Wie MKG-Chirurgen Kriegsverletzungen von Geflüchteten aus der Ukraine behandeln
Mehr als eine Millionen Flüchtlinge aus der Ukraine sind seit Kriegsbeginn bis Anfang März in Deutschland eingetroffen, in der Mehrheit Frauen und Kinder. Wenn Männer kommen, sind sie häufig durch Kriegseinsätze verletzt und müssen hierzulande weiterbehandelt werden, berichteten Vertreter der Deutschen Gesellschaft für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie (DGMKG) bei einem Parlamentarischen Abend am 13. März.
20 bis 40 Prozent der Schuss- und Explosionsverletzungen betreffen Kopf, Hals und Gesicht
Viele von ihnen hätten Schuss- und Explosionsverletzungen – 20 bis 40 Prozent davon betreffen laut DGMKG den Kopf-, Hals- und Gesichtsbereich. In solchen Fällen kümmern sich die deutschen Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgen mit modernen Behandlungsmethoden und in interdisziplinären Teams darum, dass die Schluck-, Kau- und Sprechfunktion funktionell wiederhergestellt wird.
„Auch in der Ukraine gibt es hervorragende Kliniken mit mund-, kiefer- und gesichtschirurgischen Abteilungen, allerdings stoßen diese seit dem Kriegsausbruch stark an ihre Kapazitätsgrenzen“, betonte DGMKG-Experte Prof. Dr. Dr. Alexander Schramm. „Da deutsche Kliniken über modernste Standards verfügen und momentan noch ausreichend Kapazitäten haben, haben wir bereits zeitnah nach dem Kriegsausbruch unsere Unterstützung angeboten.“ Bei Schuss- und Explosionsverletzungen im Gesicht und im Kieferbereich seien häufig die Weichteile, wie die Haut, die Muskeln und das Bindegewebe betroffen, aber auch die knöchernen Strukturen.
Die Soldaten werden in ihrem Heimatland erstversorgt
„Die ukrainischen Soldaten werden in ihrem Heimatland erstversorgt – erhalten also zunächst, stabilisierende, lebensrettende Maßnahmen. Häufig müssen beispielsweise Blutungen gestillt oder Luftwege gesichert werden“, berichtete Schramm, Oberstarzt und Klinischer Direktor der Klinik für Mund-, Kiefer- und plastische Gesichtschirurgie und Geschäftsführender Direktor am Zentrum für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde am Universitätsklinikum Ulm. „Wenn sie soweit stabilisiert sind, dass sie transportfähig sind, werden sie zunächst in der Ukraine behandelt und bei Kapazitätsbedarf zur weiteren Versorgung nach Deutschland oder in andere Länder gebracht.“
In der Weiterversorgung liegt der Fokus hierzulande dann vor allem auf der funktionellen Wiederherstellung, beispielsweise der Schluck-, Kau- und Sprechfunktion, aber auch ästhetische Belange werden dabei adressiert. „Dabei müssen wir berücksichtigen, dass der Bereich des Gesichts hochkomplex ist“, sagt eOberfeldarzt PD Dr. Marcus Schiller vom Sanitätsversorgungszentrum der Bundeswehr in Seedorf. „Wenn ein Soldat beispielsweise auf eine Mine tritt und der Fuß zertrümmert ist, bekommt er eine Prothese – was für Chirurgen vergleichsweise einfach umsetzbar ist.“
Bei einer Verletzung im Kiefer- und Gesichtsbereich sei jedoch eine multidisziplinäre Zusammenarbeit von Oralchirurgen, MKG-Chirurgen, HNO-Ärzten, Augenärzten, Anästhesisten, Neurochirurgen und Traumatologen gefragt. „Wenn das Gesicht durch eine Schuss- und Expositionsverletzung zerstört ist, ist das für den Betroffenen nachhaltig entstellend“, so Schiller. „Dabei geht es dann oft sowohl darum, dass die Zähne mit Implantaten wieder funktionsfähig hergestellt werden als auch dass das verletzte Gewebe behandelt wird – und zwar so, dass möglichst viel davon erhalten bleibt.“
Die Verletzung der Augenhöhle ist eine besondere Herausforderung
Bei einigen Soldaten sei auch die Augenhöhle verletzt, was eine besondere Herausforderung darstellt: Mittels moderner intraoperativer Assistenzsysteme wie 3-D-Computer-Navigationen und einer intraoperativen Bildgebung im Zusammenspiel mit patientenspezifischen Implantaten und Operationsschablonen können MKG-Chirurgen selbst in dieser komplexen Körperregion Fremdkörper entfernen und knöcherne Symmetrien wiederstellen.
Die DGMKG-Experten zogen auf ihrem Parlamentarischen Abend ein positives Fazit: Die bisherigen Erfahrungen zeigten, dass man in Deutschland auch auf die Behandlung komplexer Kriegsverletzungen gut vorbereitet sei. Dennoch müsse das wehrmedizinische Wissen und die Versorgungen im Katastrophenfall nun mehr in die Breite gebracht werden – etwa durch entsprechende Fortbildungen. „Hier benötigen wir letztlich auch die finanzielle Unterstützung der Politik“, resümierte Schramm.