Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland

Verstößt die Freiberufliche Gebührenordnung gegen EU-Recht?

pr/BZÄK
Nachrichten
Zahnärzte und Architekten haben beide Freiberufliche Gebührenordnungen. Nun argumentiert ein Generalanwalt beim Europäischen Gerichtshof (EuGH), dass die Honorarordnung der Architekten dem EU-Recht widerspricht. Zwar steht das Urteil noch aus, aber was käme da auf die Zahnärzte zu?

Die Anträge des Generalanwalts bergen Sprengkraft für alle Freiberuflichen Gebührenordnungen: Im Juni 2015 hatte die Europäische Kommission ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland vor dem EuGH eingeleitet. Geprüft werden sollte, ob die in der Honorarordnung für Architekten und Ingenieurdienstleistungen (HOAI) festgelegten Mindest- und Höchstgebühren mit dem EU-Recht übereinstimmen. Das Verfahren ist jetzt in die entscheidende Phase getreten. Nach der mündlichen Verhandlung vor dem EuGH am 7. November 2018 wurden am 28. Februar 2019 in Luxemburg die Schlussanträge des aus Polen stammenden EuGH-Generalanwalts Maciej Szpunar veröffentlicht.

Das Brüsseler Büro der Bundeszahnärztekammer (BZÄK) hat die Anträge jetzt analysiert. Demnach folgt Szpunar der Rechtsauffassung der EU-Kommission und sieht in den deutschen Mindest- und Höchstgebühren für Planungsleistungen einen Verstoß gegen die Dienstleistungsrichtlinie (Artikel 15 Abs. 1, Abs. 2 Buchst. g und Abs. 3 der Richtlinie 2006/123/EG). Aus seiner Sicht behindern die HOAI-Vorgaben in unzulässiger Weise die Niederlassungsfreiheit, weil sie insbesondere ausländischen Ingenieuren und Architekten nicht die Möglichkeit geben, sich über niedrigere Preise auf dem Markt zu etablieren. Das heißt, sie regulieren in unzulässiger Weise den Markt und wirken wettbewerbsbeschränkend. Demzufolge empfiehlt er dem EuGH, der Klage gegen Deutschland stattzugeben.

In seinen Schlussanträgen setzt sich der Generalanwalt mit den von Deutschland vorgetragenen Rechtfertigungsgründen für die HOAI-Regeln auseinander. Deutschland hatte die Sicherung der Qualität der Planungsleistungen, den Verbraucherschutz, die Bausicherheit, die Erhaltung der Baukultur und das Ziel des ökologischen Bauens als Argumente ins Feld geführt. Für den Generalanwalt kommen als mögliche Rechtfertigungsgründe davon allerdings nur der Verbraucherschutz und die Gewährleistung eines hohen Qualitätsniveaus in Frage.

Gebührenordnung für Architekten und Ingenieure unter Druck – EuGH-Generalanwalt sieht Verstoß gegen EU-Recht

Mit Blick auf diese beiden Rechtfertigungsgründe habe Deutschland jedoch nicht nachgewiesen, dass die Festsetzung von Mindestpreisen geeignet sei, eine hohe Qualität von Architektur- und Ingenieurdienstleistungen zu erreichen, sondern habe sich auf allgemeine Erwägungen und Vermutungen beschränkt. Die Schlussfolgerung, dass ein verstärkter Preiswettbewerb zu einer Minderung der Qualität der Dienstleistungen führe, ist seiner Meinung nach nicht ausreichend belegt.

Szpunar geht laut BZÄK-Analyse noch einen Schritt weiter. Selbst wenn die in der HOAI vorgeschriebenen Mindestpreise geeignet wären, das Ziel der Qualität von Dienstleistungen zu erreichen, wären sie aus Sicht des Generalanwalts nicht erforderlich. Denn es gebe eine Reihe von weniger einschränkenden Maßnahmen, die sowohl die Qualität der Dienstleistungen als auch den Schutz der Verbraucher sicherstellen könnten, etwa berufsethische Normen, Haftungsregelungen und Versicherungen, Informationspflichten, Pflichten zur Veröffentlichung von Tarifen oder die staatliche Festlegung von Richtpreisen.

Einschätzung von Dr. Peter Engel, Präsident der Bundeszahnärztekammer

Fazit: Deutschland habe nicht nachgewiesen, dass die Wirkung der in Frage stehenden Bestimmungen der HOAI zu Mindestsätzen die Qualität einer Dienstleistung und den Schutz der Verbraucher besser gewährleiste. Höchstpreise hingegen seien zwar geeignet, dem Ziel des Verbraucherschutzes zu dienen, da sie für Transparenz sorgten und vor überhöhten Honorarforderungen schützten. Deutschland habe jedoch nicht belegt, dass es nicht möglich sei, die Höchstpreise durch andere, weniger einschneidende Maßnahmen zu ersetzen, die zu dem gleichen Ergebnis führten.

In seiner Bewertung weist das Brüsseler Büro der BZÄK darauf hin, dass der Generalanwalt – ähnlich dem EuGH-Urteil zur deutschen Preisbindung von Medikamenten von 2016 – seine Rechtsauffassung vor allem damit begründet, dass Deutschland keinen ausreichenden Nachweis für die Rechtfertigung des Berufsrechts vorgelegt habe. Offenbar genügten die von Deutschland im Lauf des Verfahrens mithilfe der betroffenen Berufsverbände vorgelegten statistischen und volkswirtschaftlichen Gutachten nicht, die Szpunar allenfalls am Rande erwähnt hatte. Gleichzeitig lässt Szpunar jedoch offen, welche Anforderungen für den Nachweis eines Kausalzusammenhangs zwischen verbindlichen Preisvorgaben und der Sicherung der Planungsqualität zu gelten haben.

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