Wettbewerbszentrale

„Wenn sich jeder Werbende ein Siegel anheften würde, würde das den Sinn der Siegel ins Gegenteil verkehren!"

Susanne Theisen
Gesellschaft
Gütesiegel, Vorher-Nachher-Aufnahmen oder Auszeichnungen werden im Gesundheitsmarkt oftmals auf unlautere Weise zu Werbezwecken eingesetzt, teilt die Wettbewerbszentrale mit – auch von Ärztinnen und Ärzten.

Zertifikate und ähnliche Maßnahmen, mit denen Akteurinnen und Akteure im Gesundheitsbereich für ihre Leistungen werben, müssen eine nachprüfbare Basis haben. Ist dies nicht der Fall, wird die Wettbewerbszentrale aktiv. Bei ihr gingen nach eignenen Angaben 2022 circa 900 Anfragen und Beschwerden zu Werbemaßnahmen im Gesundheitsmarkt ein, im laufenden Jahr sind es bisher etwa 750. Die Beschwerden adressieren mögliche Verstöße durch Apotheken, Heilberufe, Krankenkassen oder Pharmaunternehmen.

Werbung mit unlauteren Gütesiegeln

Bei den Werbemaßnahmen von zwei Kliniken habe man beispielsweise in dem einen Fall „die Werbung mit 'Ausgezeichnet als die beste Haarklinik Deutschlands' beanstandet, weil keine Kriterien für die Auszeichnung erkennbar waren. In dem anderen Fall hatte sich eine Klinikgruppe mit einer Art Siegel als 'Deutschlands beste neurologische Klinikgruppe' geschmückt“. Belege für diese Aussage seien aber nicht vorhanden gewesen und es habe auch keine Überprüfung durch eine neutrale Stelle stattgefunden. „In beiden Fällen haben sich die Kliniken zur Unterlassung verpflichtet“, berichtet die Prüfstelle.

Schönheits-OPs: Vorher-Nachher-Bilder sind verboten

Viele Anbieter von Schönheitsoperationen werben mit Vorher-Nachher-Bildern in den sozialen Medien. Laut Wettbewerbszentrale gab es hierzu im Jahr 2022 mehr als 100 Anfragen und Beschwerden, in 2023 bisher 70. Das habe im vergangenen Jahr zu insgesamt 35 Beanstandungen geführt, im laufenden Jahr zu 22. Inhaltlich geht es bei den Beanstandungen darum, dass Vorher-Nachher-Aufnahmen von Brustvergrößerungen, Nasenkorrekturen oder Fettabsaugungen sowie Lippen- und Hautunterspritzungen den Erfolg einer Behandlung darstellen, die medizinisch nicht indiziert ist. Abbildungen über solche Eingriffe dürfen nach dem Heilmittelwerbegesetz (HWG) aber nicht gezeigt werden, um keine Anreize dafür zu setzen. „Ob zu den verbotenen Werbemaßnahmen auch Werbung für Faltenunterspritzungen gehört, ist bislang unklar“, merkt die Wettbewerbszentrale an. Momentan führt sie sieben Gerichtsverfahren, um die Grundsatzfrage zu klären, ob dies zu den operativen plastisch-chirurgischen Eingriffen im HWG-Sinne sind, die nicht beworben werden dürfen.

Die Wettbewerbszentrale hat auch ein Verfahren in Bezug auf die Werbung mit einem „Ärzte-Siegel“ angestoßen. Konkret hatte sie einem Verlag untersagt, die Siegel „TOP Mediziner“ oder „Focus Empfehlung“ zu Werbezwecken anzubieten. Man habe diese Vergabe der Auszeichnungen an Ärztinnen und Ärzte als irreführend kritisiert, weil der Eindruck erweckt werde, es hätte eine Überprüfung nach objektiven Kriterien stattgefunden (zm-online berichtete). Aktuell befindet sich das Verfahren in der Berufungsinstanz, am 11. Juli 2024 wird das Thema mündlich am Oberlandesgericht München verhandelt. „Wir beobachten die Werbung mit Auszeichnungen sehr genau. „Wenn sich jeder Werbende ein Siegel anheften würde, das keine hinreichende Grundlage hat, würde das den Sinn der Siegel – nämlich Verbraucher zu informieren – ins Gegenteil verkehren. Außerdem verzerrt es den Wettbewerb“, sagt Christiane Köber, in der Wettbewerbszentrale zuständig für den Bereich Gesundheitsmarkt.

Vier Krankenkassen wegen Irreführung abgemahnt

Im Bereich Krankenkassen hat die Wettbewerbszentrale laut eigenen Angaben „etliche Werbemaßnahmen zur Werbung mit Auszeichnungen zur Prüfung“ vorgelegt bekommen. In insgesamt vier Fällen sei sie aktiv geworden und habe Abmahnungen wegen Irreführung ausgesprochen. Sie will diese rechtlichen Sachverhalte jetzt grundlegend klären lassen:

  • Darf eine Krankenkasse, die bei einem Ranking Platz 18 oder 19 erreicht hat, das Siegel „TOP-Krankenkasse“ verwenden, wenn das Ranking 64 Krankenkassen einbezieht?

  • Darf sich eine Krankenkasse als „Nachhaltigkeits-Champion“ bezeichnen, wenn diese „Auszeichnung“ auf einer Verbraucherbefragung beruht, bei der diese aus vorgegebenen Antworten (nach dem Schema „trifft zu“) wählen konnten?

  • Darf eine Krankenkasse mit der Note „sehr gut“ werben, wenn es sich dabei nicht um die Bestnote handelt, sondern 14 Krankenkassen mit „exzellent“ besser abgeschnitten haben?

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