Deutsche Gesellschaft für Präventivzahnmedizin

Wie sinnvoll ist der Einsatz von Pro- und Präbiotika bei Parodontitis?

nb/pm
Zahnmedizin
Die Ernährung wirkt sich auf gingivale und parodontale Erkrankungen aus. Ob Pro- und Präbiotika aber auch gezielt als Präventionsmaßnahme eingesetzt werden sollten, wurde auf dem diesjährigen Kongress der Deutschen Gesellschaft für Präventivzahnmedizin (DGPZM) in Dortmund diskutiert.

Das mit der Entstehung von Parodontitis eng verbundene Bakterium Porphyromonas gingivalis ist in geringer Anzahl natürlicher Bestandteil des Keimspektrums einer gesunden Mundhöhle. Es wird unter physiologischen Bedingungen von zahlreichen kommensalen Bakterienspezies an einem krankheitsauslösenden Überwachsen gehindert.

Prof. Dr. Ulrich Schlagenhauf, Leiter der Abteilung Parodontologie am Universitätsklinikum in Würzburg, präsentierte auf dem Kongress "Kinderzahnheilkunde meets Zahnerhaltung" der Deutschen Gesellschaft für Präventivzahnmedizin (DGPZM) in Dortmund Beispiele für den erfolgreichen Einsatz von Pro- und Präbiotika in der Zahnmedizin.

Schlagenhauf wies darauf hin, dass Diversität und Reichhaltigkeit der kommensalen Mikroorganismen für die Stabilität des Systems wichtig sind: "Je höher die bakterielle Vielfalt, umso besser. Bei einseitiger Ernährung verschwinden viele Keime aus der Mundhöhle und dem Darm, weil sie so bestimmte für ihr Überleben essentielle Nahrungsbestandteile nicht mehr in ausreichender Menge erhalten."

Stressbedingte hohe Kortisolkonzentrationen oder eine chronisch erhöhte Konzentration proinflammatorischer Zytokine, wie sie etwa für Diabetes mellitus oder Schwangerschaften typisch sind, begünstigen ein dysbiotisches Überwachsen proteolytischer Keime innerhalb des oralen und intestinalen Keimspektrums. Das Immunsystem reagiert darauf mit der Freisetzung antibakteriell wirksamer Komplementproteine.

Da P. gingivalis im Gegensatz zu den Kommensalen Komplementproteine inaktivieren und so einer Zerstörung entgehen kann, kommt es zu einer chronifizierten Entzündung, die langfristig die Integrität des Zahnhalteapparates zerstört [Hajishengallis, 2015].

Entzündungen des Zahnfleischs wird durch eine sorgfältige und in regelmäßigen Abständen wiederholte Entfernung bakterieller Zahnbeläge durch Zähneputzen oder professionelle Zahnreinigung vorgebeugt.

Dies führt in aller Regel zur Auflösung krankheitsauslösender bakterieller Fehlverteilungen in den Zahnbelägen. Werden aber nicht zeitgleich auch die Ursachen der Dysbiosen wie Fehlernährung, Rauchen oder die Präsenz weiterer systemischer Entzündungen korrigiert, ist das erneute Auftreten von Entzündungen langfristig unvermeidlich. Schlechte häusliche Zahnpflege kann das Entzündungsrezidiv begünstigen.

Präbiotika: Nahrungsgrundlage für Mikroorganismen

Präbiotika sind Nahrungsbestandteile mit gesundheitsförderlicher Wirkung, die der Mensch im Gegensatz zu Bakterien nicht aufschließen kann. Ein Beispiel dafür stellen nitratreiche Wurzel- und Blattgemüse dar. Schlagenhauf berichtete von einer klinischen Studie, die er mit seinem Team durchgeführt hatte: Binnen zwei Wochen führten Smoothies aus nitratreichem Kopfsalat bei Personen mit chronischer Gingivitis zu einer deutlichen Reduktion der Entzündung.

Eine täglich konsumierte Nitratmenge von 200 mg Nitrat (von der WHO/FAO als unbedenklich eingestuften Menge: 222 mg/d) halbierte das Ausmaß einer chronischen Zahnfleischentzündung (der Gingivitis Index sank von durchschnittlich 0,6 auf 0,3), während sich die Gingivitis in der Placebogruppe, welche einen identischen, aber völlig nitratfreien Kopfsalat konsumierte, nicht signifikant veränderte [Jockel-Schneider et al., 2016].

Das Ausmaß der Entzündungsreaktion entsprach dabei einem Rückgang, wie er beispielsweise in einer vergleichbaren klinischen Studien nach regelmäßiger Anwendung einer antibakteriellen 0,2-prozentigen Chlorhexidinmundspüllösung beobachtet wurde [Brecx et al., 1993].

Die entzündungshemmende Wirkung von Nitrat in der Nahrung beruht auf seiner Verstoffwechselung zu antibakteriell und antientzündlich wirksamem Nitrit durch nitratreduzierende Bakterien, die physiologischerweise den Zungenrücken besiedeln.

