MDS-Begutachtungsstatistik

"Wir sehen immer nur die Spitze des Eisbergs!"

pr/pm
14.042 fachärztliche Gutachten zu vermuteten Behandlungsfehlern hat der Medizinische Dienst im Jahr 2020 erstellt. In jedem vierten Fall wurde ein Fehler bestätigt. Die Dunkelziffer ist aber hoch.

Patientensicherheit sollte jetzt engagiert gestärkt werden - das fordert der Medizinische Dienst des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen (MDS) in seiner aktuellen Begutachtungsstatistik 2020, die er heute in Berlin vorgestellt hat.

14.042 fachärztliche Gutachten zu vermuteten Behandlungsfehlern hat der MDS im vergangenen Jahr erstellt, wie aus dem Bericht hervorgeht. In jedem vierten Fall wurde ein Fehler bestätigt und ein Schaden festgestellt, in jedem fünften war der Fehler ursächlich für den Schaden.

Wie der Bericht weiter darlegt, liegt die Gesamtzahl der ärztlichen Gutachten zu Behandlungsfehlervorwürfen seit Jahren auf einem gleichbleibenden Niveau bei rund 14.000 Fällen pro Jahr bundesweit. 2020 bestätigte der Medizinische Dienst in 4.099 Fällen einen Fehler und in 3.550 Fällen einen Fehler mit Schaden. Und in 2.826 Fällen wurde festgestellt, dass der Fehler Ursache des Schadens war.

Zwei Drittel der Vorwürfe betrafen Behandlungen in der stationären Versorgung, zumeist in Krankenhäusern (9.293 Fälle). Ein Drittel bezog sich auf Arztpraxen (4.723 Fälle). Die meisten Vorwürfe bezogen sich dem Bericht zufolge auf operative Eingriffe, meist in der stationären Versorgung.

neun Prozent der Fälle kommen aus der Zahnmedizin

Knapp 31 Prozent aller Vorwürfe (4.337 Fälle) betrafen die Orthopädie und Unfallchirurgie, zwölf Prozent die Innere Medizin und Allgemeinmedizin (1.634 Fälle), neun Prozent die Allgemein- und Viszeralchirurgie (1.296 Fälle), ebenfalls neun Prozent (1.198 Fälle) die Zahnmedizin, acht Prozent die Frauenheilkunde und Geburtshilfe (1.128 Fälle) und sechs Prozent die Pflege (899 Fälle). Rund 25 Prozent der Vorwürfe bezogen sich laut Bericht auf 29 weitere Fachgebiete.

Die festgestellten Fehler fallen auf die unterschiedlichsten Behandlungen. Sie reichen von Knie- und Hüftgelenksimplantationen über Zahnentfernungen bis hin zu Knochenbrüchen, Gallensteinbehandlungen oder Operationen am Grauen Star. Wie der Medizinische Dienst erklärt, sind die Zahlen nicht repräsentativ. Sie zeigen lediglich die Begutachtungsergebnisse des Medizinischen Dienstes auf.

Bei zwei Drittel (66,8 Prozent) der begutachteten Fälle waren die Gesundheitsschäden der betroffenen Patienten vorübergehend. Das heißt, eine Intervention oder ein Krankenhausaufenthalt war notwendig oder musste verlängert werden. Bei rund einem Drittel der Fälle wurde ein Dauerschaden verursacht.

Der Medizinische Dienst wolle mit seiner Jahresstatistik einen Beitrag zu mehr Transparenz über vermeidbare Schäden in Medizin und Pflege leisten, erläutert Dr. med. Stefan Gronemeyer, Geschäftsführer des MDS: „Wir wollen den Fokus auf das Thema Patientensicherheit lenken. Hier hat es in den vergangenen Jahren keine substanziellen Weiterentwicklungen und keine gesetzlichen Initiativen gegeben.“

Die genannten Fallzahlen suggerierten vielleicht, dass es sich bei den Fehlern um ein Randproblem handele. Tatsächlich sei jedoch bekannt und wissenschaftlich belegt, dass nur etwa drei Prozent der vermeidbaren unerwünschten Ereignisse nachverfolgt werden. Gronemeyer: „Wir sehen also immer nur die Spitze des Eisbergs. Die Dunkelziffer ist hoch.“

Laut MDS sollte der Blick auf besonders schwerwiegende, aber sicher vermeidbare Fehler gerichtet werden (sogenannte Never Events, etwa Patienten- und Seitenverwechslungen, Medikationsfehler oder zurückgebliebene Fremdkörper nach Operationen). Die WHO fordere dazu die Einführung eines verpflichtenden Meldesystems. Gezielte Prävention setze daher voraus, dass solche Ereignisse berichtet und gemeldet werden - vertraulich und völlig losgelöst von haftungsrechtlichen Konsequenzen.

Als Fazit plädiert der MDS dafür, systematisch aus Fehlern zu lernen: „Wir möchten uns weiter dafür einsetzen, dass Behandlungsfehler nicht ausschließlich als haftungsrechtlich zu lösende Einzelfälle gesehen werden“, heißt es in dem Bericht. „Behandlungsfehler stellen auch für Pflegekräfte, Ärztinnen und Ärzte und weitere Beteiligte ein großes Problem dar und können nicht losgelöst vom Versorgungsgeschehen betrachtet werden. Jeder Fehler muss im Sinne einer künftigen Fehlervermeidung zählen.“

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