Ihn verfolge die Zahl "elf", bemerkte Dr. Peter Engel, zu Beginn seiner Rede in der diesjährigen Bundesversammlung. Nicht etwa, weil er Kölner sei und am 11.11., die närrische Zeit beginnt, sondern vielmehr, weil er einerseits wunderbare elf Jahre als Präsident der Bundeszahnärztekammer erleben durfte, und andererseits, weil es bisher nicht geschafft worden ist, die Zahl elf in der GOZ zu beseitigen: "Vor genau 31 Jahren, also vor der Wiedervereinigung und der Währungsumstellung, hat die damalige Bundesregierung den Punktwert auf elf Pfennig festgeschrieben. Und auf umgerechnet 5,6 Cent eingefroren ist der Punktwert, der Richtpunkt unseres Einkommens ist."
Unerhört sei dies, auch im wahrsten Sinne des Wortes. Denn unerhört bliebe der seitdem beharrlich vorgetragene Ruf nach einer Novellierung des privatzahnärztlichen Vergütungssystems, während anderen Berufen, wie Rechtsanwälten oder Arbeitnehmern über die Tarifverträge, eine stetige Erhöhung der Vergütung gewährt werde.
Daneben bestehe weiterhin das Anliegen einer fachlichen Anpassung in der GOZ. Noch sei die zahnärztliche Arbeit in Deutschland international anerkannt und im weltweiten Ranking ganz oben, aber, so Engel, "auf Dauer werden wir die außergewöhnliche Qualität unseres Leistungsspektrums nicht halten können, wenn einerseits unsere Einkommen eingefroren sind und andererseits die Kosten an allen Ecken und Enden explodieren. Es ist den Berufsanfängern nicht zu verdenken, dass ihnen die langen Ausbildungszeiten, die unglaublich gestiegenen Kosten einer Praxisgründung oder die ärgerlichen Bürokratielasten die Ausübung unseres Heilberufs als niedergelassener Zahnarzt vergällen." Da lebe es sich im Angestelltenverhältnis entspannter. Hier habe sich Anzahl der Zahnärztinnen und Zahnärzte deutlich erhöht.
Strukturwandel und die Folgen
Um sich mit den (Zukunfts-)fragen, die mit diesem Strukturwechsel in Verbindung stehen, zu untersuchen, sei ein Ausschuss für Beruflichen Nachwuchs, Familie und Praxismanagement gegründet worden. Dabei würden unter anderem auch internationale Aspekte und wissenschaftliche Erkenntnisse beleuchtet, sowie Modellvarianten erarbeitet. Erste Ergebnisse sollen nächstes Jahr vorgestellt werden. Klar sei schon, wohin die Reise nicht gehen darf: in Richtung fremdgesteuerter Großpraxen und Dentalketten. "Es sind jene Gebilde, die eine Vielzahl von Problemen unserer Zahnmedizin widerspiegeln. Sie nutzen die Veränderungen aus, um ihr komplexes Geschäftsmodell zukunftsfest in der bundesdeutschen Zahn-Landschaft zu verankern."
Patienten als Renditeobjekte verhindern
Die Folge seien Großgebilde mit 20 oder mehr Kollegen, die zu Arbeitern mit Zielvorgaben mutieren würden, mit einer "industriellen Abfertigung" des Patienten. Rendite-Jägern, die auf die Gewinn-Aussichten der Zahnärzte-Sparte in Deutschland und Europa schielten, steckten dahinter. "Dem öffnen wir nicht Tür und Tor", sagte Engel bestimmt. 2Wir werden den Vertreterinnen und Vertretern dieser Ketten den Zugang zu Ämtern in der Standespolitik nicht leichtmachen. Umgekehrt muss gelten: Wer in der Standespolitik ist und sich bei diesen Anbietern einkauft, muss die standespolitischen Ämter niederlegen."
