„Wir sind ein Joint Venture zwischen Berufsstand und Staat“
Das Kammerkonstrukt in Deutschland ist ein Joint Venture zwischen Berufsstand und Staat, erinnerte der niedersächsische Kammerpräsident, Henner Bunke, D.M.D./Univ. of Florida, an die Wurzeln des Kammerwesens. Aufgaben, die in anderen Ländern durch den Staat wahrgenommen würden, wie das Berufsrecht, Sach- und Fachkundeprüfungen, Berufsausbildung, Weiterbildung, Versorgungsleistungen und ein umfangreiches Serviceangebot für die Pflichtmitglieder werde von demokratisch legitimierten Gremien aus dem Berufsstand organisiert, die die Bedürfnisse der Mitglieder kennen und für den Staat eine effiziente, kostensparende Verwaltung übernehmen, sagte er. Bunke: „Das Kammerwesen hat eindeutig Zukunft.“
Die vergangenen 75 Jahre könnten insgesamt als erfolgreich gewertet werden, so der Präsident weiter. Trotzdem gebe es Gefahren für den Berufsstand, so etwa die wachsende Zahl von Investoren in der zahnärztlichen Versorgung. Die ländliche, wohnortnahe Versorgung werde geschädigt, da Investoren überwiegend in einkommensstarken Ballungszentren gründeten. Das führe zu Wettbewerbsverzerrungen gegenüber Hauszahnärzten. Hier bestehe politischer Handlungsbedarf.
„Kontrollbürokratie muss abgeschafft werden“
Ferner griff der Präsident den Fachkräftemangel heraus. Dessen Hauptursache sei die überbordende Bürokratie, etwa bei der Dokumentation rund um QM und Hygieneauflagen, dazu anhaltender Frust bei Anwendungen der Telematikinfrastruktur, die nicht ausreichend getestet wurden und stark fehlerlastig seien. Kontrollbürokratie müsse abgeschafft und mehr Behandlungszeit für die Patienten geschaffen werden, forderte er. Die Rahmenbedingungen für die Berufsausübung müssten verbessert werden, um junge Kolleginnen und Kollegen zur Niederlassung zu motivieren. Uns auch die strikte Budgetierung und der nicht angepasste GOZ-Punktwert führten zu Frust. Sein Fazit: „Wir sollten in der großen Politik mehr miteinander sprechen als übereinander und den derzeitigen Kurs der Staatsmedizin so schnell wie möglich beenden.“
Aus der Landespolitik war Dr. Andreas Philippi, Niedersächsischer Minister für Soziales, Arbeit, Gesundheit und Gleichstellung, geladen. Seine Botschaft an die Zahnärzte: Die Kammer sei eine bis heute andauernde Erfolgsgeschichte. Sie stelle eine moderne und bedeutende Interessensvertretung der niedersächsischen Zahnärzteschaft dar. Ohne die Kammer wäre die Sicherstellung einer qualifizierten Aus-, Fort- und Weiterbildung der Zahnärztinnen und Zahnärzte sowie der zahnmedizinischen Assistenzberufe und damit eine Sicherstellung hochwertiger Behandlungsqualität nahezu undenkbar, so der Minister. Sein Fazit: Der Berufsstand trage zur Gesundheit der Bevölkerung entscheidend bei.
Der dänische Zahnarzt Freddie Sloth-Lisbjerg, Präsident des Council of European Dentists (CED), gratulierte der Kammer mit einem Legobaum-Geschenk. Sloth-Lisbjerg, der auch einmal als Zahnarzt in Niedersachsen praktiziert hatte, erinnerte an Herausforderungen, die allen europäischen Zahnärzten gemeinsam sind. Dazu gehören Themen wie Antibiotikaresistenzen, die wachsende Bürokratielast, Digitalisierung, der Fachkräftemangel oder multiple Erkrankungen in einer immer älter werdenden Bevölkerung.
Der Präsident der Bundeszahnärztekammer (BZÄK), Prof. Dr. Christoph Benz, brachte seine Botschaft zum Jubiläum kurz und knapp auf den Punkt: „Selbstverwaltung wirkt. Wer sagt, Kammer bringt nichts, der liegt völlig daneben. Kammer wirkt.“
Als Gründungsdatum der Zahnärztekammer in Niedersachsen gilt der 15. Januar 1949, an diesem Tage traf sich die erste frei gewählte Kammerversammlung im Fürstenzimmer des hannoverschen Hauptbahnhofs.