Stellungnahme der Bundeszahnärztekammer

"Eine Einschränkung der zahnmedizinischen Behandlung ist nicht zu rechtfertigen"

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Ist es gerechtfertigt, zahnmedizinische Behandlung nur noch auf Notfälle zu reduzieren? Die Bundeszahnärztekammer (BZÄK) hält Einschränkungen für nicht verhältnismäßig.

Die damit verbundenen Eingriffe in die Grundfreiheiten, die Berufsausübungsfreiheit der betroffenen Zahnärztinnen und Zahnärzte seien nicht gerechtfertigt, zudem sei die Sicherstellung der zahnmedizinischen Versorgung der Bevölkerung gefährdet, macht die BZÄK in einer aktuellen Stellungnahme klar.

Zahnmedizin ist integraler Bestandteil der Versorgung

Die Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde sei integraler Bestandteil der medizinischen Versorgung und gleichzeitig wesentlicher Bestandteil der medizinischen Primärversorgung. Bisher gebe es keinerlei gesicherte Erkenntnisse, dass zahnmedizinische Behandlungen zu einer erhöhten Infektionsausbreitung in der Bevölkerung beigetragen haben oder dass zahnärztliche Behandlungsteams erhöhten Infektionsraten unterliegen.

Außerdem haben laut BZÄK die bisher geltenden und im Zusammenhang mit Covid-19 ergänzten Hygienemaßnahmen und Arbeitsschutzbestimmungen zu einem hohen Schutzniveau auch bei der Behandlung von potenziell infektiösen Patienten in den Praxen geführt.

Die Entscheidung über die Notwendigkeit einer zahnmedizinischen Behandlung treffe der Zahnarzt, abhängig vom individuellen Risiko und der Komplikationsdichte des Eingriffs, im konkreten Patientenfall. Wobei infizierte Patienten oder begründete Verdachtsfälle nur in Notfällen, in Zentren oder Schwerpunktpraxen, unter Nutzung der notwendigen Schutzausrüstung (FFP2, flüssigkeitsdichte Kittel, Schutzbrillen, unsterile Handschuhe, Schutzhauben und Schutzschilder) zu behandeln seien.

Fazit: Keine Sonderrolle für die Zahnmedizin

Deshalb kommt die BZÄK zu dem Schluss, dass die Einschränkung der zahnmedizinischen Behandlung weder zu rechtfertigen noch im Interesse der Gesundheitsversorgung angemessen sei.

Analog zu anderen medizinischen und pflegerischen Berufen oder Heilmittelerbringern, bei denen Tröpfcheninfektionen möglich sind und gegebenenfalls Aerosol-bildende Maßnahmen eingesetzt werden, ergebe sich keine Sonderrolle für die Zahnmedizin - gerade vor dem Hintergrund der bereits hohen Hygienestandards und erweiterten Empfehlungen in der gegenwärtigen Situation.

Zahnheilkundegesetz zu medizinisch notwendigen Leistungen

Zahnheilkundegesetz zu medizinisch notwendigen Leistungen

BZÄK

Die BZÄK verweist in dem Zusammenhang auch auf das Zahnheilkundegesetz, demzufolge es sich bei zahnmedizinischen Behandlungen um medizinisch notwendige und erforderliche Maßnahmen im Interesse der Krankheitsvermeidung, der Vermeidung der Entstehung von akuten Beschwerden gerade während der Zeit einer möglichen Covid-19 Infektion und der Vermeidung der Verschlimmerung bestehender Erkrankungen handelt - dies insbesondere auch vor dem Hintergrund der Einflüsse von oralen Erkrankungen auf medizinisch bedeutsame Erkrankungen, wie Diabetes, Herzkreislauferkrankungen, Apoplex und Herzinfarkte.

"Zahnmedizinische Versorgung ist vor diesem Hintergrund ein elementarer Bestandteil der medizinischen Grundversorgung der Bevölkerung, auch unter den Gegebenheiten der Covid-19 Pandemie, und darf keinesfalls nur auf Notfälle, deren Definition zudem unbestimmt ist, im Interesse der Aufrechterhaltung der medizinischen Versorgung der Bevölkerung reduziert werden", bilanziert die BZÄK.

Es besteht eine gesetzliche Pflicht zur Behandlung

Zudem sei der Zahnarzt in zahnmedizinischen Notfallsituation zur Hilfeleistung verpflichtet, stellt die BZÄK mit Verweis auf § 323 c Strafgesetzbuch (unterlassene Hilfeleistung) klar. Auch die Grenzen dieser Behandlungspflicht seien in dem Gesetz definiert: Die Behandlung müsse dem Zahnarzt zumutbar sein. "Nicht zumutbar kann eine Behandlung des Notfallpatienten sein, insbesondere wenn sich der Zahnarzt dadurch einer erheblichen eigenen Gefahr aussetzt", konkretisiert die BZÄK.

Ob die mögliche Ansteckungsgefahr für nichtzahnärztliches Personal oder den Zahnarzt selbst einen solchen sachlichen Grund zur Ablehnung einer Notfallbehandlung darstellt, sei indes nicht abschließend zu beantworten. Denn: "Eine Infektionskrankheit ist in der Regel kein Grund, in Notfällen nicht die erforderliche zahnärztliche Hilfe zu leisten – das aber auch vor allem deswegen, wenn und weil die Infektionsgefahr in der Regel durch strikte Einhaltung der gewöhnlich geforderten Hygieneanforderungen und Schutzmaßnahmen beherrschbar ist."

Behandlungspflicht von erkrankten Notfall-Patienten obliegt der Prüfung im Einzelfall

Was aber, wenn die Hygieneanforderungen und Schutzmaßnahmen nicht eingehalten werden können, wenn die erforderlichen Arbeitsschutzmittel nicht zur Verfügung stehen? Wird ein Patient ohne Schutzausrüstung behandelt, der an COVID 19 erkrankt ist, setze sich der Zahnarzt einem Ansteckungsrisiko aus, das insbesondere durch die erforderliche Behandlung beeinflusst wird.

Die Frage, ob eine Behandlungspflicht von an COVID 19 erkrankten Notfall-Patienten besteht, müsse daher mithin am konkreten Einzelfall unter Abwägung der Ansteckungsrisiken auf der einen Seite und dem Grad des Notfalls (strengste Indikationsstellung)  auf der anderen Seite beantwortet werden.

Bei lebensbedrohlichen Situationen für den Patienten beziehungsweise sind entsprechend ausgerüstete Praxen oder Kliniken nicht in zumutbarer Zeit erreichbar, könne ein Zahnarzt verpflichtet sein, Ansteckungsrisiken einzugehen, hebt die BZÄK hervor. "Bei weniger schwerwiegenden Notfällen und Verfügbarkeit alternativer Behandler kann sich das Ansteckungsrisiko durch COVID 19 als unzumutbar darstellen. In jedem Fall hat sich der Zahnarzt in solchen Fällen um die weitere Behandlung des Patienten zu kümmern."

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