Schwieriger sei es bei der Gesetzgebung. Die BZÄK werde aber weiterhin unermüdlich ihre Stimme erheben und über die damit verbundenen Gefahren für das Gesundheitssystem aufklären: "Unser Hilferuf an die Politik, der Expansion der Dentalketten einen gesetzlichen Riegel vorzuschieben, wurde nur halbherzig erhört. Im unlängst verabschiedeten Terminservice- und Versorgungsgesetz, dem TSVG, hat unser Gesundheitsminister mittels Monopolregelung dem ungezügelten Treiben der reinen Kapitalinvestoren Hürden gesetzt – leider viel zu Niedrige." So wurde die berufsrechtliche Forderung, doch zumindest eine zahnärztliche Leitung der Dentalketten zu etablieren, nicht erhört.
EU-Standards und die Folgen
Jedoch habe es auch Erfolge gegeben. In den Hauptteil, der jahrelang auf Eis gelegenen Zahnärztlichen Approbationsordnung seien wesentliche Forderungen der BZÄK aufgenommen worden. Endlich gebe es bundeseinheitliche Regelungen zu Inhalt und Durchführung der Kenntnis- und Eignungsprüfung.
Engel befürchtet unterdessen, dass EU-Standards das hohe zahnmedizinische Versorgungsniveau in Deutschland aushebeln könnten: "Wir sind umgeben von Nationen mit diversen Eigeninteressen und unterschiedlichen Gesundheitssystemen. Über allem schwebt, steuert und richtet die Europäische Union. Immer häufiger und tiefgreifender nimmt sie Einfluss auf den zahnmedizinischen Berufsstand und die Versorgungslandschaft in Deutschland." Jedoch erwachse auch Gemeinsamkeit, da es nirgendwo eine einheitliche Definition der Freien Berufe gebe – und insofern keine gemeinsamen Standards. Mehr und mehr würden darauf dringen, sich zusammenzutun, um diese Standards zu erarbeiten – etwas, das bereits vor sechs Jahren zur Linie der BZÄK gehörte, denn da habe die BZÄK zum ersten Mal die Forderung nach einer EU-Charta der Freien Berufe auf europäischer Ebene erhoben.
Diese Forderung sei erneut 2017 in das Wahlprogramm zur Bundestagswahl aufgenommen worden. Apropos Bundestag: "Gespannt bin ich, wie sich die anstehende deutsche Ratspräsidentschaft in der Gesundheitsversorgung und bei dem Thema Digitalisierung verhält", betonte Engel. "Gespannt bin ich auch, ob sich die Präsidentin der Kommission Frau Dr. med. Ursula von der Leyen ihrer politischen Vergangenheit als niedersächsische Gesundheitsministerin und ihrer beruflichen Vergangenheit als Ärztin erinnert, wenn es in Brüssel zum Schwur darüber kommt, ob im europäischen Gesundheitssystem dereguliert oder reglementiert wird, ob weiter bürokratisiert und wie weit digitalisiert wird."
Schnellschüsse vom agilen Gesundheitsminister
Bei der Digitalisierung gelte: Der Patient und kein anderer müsse Herr seiner Daten sein. Das Tempo unseres "agilen Gesundheitsministers" bei der Umsetzung des Digitalen Versorgungs-Gesetzes sei ihm ein wenig zu forsch, vor allem, weil an manchen Stellen Schnelligkeit vor Sorgfalt und Patientenschutz gehe, meinte Engel.
Zum Thema Schnell-Schuss zähle auch die Weiterentwicklung der ePA. Die Gesundheitspolitik sollte es sich nicht so einfach machen und den Zahnärzten bei der Telematik-Infrastruktur die Verantwortung im datenrechtlichen Sinne zuschieben, neue Kosten aufdrücken und mit überzogenen Honorarkürzungen belasten: "Hier warten wir gespannt auf den Gesetzentwurf, der für diesen Herbst angekündigt ist. Wir setzen hier einige Hoffnung in das Justizministerium, das aktuell mit dem Gesundheitsministerium um die datenschutzrechtlichen Detailfragen ringt."
Die Bundes- und Landeszahnärztekammern seien gewappnet für eine ungewisse Zukunft mit den gesellschaftlichen Herausforderungen eines massiven Strukturwandels. Mit Brüssel auf EU-Ebene und Berlin auf bundespolitischer Ebene werde auf Augenhöhe kommuniziert. Engel: "Bei allen von mir hier und heute geschilderten politischen Problemen – summa summarum schreiben wir eine positive Geschichte."
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