Das mit dem Speichel verschluckte Nitrit wird nachfolgend in der Säure des Magens spontan zu Stickstoffmonoxid (NO) verwandelt, welches einen unverzichtbaren Bestandteil der natürlichen Blutdruckkontrolle bildet.

Schlagenhauf schlussfolgert: "Die langfristige Verwendung antibakterieller Mundspülungen ist problematisch, da sie durch die Desinfektion auch der Zunge auch die bakterielle Produktion von Nitrit unterbindet und so den Körper an Nitrit und NO verarmen lässt, was eine potentiell gesundheitsschädliche Beeinträchtigung der natürlichen Regulation des Blutdrucks mit sich bringt."

Der Konsum von Nitrat und Nitrit wird jedoch auch mit der Gefahr der Bildung kanzerogener Nitrosamine z. B. aus Wurst in Verbindung gebracht. Schlagenhauf beunruhigt das nicht: "Tierexperimentell konnte der Beweis einer Krebsauslösung durch vermehrten Konsum von Dauerwurst nie belegt werden.

Vegetarier und Veganer, die vergleichsweise höhere Mengen an Nitrat über den Konsum nitratreicher Gemüsesorten zu sich nehmen, zeigen in großen epidemiologischen Studien ein signifikant erniedrigtes Erkrankungsrisiko für Magen-, Speiseröhren und Mundhöhlenkrebs im Vergleich zu Personen, die nur selten und in geringen Mengen nitratreiche Gemüsesorten verzehren" [Larsson et al., 2006]

Probiotika als "zweitbeste Lösung"

Probiotische Keime, welche die Entstehung krankheitsförderlicher bakterieller Dysbiosen aktiv hemmen, können über Kau- oder Lutschtabletten leicht aufgenommen werden und wirken sowohl lokal als auch systemisch. Ein Beispiel ist Lactobacillus reuteri, der eine Reihe pathogener Keime durch die Bildung so genannter Bakteriozine wie Reuterin oder Reutericyclin hemmt.

Schlagenhauf und sein Team konnten demonstrieren, dass die Mundgesundheit von Schwangeren mit manifester Gingivitis im letzten Trimester vom täglichen Konsum zweier Lutschtabletten mit L. reuteri (≥ 108 koloniebildende Einheiten) signifikant profitierte.

Waren zu Beginn der Untersuchung nur etwa ein Drittel aller untersuchten Gingivabereiche ohne erkennbare Entzündung, so erhöhte sich der Anteil entzündungsfreier Schleimhautflächen in der Testgruppe nach einer durchschnittlichen Einnahmedauer von L. reuteri auf fast 80 Prozent, während in der Kontrollgruppe, die ein geschmacksidentisches Placebo-Lutschbonbon konsumiert hatte, keine signifikante Veränderungen nachgewiesen werden konnten [Schlagenhauf et al., 20016].

Fazit: Zähneputzen kann nicht ersetzt werden!

Regelmäßiges und gründliches Zähneputzen bildet nach wie vor die zentrale Basis für die Erhaltung der Mundgesundheit, denn die wissenschaftlichen Belege reichen derzeit noch nicht aus, um die tägliche Mundhygiene durch Pro- oder Präbiotika zu ersetzen.

Dennoch könnte ihr Konsum bei ausgeprägten Entzündungen oder in Situationen in denen eine effiziente mechanische Reinigung etwa auf aufgrund körperlicher Einschränkungen oder mangelnder Fähigkeit zur Kooperation nicht möglich ist, eine wertvolle und wirksame Ergänzung der präventiven und therapeutischen Möglichkeiten darstellen.

Quelle: Vortrag von Prof. Dr. Ulrich Schlagenhauf, Würzburg: "Probiotika in der Zahnmedizin: Ein anderer Weg der Prävention? Paro und Karies." Kongress "Kinderzahnheilkunde meets Zahnerhaltung", 28.9.2018 in Dortmund

aus IME Wissenschaftlicher Informationsdienst 4/2018

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Literatur

1) Hajishengallis G: Periodontitis: from microbial immune subversion to systemic inflammation. Nat Rev Immunol. 2015 Jan;15(1):30-44 .

2) Jockel-Schneider Y et al. Stimulation of the nitrate-nitrite-NO-metabolism by repeated lettuce juice consumption decreases gingival inflammation in periodontal recall patients: a randomized, double-blinded, placebo-controlled clinical trial. J Clin Periodontol. 2016 Jul;43(7):603-8 .

3) Brecx M, Macdonald LL, Legary K, Cheang M, Forgay MG. Long-term effects of Meridol and chlorhexidine mouthrinses on plaque, gingivitis, staining, and bacterial vitality. J Dent Res. 1993 Aug;72(8):1194-7 .

4) Larsson SC, Bergkvist L, Wolk A. Fruit and vegetable consumption and incidence of gastric cancer: a prospective study. Cancer Epidemiol Biomarkers Prev. 2006 Oct;15(10):1998-2001 .

5) Schlagenhauf U, Jakob L, Eigenthaler M, Segerer S, Jockel-Schneider Y, Rehn M. Regular consumption of Lactobacillus reuteri-containing lozenges reduces pregnancy gingivitis: an RCT. J Clin Periodontol. 2016 Nov;43(11):948-954 .

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