„Wir sind es leid, an der Nase herumgeführt zu werden!“
„Eine Nomenklatura aus Politik, Ministerialbeamten, Krankenkassenfunktionären und neuerdings auch Beamten des Bundesrechnungshofs hat die Kontrolle über das GKV-System übernommen,“ sagte der FVDZ-Bundesvorsitzende Harald Schrader vor den Delegierten der Hauptversammlung, die gestern in Lübeck startete.
„Nicht länger bereit für Lauterbachs ungedeckte Leistungsschecks geradezustehen!"
„Wir sind es leid, an der Nase herumgeführt zu werden!“, zeigte sich Schrader kämpferisch. Niedergelassene Heilberufler würden zu Erfüllungsgehilfen degradiert und mit immer mehr Sanktionierung gezwungen, ihre Leistung für das System trotz Budgetierung zu erbringen.
Schrader weiter: „Zahnheilkunde wird in Deutschland von den Leistungsträgern zu Ramschpreisen erbracht. In der GKV wird budgetiert, in der GOZ gelten Preise von vor 35 Jahren. Damit muss jetzt Schluss sein! Wir sind nicht länger bereit, für die ungedeckten Leistungsschecks, die Herr Minister Lauterbach jeden Tag öffentlich ausstellt, geradezustehen.“
In seinem Grußwort verwies der Präsident der Bundeszahnärztekammer (BZÄK), Prof. Dr. Christoph Benz, auf die Protestaktionen mit dem Verband medizinischer Fachberufe (vmf) im Sommer. Es sei wichtig, hier intensive Solidarität und einen Schulterschluss zu zeigen.
„Wir müssen jetzt eigene Impulse setzen!"
Benz thematisierte auch das Problem der steigenden Insolvenzen bei Krankenhäusern. In Bezug auf die ambulante Versorgung ergäben sich hier Verteilungskämpfe. „Wir müssen uns jetzt für die ambulante Versorgung einsetzen und eigene Impulse setzen", forderte er. Er machte dem Berufsstand Mut, das Steuer in die Hand zu nehmen und auch den ländlichen Raum als Chance zu begreifen. „Wir müssen aufhören, den eigenen Beruf schlecht zu reden,“ sagte Benz.
ZA Martin Hendges, Vorsitzender des Vorstands der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung (KZBV), kritisierte in seinem Grußwort die Ampel scharf. Debatten und Entscheidungen würden von ideologischen Denken geprägt, sagte er. Sämtliche Gesetze oder Gesetzesvorhaben im Gesundheitswesen ließen die Tendenz zur Zentralisierung und Verstaatlichung erkennen, die Selbstverwaltung werde geschwächt und es zeige sich eine „unerträgliche Ignoranz gegenüber den freiberuflich tätigen zahnärztlichen Praxen und deren Teams“.
„Unerträgliche Ignoranz gegenüber freiberuflich tätigen Zahnarztpraxen und ihren Teams“
Vor allem die verheerenden Folgen des Finanzstabilisierungsgesetzes für die präventionsorientierte Paro-Strecke und für die Versorgung im ländlichen Raum prangerte Hendges an. Der Evaluationsbericht von KZBV und DG Paro belege jetzt schon einen eklatanten Einbruch bei den PAR-Neubehandlungen. Hendges warnte: „Nicht frühzeitig behandelte Parodontitis führt zu deutlich höheren Kosten im GKV-System!"
Debattiert wurde im Anschluss über einen Umstieg im System der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) für die Leistungen der Zahnheilkunde. Schrader rief dazu auf, Modelle für tragfähige Konzepte zu entwickeln. „Ob diese Konzepte innerhalb des bestehenden Systems möglich sind, ob es außerhalb des Systems sein soll oder ob es eine Mischform gibt, müssen wir diskutieren und zu kreativen Lösungen kommen,“ fordert er.
„Wir werden das System neu denken müssen!“
Festredner Prof. Thomas Drabinski, Leiter des Instituts für Mikrodatenanalyse Kiel, analysierte die gesundheitsökonomischen Perspektiven der Zahnmedizin. Er machte zudem Vorschläge für neue Finanzierungswege ambulanter zahnärztlicher Leistungen. „Ich glaube, dass wir das System neu denken müssen,“ sagte er. „Eine Weiterentwicklung des bestehenden Systems wird nicht funktionieren.“ Sein Vorschlag: eine Ausgliederung der Zahnmedizin aus der Sachleistung und die Finanzierung über eine Pro-Kopf-Prämie.
In der anschließenden Diskussionsrunde, moderiert von Dr. Joachim Hüttmann (FVDZ), wurden die Vorschläge Drabinskis kontrovers diskutiert. Während der Vorstandsvorsitzende der IKK-Innovationskasse, Ralf Hermes, der im Sommer mit seiner Idee vom GKV-Ausstieg der Zahnmedizin die Debatte ins Rollen brachte, von der Idee des Prämienmodells ganz angetan war, hielt Hendges die Vorschläge im derzeitigen politischen Umfeld für nicht umsetzbar.
Für diese Art Systemwechsel brauche es politische Partner, die mit der derzeitigen Regierung nicht auszumachen seien. Schrader sprach sich dafür aus, alle Optionen zu diskutieren. Ein Systemwechsel könne auch in mehreren Schritten erfolgen.
Die Hauptversammlung geht noch bis morgen, 14. Oktober. Dann sind Wahlen zum Bundesvorstand vorgesehen.