Unkontrollierter Virusausbruch

Virologen warnten Spahn schon 2019

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Gesellschaft
Während Großbritannien SARS-CoV-2 und seine Variationen in großem Stil untersucht, findet bei uns eine Sequenzierung kaum statt. Dabei warnten Virologen das Bundesgesundheitsministerium (BMG) wohl schon im November 2019 vor der Gefahr eines Ausbruchs ohne Surveillance.

Die britische Mutante B.1.1.7 ist nach einer vorläufigen Risikoeinschätzung des European Centre for Disease Prevention and Control (ECDC) bis zu 70 Prozent ansteckender als bisher zirkulierende SARS-CoV-2 Varianten - ersten Studien zufolge vor allem für Menschen unter 20 Jahren.

Deutschlands Datenlage ist "begrenzt"

Laut Robert Koch-Institut (RKI) gibt es aber "bei begrenzter Datenlage" bislang keine Hinweise auf schwerere Krankheitsverläufe oder eine verringerte Wirksamkeit der Impfstoffe. Indes deute sich an, dass die Infektion mit einer höheren Viruslast einhergehen könnte.

A propos "begrenzte Datenlage": Wie verbreitet die neue Corona-Variante in Deutschland inzwischen ist, weiß man auch nicht. Das RKI hat derzeit nur vier Infektionsfälle dokumentiert. Denn im Unterschied zu Großbritannien, wo man eine Verdichtung der Neuinfizierten im Großraum London nachweisen kann, findet bei uns eine Analyse des Erbguts bislang nur vereinzelt statt.

Erst am Dienstag hatten sich Bundeskanzlerin Angela Merkel und die Minister auf der Bund-Länder-Konferenz darauf geeinigt, wegen der neuen Virus-Mutation die Sequenzierung von Viren auch in Deutschland verstärkt durchzuführen und dazu im Rahmen des Dritten Bevölkerungsschutzgesetzes eine zusätzliche Verordnung zu erlassen.

Im November 2019 wandten sich die Fachgesellschaften ans BMG

Laut einem Bericht der Süddeutschen Zeitung (SZ) hatten sich jedoch bereits vor über einem Jahr - am 19. November 2019 - die Gesellschaft für Virologie und die Deutsche Gesellschaft für Hygiene und Mikrobiologie mit einem Brief ans BMG mit der Forderung gewandt, das Erbgut von Krankheitserregern stärker zu überwachen.

Ein "ministrielles Eingreifen" sei "unausweichlich" geworden, zitiert die SZ aus dem Schreiben, das der Zeitung zufolge nicht nur der SZ-Redaktion, sondern auch dem NDR und dem WDR vorliegt. Ein beträchtlicher Teil der Expertenlabore könne seine Aufgaben nicht mehr erfüllen, bei einem Ausbruchgeschehen fehlten die "Möglichkeiten der molekularen Surveillance", klagten die Virologen demnach in dem Brief.

Ergebnis: "ein relevantes Ausbruchsgeschehen bei lückenhafter Überwachung"

Der SZ zufolge habe ein Mitarbeiter von Bundesgesundheitminister Jens Spahn daraufhin einen Expertenaustausch angeregt, der jedoch nie stattgefunden habe. "Ein Treffen sei aber weiterhin geplant", antwortete das BMG der Zeitung zufolge jüngst auf Anfrage.

Die Gesellschaft für Virolgie hatte am 23. Dezember 2020 mit Blick auf die britische Mutante in einer Stelklungnahme nochmals dafür plädiert, dass "die Bemühungen um eine systematische molekulare Surveillance in Deutschland dringend verstärkt werden sollte[n]".

Eingetreten ist nun stattdessen das Szenario, vor dem die Virologen vor der Pandemie eindrücklich warnten: "ein relevantes Ausbruchsgeschehen bei lückenhafter Überwachung".

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