Gröhe beerdigt Kopfpauschale

ck/dpa
Von CDU und FDP gepriesen, von SPD und Grünen bekämpft: Jetzt sind die Pauschalen für die Krankenkassen passé. Was bringt die Gesundheitsreform stattdessen?

Vor gut zehn Jahren, auf dem Leipziger Parteitag Ende 2003, warb CDU-Chefin Angela Merkel eindringlich für ein Prämienmodell in der Krankenversicherung - mit Einheitspauschalen von 200 Euro und einem Sozialausgleich. "Wir brauchen einen richtigen Befreiungsschlag", sagte Merkel damals. Nun beerdigt Gröhe die Idee von pauschalen Beiträgen offiziell. 

Sozialausgleich wird ebenfalls gekippt

Zerknirschung ist deswegen keine zu spüren, Triumph angesichts der anstehenden Reform aber auch nicht, als der ehemalige CDU-Generalsekretär im Foyer seines Ministeriums die schwarz-roten Pläne erläutert. Eine Stunde zuvor gab das Kabinett im Kanzleramt routinemäßig seine Zustimmung. Die Pauschalen, mit denen Kassen in Not bisher mehr Geld von ihren Mitgliedern in festen Euro-Beträgen nehmen können, sollen gestrichen werden. Auch ein vorgesehener Sozialausgleich aus Steuermitteln wird gekippt. 

Der Zusatzbeitrag kommt

Dafür soll künftig mittels prozentualer Zusatzbeiträge der Beitragssatz für die Kassenmitglieder schlicht und einfach ansteigen, wenn ihre Versicherung mehr Geld braucht. Bei den Arbeitgebern soll es bei einem Anteil von 7,3 Prozent vom Einkommen bleiben, der Hälfte des künftigen Beitragssatz von 14,6 Prozent. 

Zukunftsfest werde die gesetzliche Krankenversicherung, verspricht Gröhe. Die Gesundheitskosten steigen mit immer mehr alten Menschen und medizinischem Fortschritt unvermeidlich an. Aber, so Gröhe: "Wir sichern durch stabile Lohnnebenkosten langfristig Arbeitsplätze." 

Regierung vermeidet Gesundheitsstreit

Dieses Credo vom Leipziger CDU-Reformparteitag ist noch übrig - doch mittlerweile hat die Union zum seither zweiten Mal die SPD als Partner. Und für sie war das Ende der Kopfpauschale eine historische Errungenschaft in den Koalitionsverhandlungen - wegen des fixierten Arbeitgeberbeitrags grummelt es bei den Sozialdemokraten zwar vernehmlich, aber man will sich erstmal damit arrangieren. 100 Tage nach Amtsantritt vermeidet die Regierung jeden Gesundheitsstreit. 

Was haben nun die Versicherten von dem Kompromiss zu halten? Zunächst wird 2015 ein Sonderbeitrag der Kassenmitglieder von 0,9 Prozent gestrichen - spannend ist, welche Kasse einen Zusatzbeitrag in genau dieser Höhe nimmt und dann unterm Strich wie heute auf 15,5 Prozent kommt - welche weniger und welche mehr Geld verlangt. Gröhe wiederholt: 20 Millionen Menschen seien bei Kassen versichert, die mit weniger als 0,9 Prozent Zusatzbeitrag auskommen. Manche bräuchten genauso viel wie heute, einige andere mehr. 

Kommen Beitragssenkungen für 20 Millionen Versicherte? Wohl kaum. In der Branche ist zwar bekannt, dass die Techniker Krankenkasse, die AOK Plus oder auch einige Betriebskrankenkassen ordentlich Rücklagen haben. Doch es dürfte kaum deren Hauptanliegen sein, der Konkurrenz nächstes Jahr durch einen günstigeren Beitrag Mitglieder abzuwerben. 

Ausgaben steigen stärker als Einnahmen

Dagegen spricht: Die Ausgaben der Kassen steigen absehbar deutlich stärker als die Einnahmen - die Lücke dürfte nach offiziellen Schätzungen 2017 schon zehn Milliarden Euro betragen. Deshalb gehen absehbar bei allen Kassen die Zusatzbeiträge nach oben. Selbst gut dastehende Kassen könnten ihren Beitrag lieber länger stabil halten - als kurzfristig zu senken und dann später mehr zu brauchen. 

Große Kassen wie die Barmer GEK oder die DAK-Gesundheit werden wohl ohnehin keineswegs weniger als heute verlangen können. Auch die AOKen sind insgesamt eher auf Durchschnittsniveau. Dazu kommt, dass die Regierung den Finanzausgleich zwischen den Kassen verstärken und die Unterschiede verkleinern will. 

Am Ende Mehrbelastungen für Versicherte

Niemand bestreitet, dass bis zum Ende der Wahlperiode der Zusatzbeitrag im Schnitt auf deutlich spürbare Höhen steigen wird - Gesundheitsökonom Jürgen Wasem taxiert ihn 2017 auf 1,3 bis 1,5, das Bundesversicherungsamt auf 1,6 bis 1,7 Prozent, die Grünen-Politikerin Maria Klein-Schmeink gar auf bis zu 2 Prozent. 

Für einen Elektroinstallateur mit 3.191 Euro brutto im Monat würden etwa diese 2 Prozent dann eine Mehrbelastung von 35,10 Euro bringen. Friseure mit 1.523 Euro brutto müssten dann 30,46 Euro Zusatzbeitrag zahlen - abzüglich des heute noch fälligen 0,9-prozentigen Sonderbeitrags wären es immer noch 16,75 Euro mehr.

von Basil Wegener, dpa

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