National Health Service (NHS)

Britische Regierung übergibt NHS-Daten an Amazon

mg
Gesellschaft
Die britische Regierung gerät unter Beschuss, weil sie NHS-Gesundheitsinformationen an Amazon übergeben hat. Kostenlos. Aufgrund massiver Proteste soll der Vertrag nun überarbeitet werden.

Nachdem die NGO "Privacy International" mit Verweis auf das britische Informationsfreiheitsgesetz die Herausgabe von Vertragsbestandteilen erwirkt hat, werde erstmals klar, wie weit die Nutzung der Daten über das bisher vermutete Maß hinausgeht, schreiben verschiedene Medien.

Vorgeschichte: Im Juli dieses Jahres hatten NHS und Amazon ihre Zusammenarbeit bekanntgegeben. Die Idee von Gesundheitsminister Matt Hancock war, Patienten die Möglichkeit zu geben, mit dem smarten Amazon-Lautsprecher Alexa Gesundheitsinformationen von den Websiten des NHS zu beziehen.

Datenschützer bekommen Einsicht nur in Teile des Vertrags

Jetzt sei jedoch klar geworden, berichten verschiedene Medien weiter, dass der Vertrag Amazon Zugang zu allen Gesundheitsinformationen gewährt, einschließlich Symptomen, Ursachen und Definitionen sowie zu allen damit zusammenhängenden urheberrechtlich geschützten Inhalten, Daten, Informationen und anderen Materialien, die sich aktuell im Besitz des Ministeriums für Gesundheit und Soziales (DHSC) befinden. Amazon erhalte außerdem Zugriff auf die Datenschnittstelle des NHS.

Laut Privacy International hat Amazon den Vertrag verteidigt und behauptet, dass es sich bei den übergebenen Daten nur um "allgemeine gesundheitsbezogene Inhalte" handelt. Doch die vollständigen Details seien keinesfalls klar, da große Teile des Vertrags entfernt wurden, weil die Freigabe dieser Passagen nach Ansicht des DHSC die kommerziellen Interessen von Amazon beeinträchtigen würde.

"Auch wenn dieser spezielle Vertrag zunächst harmlos klingt, (…) sollten wir nicht naiv gegenüber den Absichten großer Unternehmen sein, die sich mit dem NHS befassen", kommentierte die Nichtregierungsorganisation die Vorgänge.

Selbst wenn ein Test des so rosig dargestellten Mehrwerts für NHS-Patienten zu Ernüchterung führte: Als Mitarbeiter von Privacy International Alexa einem Test mit Gesundheitsfragen unterzogen, habe diese häufig überhaupt keine Antworten geben können, berichtete die Organisation. Dies insbesondere bei Fragen zur psychischen oder sexuellen Gesundheit. In anderen Fällen stammten die Antworten nicht von der NHS-Website.

EU-Regel erlaubt keine Übergabe von öffentlichen Vermögen mit einem Wert von mehr als 200.000 Euro

Durch einen Vorstoß von Anti-Brexit-Aktivist Jolyon Maugham findet im Zusammenhang mit dem Vertrag nun noch eine andere Diskussion statt – nämlich die, ob die Regierung mit dem Vertrag gegen die Vorschriften für staatliche Beihilfen verstoßen haben könnte, indem sie Amazon kostenlos einen "übermäßigen" Zugang zu öffentlichen NHS-Daten gewährt hat.

Maugham hatte formell Beschwerde bei der EU-Kommission eingereicht. Begründung: Es sehe so aus, als habe Amazon – weltweit, für immer, unwiderruflich und gebührenfrei – eine Lizenz für alle Gesundheitsinformationen des NHS und damit einen Vorsprung im überaus wertvollen Gesundheitssektor bekommen habe.

Denn nach den EU-Beihilfevorschriften dürfen Regierungen kein öffentliches Vermögen im Wert von mehr als 200.000 Euro ohne Genehmigung der Kommission an Unternehmen verschenken. Kritiker des Deals  behaupten, der Wert der NHS-Informationen sei weitaus höher. Sowohl Amazon als auch der NHS widersprachen daraufhin gegenüber der britischen Nachrichtenagentur "The Press Association" (PA). Die betroffenen Daten seien schon heute frei verfügbar und würden dementsprechend bereits von anderen Unternehmen verwendet.

NHS: keine sensiblen Daten übergeben

Der NHS England widerspricht auch der Darstellung, dass Amazon durch den Deal sensible Patientendaten übergeben worden seien. Der Datenschutz werde sehr ernst genommen und angemessene Sicherheitsvorkehrungen seien ergriffen worden, um sicherzustellen, "dass die Informationen korrekt verwendet werden", hieß es. Damit war alles gesagt, weitere Fragen blieben unbeantwortet.

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