Strategien zur Gesundheitsförderung in ländlichen Räumen

Land in Sicht? Ja!

Lea Winnig
Gesellschaft
Weite Wege, schlechte Infrastruktur - um die gesundheitliche Versorgung auf dem Land sicherstellen zu können, gilt es viele Herausforderungen zu überwinden. Gleichzeitig stehen dort aber besondere Ressourcen zur Verfügung.

Viel ehrenamtliches Engagement, eine hohe räumliche Verbundenheit und ein ausgeprägter Gemeinschaftssinn sind Ressourcen, die in ländlichen Räumen im Gegensatz zur Stadt in der Regel zur Verfügung stehen. Wie also lassen sich die Bedingungen vor Ort in ländlichen Räumen gesundheitsförderlicher gestalten? Dieser Frage widmete sich die diesjährige Satellitenveranstaltung zum Kongress Armut und Gesundheit, die der Kooperationsverbund Gesundheitliche Chancengleichheit gemeinsam mit dem Deutschen Landkreistag am 19. März 2018 in Berlin durchgeführt hat.

Ländliche Räume – was ist das eigentlich?

Dass es den ländlichen Raum an sich nicht gibt, wurde schon bei der Eröffnung der Veranstaltung deutlich. Romantisierende und verklärende Ideen vom ländlichen Raum und dem Landleben sind dabei ebenso unzutreffend wie die häufig anzutreffende Schwarzmalerei vom zurückgelassenen Land, das durch mangelnde Infrastruktur gänzlich abgehängt sei. Ein differenzierter Blick auf die Vielfalt ländlicher Räume und wichtige Potenziale und Herausforderungen in Bezug auf die Gesundheitsförderung und Prävention standen deshalb im Zentrum der Veranstaltung.

Ein Plädoyer für die Schaffung von Strategien zur Entwicklung nachhaltiger Raumbilder und Lebensstile im ländlichen Raum hielt Kerstin Faber, Planerin und Urbanistin, in ihrem Eröffnungsvortrag. Sie betonte die Bedeutung von Kooperationen, wie Versorgungs-, Wirtschafts- und Kulturkooperativen. Diese bündeln Ressourcen über die Vernetzung und binden Menschen langfristig an die eigene Region. Denn mit der Zusammenarbeit wächst auch das Verantwortungsbewusstsein für die eigene Region, neues Wissen und neue Perspektiven entstehen. Die staatliche Seite kann diese Prozesse fördern, indem sie unter anderem Raum für Experimente gewährt und neben dem Ehrenamt immer auch ein Hauptamt unterstützt.

Ein Beispiel für Kooperationen ist das Projekt "Landengel" der Stiftung Landleben. Es baut ein regionales Gesundheits-, Pflege- und Versorgungsnetzwerk auf. Im Netzwerk engagieren sich Ärztinnen und Ärzte, Therapeutinnen und Therapeuten, Apotheken, Vereine, Schulen, Betriebe, die Dörfer und Menschen. Über „Gesundheitskioske“ soll in einzelnen Gemeinden ein Bürger- und Pflegeservice angeboten werden.

Die Präventionskette – ein Weg zu gesunden Lebensorten

Eine strategische Zusammenarbeit im Bereich der Gesundheitsförderung kann neue Anreize für Bewohnerinnen und Bewohner in ländlichen Räumen schaffen und diese als gesunde Standorte hervorheben. Ein Weg dorthin sind integrierte Strategien der Gesundheitsförderung und Prävention, sogenannte Präventionsketten.

Dr. Antje Richter-Kornweitz, Landesvereinigung für Gesundheit und Akademie für Sozialmedizin Niedersachsen e. V., ist Expertin auf dem Gebiet der Präventionsketten. Sie koordiniert derzeit das Programm "Präventionsketten in Niedersachsen: Gesund aufwachsen für alle Kinder!". Ihren Vortrag fokussierte sie auf Präventionsketten für das Kindes- und Jugendalter. Im Rahmen von Präventionsketten werden Ressourcen und Kompetenzen unterschiedlicher (kommunaler) Akteure und Institutionen gebündelt und Unterstützungsangebote aufeinander abgestimmt.

Die Ausgangsfragestellung für das Vorgehen ist dabei immer: Was brauchen Kinder und Jugendliche, um gesund aufwachsen zu können? Dabei sind wesentliche Prinzipien und Qualitätskriterien auch auf andere Lebensphasen übertrag- bzw. erweiterbar. Der intersektorale und professionsübergreifende Ansatz zeichnet alle Präventionsketten aus. Dazu kommt eine Lebenslagen- und Lebensweltorientierung sowie ein ressourcenorientiertes Vorgehen.

