Medizin

Sind schlechte Zähne erblich?

Johannes Zschocke
Nachrichten
"Fakten statt Mythen" lautete das Motto zum Tag der Zahngesundheit. Was an dem Mythos "Schlechte Zähne sind erblich" dran ist, erklärt Johannes Zschocke. Er ist Professor für Humangenetik an der Medizinischen Universität Innsbruck.

Fast alles, was unsere Gesundheit betrifft, ergibt sich aus dem Zusammenspiel von erblichen Faktoren und Umwelteinflüssen. Dies gilt auch für viele Zahnprobleme wie zum Beispiel Karies oder Parodontitis. Karies wird durch eine zuckerreiche Ernährung im Zusammenspiel mit einer gestörten Homöostase der bakteriellen Mundflora verursacht.

Untersuchungen bei Zwillingen haben aber gezeigt, dass das Auftreten beziehungsweise der Schweregrad der Karies auch von genetischen Faktoren abhängt. Welche Gene dabei eine besondere Rolle spielen, ist nicht leicht zu bestimmen: Die dafür notwendigen Assoziationsstudien, bei denen ein möglicher Zusammenhang geprüft wird, sind sehr aufwendig und brauchen eine sehr große Zahl von Probanden mit genauen Angaben zu Ernährung, Mundhygiene, Bakterienflora, Umwelteinflüssen und anderen nicht-genetischen Faktoren.

Überzeugende „Karies-Risikogene“, die von mehreren Studien bestätigt wären, sind noch nicht gefunden worden, und es gibt kein Gen, das man allgemein zur besseren Abklärung des Kariesrisikos testen könnte. Sowieso wäre die Frage, welche Konsequenzen sich aus dem Nachweis eines (in der Regel nur leicht) erhöhten oder erniedrigten Kariesrisikos ergeben würden. Auf Ernährung und Mundhygiene zu achten, wäre unabhängig von jedem Gentest notwendig.

Etwas Anderes sind die monogenen Krankheiten, die durch Veränderungen in einzelnen Genen verursacht werden und bei denen etwa Zahnschmelzveränderungen trotz bester Zahnpflege auftreten. Es gibt zahlreiche Gene, die verschiedenste oft sehr spezifische Zahnprobleme verursachen - viele solche Gene sind inzwischen bekannt, und ständig werden weitere gefunden.

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Zahnprobleme als Teil eines übergeordneten Krankheitsbildes

Manchmal sind nur die Zähne betroffen, etwa bei der isolierten Amelogenesis imperfecta, bei der die Synthese des Zahnschmelzes gestört ist und es auch bei guter Zahnpflege zur gelben, braunen oder grauen Verfärbung der Zähne, schwerer Karies und Zahnschmelzverlust kommt. Die Amelogenesis imperfecta gehört zu den „Seltenen Krankheiten“, von denen weniger als 1 von 2.000 Personen betroffen sind, und sie kann durch zahlreiche unterschiedliche Gene verursacht werden.

Manchmal sind Zahnprobleme aber auch Teil eines übergeordneten Krankheitsbildes, wie etwa beim Kohlschütter-Tönz-Syndrom, das durch die Kombination von Amelogenesis imperfecta mit schwer behandelbarer Epilepsie und geistige Behinderung gekennzeichnet ist (auch hier gibt es mehrere ursächliche Gene). Wichtige Hinweise auf eine monogene Krankheit sind das besondere klinische Bild, aber auch das Vorkommen von ähnlichen, nicht durch Umweltfaktoren erklärten Befunden bei mehreren Mitgliedern einer Familie.

Wenn „schlechte Zähne“ ohne erkennbaren Grund trotz guter Zahnpflege beispielsweise bei Geschwistern oder auch Verwandten in mehreren Generationen auftreten, sollten auch monogen erbliche Ursachen in Betracht gezogen werden. Hier kann es manchmal hilfreich sein, sich an einen spezialisierten Zahnarzt oder einen Facharzt für Humangenetik zu wenden.

Univ.-Prof. Dr. Dr. med. habil. Johannes Zschocke ist Professor für Humangenetik an der Medizinischen Universität Innsbruck.

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