etwa 95.000 Jahre alt sind, und von einem jüngeren Menschen, der vor etwa 13.000 Jahren, während des Magdalénien, lebte. Die Bewegungen der Menschen konnten schließlich durch einen Vergleich der Strontiumisotope in den Zähnen mit Sedimenten, die an verschiedenen Orten in der Region gesammelt wurden, kartiert werden.

Die Hauptautorin, Dr. Bethan Linscott, erklärt: „Der Zahnschmelz bildet sich schrittweise und stellt somit eine Zeitreihe dar, die den geologischen Ursprung der von einem Individuum aufgenommenen Nahrung aufzeichnet.“

Die WissenschaftlerInnen untersuchten auch Isotope im Zahnschmelz von Tieren, die in dem Höhlensystem gefunden wurden. Neben Strontium maßen sie auch Sauerstoffisotope, die saisonal zwischen Sommer und Winter variieren. So konnten sie nicht nur feststellen, wo sich die Tiere in der Landschaft aufhielten, sondern auch, in welchen Jahreszeiten sie zur Jagd verfügbar waren. Ihre Ergebnisse zeigen, dass die Neandertaler in dieser Region auf weiten Flächen ziemlich große Tiere jagten, während die Menschen, die Zehntausende von Jahren später am selben Ort lebten, auf einem halb so großen Gebiet von kleineren Tieren lebten.

Mitautor Professor Alistair Pike betont: „Diese Studie zeigt, wie sehr die Wissenschaft unser Verständnis der Archäologie in den letzten zehn Jahren verändert hat. Früher war das Leben und Verhalten der Menschen in der Vergangenheit auf das beschränkt, was wir aus den Spuren auf ihren Knochen oder den von ihnen benutzten Artefakten schließen konnten. Jetzt können wir mit Hilfe der Chemie von Knochen und Zähnen beginnen, individuelle Lebensgeschichten zu rekonstruieren, sogar so weit zurück wie die der Neandertaler.“

Originalstudie: Linscott B, Pike AWG, Angelucci DE, Cooper MJ, et al. Reconstructing Middle and Upper Paleolithic human mobility in Portuguese Estremadura through laser ablation strontium isotope analysis. Proc Natl Acad Sci U S A. 2023 May 16;120(20):e2204501120. doi: 10.1073/pnas.2204501120. Epub 2023 May 8. PMID: 37155903.

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