Frau Richter-Kornweitz machte deutlich, dass die Erweiterung auf andere Lebensphasen eine hohe konzeptionelle Herausforderung birgt. Im Kindes- und Jugendalter sind die Übergänge beispielsweise sehr institutionell geprägt, im späteren Lebensalter wesentlich individueller. Hier müssen Unterstützungsangebote flexibler und breiter aufgestellt werden.

Zusammenarbeit fördern – Gesundheit stärken

Die beiden Eröffnungsvorträge zeigten deutlich, dass es zur Verbesserung der Lebensbedingungen und zur Stärkung gesundheitlicher Chancengleichheit in ländlichen Räumen vor allem auf eine gute Bündelung von Ressourcen und eine zielführende Zusammenarbeit aller Akteure ankommt. Präventionsketten bilden dabei eine mögliche Form der Zusammenarbeit. In den Fachforen wurden verschiedene Ansätze diskutiert, die zu gesunden ländlichen Räumen beitragen können.

Dabei arbeiten einzelne Landkreise, kreisangehörige Städte und Gemeinden unter unterschiedlichen Voraussetzungen. Auch deshalb sind sie bezüglich integrierter kommunaler Strategien ganz unterschiedlich aufgestellt. Ziel war es daher zu betrachten, welche Ansätze schon bestehen und wie diese beispielsweise mit dem Konzept Präventionskette verknüpft werden können. Diskutiert wurden  folgende Themen:

  • integrierte Gesundheits- und Sozialberichterstattung als Grundlage für eine am Bedarf orientierte kommunale Gesundheitsstrategie

  • Prozessgestaltung und -begleitung beim Auf- und Ausbau integrierter kommunaler Strategien

  • Ansätze zur Förderung des sozialen Zusammenhalts in Kommunen

  • Ansätze der überregionalen Zusammenarbeit sowie Herausforderungen der Kooperation in großen Flächenlandkreisen

  • Beitrag der Jugendbeteiligung zur Stärkung der ländlichen Räume.

Vorgestellt wurden gelungene Beispiele aus ganz Deutschland. Präventionsketten oder integrierte Ansätze können ganz verschiedene Schwerpunkte haben, immer jedoch haben sie einen Soziallagenbezug. Im Rheinland z. B. haben sich kommunale Netzwerke gegen Kinderarmut gebildet. Dazu wurde eine Koordinationsstelle Kinderarmut im Landesjugendamt des Landschaftsverbandes Rheinland eingerichtet.

Im Landkreis Aurich in Niedersachsen nimmt die Kreisvolkshochschule Aurich-Norden eine zentrale Funktion in der Vernetzung unterschiedlichster Akteure aus Politik, Verwaltung und anderen Professionen sowie ehrenamtlichen Akteuren ein. Gemeinsam mit dem Gesundheitsamt des Landkreises koordiniert die Kreisvolkshochschule Norden z. B. die Umsetzung des Landesprogramms „Senioren- und Pflegestützpunkt Niedersachsen“. Durch die Zusammenarbeit mit dem Mehrgenerationenhaus und der Freiwilligenagentur wird auch bürgerschaftliches Engagement gestärkt und in die Netzwerkaktivitäten eingebracht. Durch vielfältigen Austausch und eine starke Vernetzung entsteht im Landkreis Aurich eine sorgende Gemeinschaft.

"Kita mit Biss"

"Kita mit Biss"

Die Bilanz des Tages lautet letztlich: Land in Sicht? Ja, das ist es und das sollte es auch weiterhin sein! Es gilt, auch in der Gesundheitsförderung und Prävention den Fokus verstärkt auf ländliche Räume zu legen. Hier gibt es bereits eine große Zahl von Aktivitäten und, wie der Abschlussredner Rainer Steen deutlich machte, "ein Füllhorn voll Ideen". Sie zeigen Chancen für die weitere Entwicklung und die Förderung gesunder ländlicher Räume auf. Damit diese genutzt werden können, bedarf es einer gezielten Koordination und Ressourcenbündelung.

Der Kooperationsverbund Gesundheitliche Chancengleichheit

Der Kooperationsverbund Gesundheitliche Chancengleichheit

Die Online-Dokumentation der Satellitenveranstaltung finden Sie in Kürze unterwww.gesundheitliche-chancengleichheit.de.

Lea WinnigGeschäftsstelle des Kooperationsverbundes "Gesundheitliche Chancengleichheit"Gesundheit Berlin-Brandenburg

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