Gemeinsame Stellungnahme der Industriefachverbände

Ein Jahr neue EU-Medizinprodukte-Verordnung: Viele Probleme bleiben ungelöst

nb/pm
Die deutschen Industriefachverbände befürchten einen deutlichen Engpass bei der Implementierung der EU-Medizinprodukte-Verordnung mit negativen Auswirkungen für den Gesundheitsmarkt.

Am 25. Mai 2017 trat die neue EU-Medizinprodukte-Verordnung in Kraft - noch gilt die zweijährige Übergangsfrist - "doch auch nach zwölf Monaten sind noch immer viele Fragen zur praktischen Umsetzung offen", kritisieren die deutschen Industriefachverbände in einer gemeinsamen Stellungnahme. Auch der Verband der Deutschen Dental-Industrie (VDDI) gehört zu den Unterzeichnern. 

"Auf die Hersteller, Benannten Stellen und weiteren Akteure im Gesundheitswesen kommen durch die neue Verordnung zahlreiche Veränderungen zu", heißt es dort. "Prozesse und Abläufe in den Unternehmen müssen an die neuen Anforderungen angepasst werden, gleichzeitig sind zahlreiche rechtliche Aspekte noch zu klären."

Nur noch 59 statt 90 Prüfstellen

Die Verbände befürchten zudem einen enormen Engpass bei den sogenannten Benannten Stellen. Darunter versteht man staatlich autorisierte Stellen, die - abhängig von der Risikoklasse der Medizinprodukte - Prüfungen und Bewertungen im Rahmen der vom Hersteller durchzuführenden Konformitätsbewertung durchführen und deren Korrektheit nach einheitlichen Bewertungsmaßstäben bescheinigen. Hersteller können sich an eine Benannte Stelle ihrer Wahl wenden, die für das entsprechende Verfahren und die betreffende Produktkategorie benannt ist.

Aktuell gibt es in der EU nur noch 59 Benannte Stellen für Medizinprodukte – von ursprünglich 90. Damit seien bereits heute bei den Benannten Stellen Kapazitätsprobleme vorhanden, rügt die Arbeitsgruppe "MPG" der Industriefachverbände.

"Hersteller müssen daher lange Wartezeiten in Kauf nehmen, bevor sie die notwendigen Zertifizierungen erlangen, um ihre Produkte in Verkehr bringen zu können. Insbesondere kleinere und neue Hersteller am Markt stehen schon heute vor der großen Herausforderung, dass Benannte Stellen oftmals keine Neukunden mehr aufnehmen."

Im Gegenzug wächst die Zahl der zu prüfenden Produkte

Mit Geltungsbeginn der EU-Medizinprodukte-Verordnung kämen zudem weitere Hürden für eine Neubenennung auf diese Stellen zu, heißt es in der Stellungnahme weiter, so dass Experten langfristig nur noch mit rund 40 Benannten Stellen für Medizinprodukte in der EU rechnen.

"Im Gegenzug wächst die Zahl der Produkte, die zukünftig unter die Kontrolle dieser Stellen fallen, stark an", betonen die Verbände. Mit den ersten Benennungen sei daher nicht vor Mitte 2019 zu rechnen. "Es ist daher sehr unwahrscheinlich, dass mit Geltungsbeginn der EU-Medizinprodukte-Verordnung am 26. Mai 2020 ausreichend Benannte Stellen zur Verfügung stehen werden."

In der Folge könnten viele Hersteller ab diesem Zeitpunkt Schwierigkeiten mit der Vermarktung ihrer Produkte bekommen, was zu wirtschaftlichen Einbußen und unter Umständen sogar zur Gefährdung der gesamten Geschäftstätigkeit führen könnte. Somit würden Innovationen nicht mehr in den Markt gelangen und Produkte nicht mehr beim Patienten ankommen.

Die Arbeitsgruppe "MPG" hat die Politik bereits mehrfach auf dieses brisante Thema hingewiesen, heißt es in der Stellungnahme. Lösungsansätze seien derzeit jedoch nicht in Sicht. Die Verbände fordern daher nachdrücklich kurzfristige Konsultationen auf EU-Ebene zur Lösung dieses Problems.

In der „Arbeitsgruppe MPG der Industriefachverbände“ (AG MPG) haben sich der Bundesverband der Arzneimittel-Hersteller (BAH), der Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie (BPI), der Bundesverband Medizintechnologie (BVMed), der Deutsche Industrieverband für optische, medizinische und mechatronische Technologien (SPECTARIS), der Zentralverband Elektrotechnik- und Elektronikindustrie (ZVEI) sowie der Verband der Deutschen Dental-Industrie (VDDI)

zusammengeschlossen.

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