Marburger Bund

Ein Viertel der angestellten Ärzte denkt über einen Berufswechsel nach

pr
Ein düsteres Bild des Arbeitsalltags angestellter Ärztinnen und Ärzte zeichnet der Monitor des Marburger Bundes: Überstunden, viel zu viel Papierkram und eine nutzerunfreundliche Technik bringen sie ans Limit.

Der Arbeitsalltag sei geprägt von einer steigenden Arbeitsbelastung, unzureichender Personalausstattung und Dokumentationswahn. Die befragten MB-Mitglieder berichteten, sie hätten kaum Zeit für Gespräche mit den Patienten und monierten eine fehlende Wertschätzung ihrer ärztlichen Arbeit. Ein Viertel der angestellten Ärzte denke über einen Berufswechsel nach.

Work-Life-Balance? 24-Stunden-Dienste!

An der vom Institut für Qualitätsmessung und Evaluation (IQME) durchgeführten Online-Befragung beteiligten sich in der Zeit vom 20. Mai 2022 bis 19. Juni 2022 bundesweit 8.464 angestellte Ärztinnen und Ärzte aus allen Bereichen des Gesundheitswesens. Knapp 90 Prozent der Befragten arbeiten in Akutkrankenhäusern und Reha-Kliniken, sechs Prozent in ambulanten Einrichtungen.

Vor allem die hohe Anzahl an Überstunden und 24-Stunden-Diensten, der ökonomische Druck seitens der Arbeitgeber und die mangelnde Vereinbarkeit von Beruf und Familie lässt einen Teil der Ärztinnen und Ärzte dem Monitor zufolge darüber nachdenken, den Beruf zu wechseln. Auf die Frage „Erwägen Sie, Ihre ärztliche Tätigkeit ganz aufzugeben?“ antworteten 25 Prozent der Befragten mit „ja“, 57 Prozent mit „nein“ und 18 Prozent mit „weiß nicht“.

Mindestens vier Stunden täglich Papierkram

Ein Zeitfresser für die Ärzte ist laut Monitor auch die Bürokratie. Durch administrative Tätigkeiten gehe viel Zeit für die Patientenversorgung verloren, das sei mit ärztlichen Aufgaben kaum vereinbar, so die Befragungsergebnisse. Den Zeitaufwand für Datenerfassung und Dokumentation gaben die Befragten im Mittel mit drei Stunden pro Tag an. 32 Prozent der angestellten Ärztinnen und Ärzte schätzen den Aufwand für Verwaltungstätigkeiten und Organisation sogar auf mindestens vier Stunden täglich.

Das Spektrum dieser Tätigkeiten umfasse in den Kliniken unter anderem Datenerfassungen, die häufig auch von Schreibdiensten oder Stationssekretariaten erledigt werden könnte, heißt es in dem Monitor. Dr. Susanne Johna, Vorsitzende des Marburger Bundes, kritisierte hier die negativen Auswirkungen auf die Patientenversorgung und die Arbeitszufriedenheit der Ärzte. Entbürokratisierung müsse endlich eine Priorität in der Gesundheitspolitik erhalten, forderte sie.

Aus dem MB-Monitor geht auch hervor, dass in vielen Einrichtungen des Gesundheitswesens die Ausstattung mit Hard- und Software unzureichend ist, was die Arbeit der Ärzte zusätzlich erschwert. So teilt die Hälfte der Befragten mit, dass Mehrfacheingaben identischer Daten „gelegentlich“ vorkämen, bei rund einem Drittel (32 Prozent) sei das sogar „häufig“ der Fall, bei 18 Prozent „selten“.

Abarbeien an komplizierter Soft- und Hardware

Dieselben Daten müssen wieder und wieder eingegeben werden, weil die Systeme nicht funktionierten, erklärte die MB-Vorsitzende Johna dazu. Bei der Anschaffung neuer Software blieben die Anwender meist außen vor, Schulungen für IT-gestützte Abläufe gebe es kaum - so könne Digitalisierung nicht funktionieren. Dabei habe sie großes Potenzial, die Arbeit von Ärzten zu erleichtern, unterstrich Johna.

Scharf kritisiert Johna auch den Abbau von Arztstellen in den letzten zwei Jahren der Pandemie. Ein Drittel (34 Prozent) der Befragten hatte laut Monitor die Frage nach dem Stellenabbau in den vergangenen zwei Jahren bejaht, 48 Prozent antworteten mit „nein“, 18 Prozent mit „weiß nicht“.

Insgesamt beurteilen zwei Drittel der Befragten die personelle Besetzung im ärztlichen Dienst ihrer Einrichtung als „eher schlecht“ (46 Prozent) oder „schlecht“ (20 Prozent). Johna: „Unsere Mitglieder berichten von hohen Wochenarbeitszeiten und vielen Überstunden. Wer in dieser Situation Stellen streicht oder nicht nachbesetzt, stellt den finanziellen Gewinn über das Wohlergehen und die Gesundheit seiner Beschäftigten.“

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