Kritik am deutschen Gesundheitswesen

Zu viele Krankenhausbetten, zu hohe Ausgaben – zu wenig Gesundheit

pr
Im deutschen Gesundheitswesen gibt es zu viele Ausgaben und Leistungen, aber im Vergleich zu anderen Ländern Europas weniger Gesundheit, meint der Gesundheitsökonom und Mediziner Prof. Reinhard Busse. Er fordert eine Reduzierung der Krankenhauszahlen.

„Wir geben im Vergleich zum europäischen Ausland im deutschen Gesundheitswesen sehr viel aus. Dazu erbringen wir zu viele Leistungen. Dennoch erhalten wir im Verglich zu anderen Ländern zu wenig Gesundheit.” So lautete die These von Prof. Dr. Reinhard Busse vom Lehrstuhl für Management im Gesundheitswesen an der Technischen Universität Berlin beim DGIM-Talk der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin (DGIM). Die Diagnose des Mediziners: das Gesundheitswesen hierzulande steckt in einem ökonomischen und medizinischen Dilemma.

Busse ging auf Zahlen aus der Zeit vor der Pandemie ein: 2020 habe das deutsche Gesundheitssystem 441 Milliarden Euro gekostet; das sei mehr als 13 Prozent des Bruttoinlandprodukts – oder 5.300 Euro pro Person. Dazu habe es im ambulanten Bereich pro Tag mehr als drei Millionen Arzt-Patienten-Kontakte gegeben. Mehr als zwei Millionen Packungen rezeptpflichtiger Arzneimittel wurden in diesem Zeitraum abgegeben und 1,7 Millionen Packungen rezeptfreier Medikamente verkauft. Außerdem gab es 380.000 stationäre Patienten in Krankenhäusern plus 120.000 unbelegte Betten, 53.000 Notaufnahmebesuche, von denen 45 Prozent zu einer stationären Aufnahme führten sowie 53.000 weitere stationäre Krankenhausaufenthalte.

Kosten steigen vor allem im Arzneimittelbereich

Die Dimensionen seien international einmalig, berichtete Busse, die Nachbarländer hätten wesentlich niedrigere Zahlen. Zum Vergleich nannte er Dänemark. Hier sei die Zahl der Notaufnahmebesuche etwa gleich, jedoch würden nur rund 20 Prozent der Patienten stationär aufgenommen.

Vor allem im Arzneimittelbereich seien in Deutschland die Kosten angestiegen, führte Busse weiter aus. Hier hätten die Kosten von 26,3 Milliarden Euro im Jahr 2011 um 75 Prozent auf 46,2 Milliarden Euro im Jahr 2020 zugenommen. Hinzu komme die überdurchschnittliche hohe Zahl der Krankenhausaufnahmen, aber auch deren hohe Dauer. Heruntergebrochen auf einzelne Krankheitsbilder zeige sich, dass die stationäre Verweildauer in den Nachbarländern Deutschlands im Durchschnitt nur ein Drittel des Wertes hierzulande betrage.

„Es gibt zu viele und viele schlecht ausgestattete Krankenhäuser”

Für Busse stellt sich hier die Frage der Notwendigkeit und Angemessenheit. Deutschland habe zu viele Krankenhäuser (rund 1.420), sagte er – gleichzeitig fehle es in vielen Häusern an wichtiger Ausstattung. „Wir wiegen uns häufig in der Sicherheit, dass viele Krankenhäuser da sind”, sagte er, „aber de facto gibt es nur rund 500 Krankenhäuser, die die notwendige Ausstattung haben.”

Um wieder auf die von der generellen Krankenhausplanung angestrebte Belegung von 80 Prozent der Betten zu kommen, müssten rund 18 Prozent der vorhandenen Betten abgebaut werden, rechnete er vor. Das betreffe rund 720 der 1.420 Häuser. Im Jahr 2021 habe es inklusive COVID-Patienten eine Auslastung von 66 Prozent der Betten gegeben. „Wir leisten uns einen riesigen Krankenhaussektor, doch in vielen Häusern ist die Technik nicht da und es wird trotzdem Personal gebunden”, bilanzierte er. Sein Fazit: „Das deutsche Gesundheitswesen wird viel zu teuer, aber nur wenig besser – und fällt gegenüber den Nachbarländern immer weiter zurück. Wir müssen drastisch etwas tun.”

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