US-Studie

COVID-19: Wie ein Shutdown die Spanische Grippe abtötete

silv
Die Welt 1918: Die Spanische Grippe breitet sich weltweit rasant aus. Eine Studie dazu aus 2007 ist aktuell wie nie, denn sie zeigt, wie Quarantäne, Ausgehverbote und Schulschließungen die Todeszahlen senken.

Am Ende fanden 40 Millionen Menschen den Tod. Die Studie ist heute interessant wie nie, zeigt sie doch, wie wichtig es sein kann, so schnell wie möglich umfassende Maßnahmen einzuleiten, damit sich möglichst wenige Menschen mit einem neuen Virus infizieren.

Todesursache: Akutes Lungenversagen

Untersucht wurden die Zahlen aus 43 US-Städten, die über 100.000 Einwohner hatten im Zeitraum vom 8. September 1918 bis zum 22. Februar 1919 (Nonpharmaceutical Interventions Implemented by US Cities During the 1918-1919 Influenza Pandemic).

Die Menschen, die an der Spanischen Grippe erkrankt waren, starben meistens an akutem Lungenversagen. Therapien wie invasive Beatmung gab es damals noch nicht, Patienten, die Mittel zur Kreislaufstärkung erhielten, wähnten sich glücklich – geholfen haben sie allerdings nicht.

Die Krankheit war so unbekannt wie das Coronavirus heute

Als im Herbst 1918 die ersten Fälle der Spanischen Grippe auftraten, war die Krankheit für Ärzte und Betroffene so unbekannt und unheimlich wie das Coronavirus heute. Und wie heute reagierten Behörden unterschiedlich und auch unterschiedlich schnell, was deutlichen Einfluss auf die Verbreitung hatte. In Großstädten, in denen die Verantwortlichen proaktiv weitreichende nicht-medizinische Maßnahmen ergriffen, konnte der Beginn der Epidemie hinausgezögert werden, parallel dazu sank die Zahl der Erkankungen.

Auch die Art der Erkankungen lässt sich vergleichen, denn beide Male brach eine Pandemie aus, bei der der Erreger durch Tröpfchen übertragen wird. Sowohl gegen die Spanische Grippe als auch gegen Corona gab und gibt es anfangs weder einen Impfstoff noch effektive Medikamente. Und in beiden Fällen traf der Ausbruch die Menschen weltweit völlig unvorbereitet.

Am schnellsten reagierte New York City

Nicht-medizinische Maßnahmen scheinen in beiden Fällen vernünftig. Am schnellsten war New York City, die Stadt, die schon damals niemals schlief. Elf Tage, bevor ein Anstieg der Mortalität verzeichnet wurde, verordneten die Verantwortlichen umfangreiche Isolierungs- und Quarantänemaßnahmen.

Schnell wurden provisorische Einrichtungen errichtet, in die die Kranken, wenn die Kranken­häuser überfüllt waren, eingeliefert wurden. Das Zauberwort Isolation stand schon damals über allem und wer darauf setzte, war auf der richtigen Seite. Wer Kontakt mit Kranken hatte, wurde sofort in häusliche Quarantäne geschickt. Häuser, in denen Quarantäne herrschte, wurden von außen deutlich sichtbar markiert. Die Botschaft lautete: Halte dich fern!

Das gesellschaftliche Treiben war ähnlich wie heute

Damals lebten rund fünf Millionen Menschen in New York City, heute sind es rund 8,5 Millionen, zählt man die Metropolregion dazu, dann sind es insgesamt 18,9 Millionen. Die Studie erläutert, dass die gesellschaftlichen Begebenheiten denen unserer Zeit durchaus ähnlich waren: Es gab schnelle Transportmöglichkeiten wie Züge und Autos, die Kommunikation wurde per Telefon oder Telegramm erledigt. In den Großstädten lebten Millionen Menschen auf engem Raum zusammen. Informationen wurden hauptsächlich via Zeitungen und Flugblätter verbreitet. Nicht ganz so schnell wie mit Internet, aber dennoch mit beachtlicher Geschwindigkeit.

New York City schloss 1918 ein paar Wochen lang die Schulen. Menschen, die ohne triftigen Grund U-Bahn fuhren, gab es nicht, denn auch das wurde verboten. Die Zahl der Passagiere, die den öffentlichen Nahrverkehr nutzen durften, wurde so drastisch reduziert. All diese Maßnahmen konnten die rasante Verbreitung der Spanischen Grippe eindämmen. Das zeigt eine Untersuchung der Zahlen von damals: In New York kam es durch die Spanische Grippe zu 452 zusätzlichen Todesfällen auf 100.000 Einwohner. Das entspricht der 15-niedrigsten Übersterblichkeit.

Pittsburgh handelte zu spät

An den Zahlen von Pittsburgh lässt sich festmachen, wie sich das schnelle Handeln der New Yorker bezahlt machte und half, Menschenleben zu retten. Erst sieben Tage nachdem ein Anstieg der Todesfälle zu verzeichnen war, erließ die Stadt Pittsburgh ein Verbot von öffentlichen Versammlungen.

20 Tage vergingen, bevor die Schulen geschlossen wurden. In Pittsburgh kam es zu 807 zusätzlichen Todesfällen auf 100.000 Einwohner – fast doppelt so viele in New York. Pittsburgh hielt damit einen traurigen Rekord, die Stadt landete auf Platz 1 mit der höchsten Mortalität aller US-Großstädte während der Spanischen Grippe.

Isolierungen bewiesen ihre Wirksamkeit

Auch die Dauer der nicht-medikamentösen Maßnahmen hatte einen Einfluss auf den Verlauf der Erkrankungen. So hob Denver die Schulschließungen zwischenzeitlich auf, das Versammlungsverbot wurde früher als in anderen US-Städten aufgehoben. Die Rechnung der Spanischen Grippe folgte quasi auf den Fuß: Es kam zu einem zweiten Erkrankungsgipfel.

Fazit der Studie: Nicht-medikamentöse Maßnahmen können den Mortalitätsgipfel hinauszögern und vermindern. In US-Städten, in denen früh und beherzt Maßnahmen getroffen wurden, konnte im Vergleich die Gesamtzahl der Todesfälle gesenkt werden. Isolierung, Versammlungsverbote und Schulschließungen bewiesen ihre Wirksamkeit.

Markel H, Lipman HB, Navarro JA, et al. Nonpharmaceutical Interventions Implemented by US Cities During the 1918-1919 Influenza Pandemic. JAMA. 2007;298(6):644–654.doi:10.1001/jama.298.6.644 Die Welt 1918: Die Spanische Grippe breitet sich weltweit rasant aus. Eine Studie dazu aus 2007 ist aktuell wie nie, denn sie zeigt, wie Quarantäne, Ausgehverbote und Schulschließungen die Todeszahlen senken.

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