MDK-Behandlungsfehlerstatistik

Jeder vierte Verdacht wurde bestätigt

pr/pm
Insgesamt 13.519 Gutachten zu vermuteten Behandlungsfehlern haben die Medizinischen Dienste der Krankenversicherung (MDK) 2017 bundesweit erstellt. Davon wurde jeder vierte Verdacht bestätigt.

In jedem fünften Fall stellten sie fest, dass die Schädigung des Patienten durch den Fehler verursacht wurde. Ihre Forderung: Fehler sollen verpflichtend erfasst und systematisch vermieden werden.

Die MDK stellten ihren Report für 2017 heute in Berlin der Presse vor. Die Ergebnisse: Bestätigt wurden 3.337 Fehler, bei denen Patienten zu Schaden gekommen waren. Zwei Drittel der Vorwürfe betrafen Behandlungen im Krankenhaus. Ein Drittel der Vorwürfe bezog sich auf Behandlungen durch einen niedergelassenen Arzt.

KZBV betont: Patientensicht hat Priorität

KZBV betont: Patientensicht hat Priorität

  •  Zu den wichtigsten Instrumenten der Qualitätsförderung zählt das bundesweite Netz von Beratungsstellen bei KZVen und Kammern, die kostenlos und fachlich kompetent Auskunft geben zu Behandlungsmethoden, Therapiealternativen, Kostenübernahme, Zweitmeinungsverfahren und Risiken bei bestimmten Eingriffen.

  • Das Berichts- und Lernsystem „CIRS dent - Jeder Zahn zählt!“ trägt aktiv zur Patientensicherheit bei. Zahnärzte können dabei von unerwünschten Ereignissen im Praxisalltag online berichten und sich austauschen.

  • Auch das einvernehmliche Gutachterverfahren für die vertragszahnärztliche Versorgung dient direkt den Patienten. Als bewährte Form der Überprüfung und Sicherung der Behandlungsqualität ist es bei Patienten, Zahnärzten und Kostenträgern anerkannt.

  • Die Vertragszahnärzteschaft beteiligt sich aktiv an der Entwicklung von Leitlinien und sichert damit eine Behandlung, die sich am wissenschaftlichen Erkenntnisstand ausrichtet. Zahnärzte bilden sich über den gesetzlichen Rahmen hinaus fort und erweitern ihre Behandlungskonzepte. Das sichert Patienten die Teilhabe am zahnmedizinischen Fortschritt. Des Weiteren besteht eine Vielzahl verpflichtender Maßnahmen der Qualitätssicherung in Form von Gesetzen und Richtlinien.

  • Last but not least: Zahnärzte sind laut Arztsuche „Weisse Liste“ äußerst beliebt - ein Indikator für eine gute Behandlungsqualität. Vier von fünf Patienten würden ihren Zahnarzt weiterempfehlen. Die Gesamtzufriedenheit ist damit höher als bei Haus- und Fachärzten. Ähnliche Spitzenwerte erzielen Zahnärzte beim Patientenbarometer des Portals „Jameda“. Demnach sind sie die mit Abstand beliebteste Arztgruppe und landen auf der Bewertungsskala zuletzt mit klarem Vorsprung auf Platz 1.

Schaut man sich die Vorwürfe verteilt auf die medizinischen Fachgebiete an, ergibt sich folgendes Bild: 31 Prozent (4.250 Fälle) aller Vorwürfe bezogen sich auf Orthopädie und Unfallchirurgie, 13 Prozent (1.746 Fälle) auf Innere Medizin und Allgemeinmedizin, 9 Prozent (1.203 Fälle) auf Allgemeinchirurgie, 8 Prozent (1.150 Fälle) auf Zahnmedizin, ebenfalls 8 Prozent (1.041 Fälle) auf Frauenheilkunde und 5 Prozent (663 Fälle) auf die Pflege. Am häufigsten bestätigten die MDK-Fachärzte laut Report Fehlervorwürfe in der Pflege (49,8 Prozent), gefolgt von der Zahnmedizin (35,2 Prozent) und an dritter Stelle Frauenheilkunde (27 Prozent).

8 Prozent (1.150 Fälle) Fälle aus der Zahnmedizin

Dr. Stefan Gronemeyer, Leitender Arzt und stellvertretender Geschäftsführer des Medizinischen Dienstes des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen (MDS), kommentiert die Zahlen so: „Wie viele Behandlungsfehler sich in Deutschland ereignen und wie viele Patienten dabei zu Schaden kommen, wissen wir nicht. Schätzungen gehen von deutlich mehr als 100.000 Fällen pro Jahr aus. Die Dunkelziffer ist also hoch.“

Meldepflicht zu Arbeitsunfällen soll als Vorbild dienen

Meldepflicht zu Arbeitsunfällen soll als Vorbild dienen

Von der Möglichkeit, Sachverständigengutachten der MDK in Anspruch zu nehmen, hatten im letzten Jahr nach Angaben Gronemeyers weit über 10.000 Versicherte Gebrauch gemacht. 2017 hat der MDK insgesamt 13.519 Gutachten für Patienten erstellt, die den Verdacht auf einen Behandlungsfehler hatten. Die Anzahl der Gutachten ist erstmals seit vier Jahren niedriger als im Vorjahr, sage Gronemeyer. Gleich geblieben ist hingegen der Anteil der festgestellten Fehler. Bei jedem vierten Fall (24,7 Prozent) konnte der Verdacht auf einen Behandlungsfehler bestätigt werden. Bei jedem fünften Fall (19,9 Prozent) konnte auch die für mögliche Schadensersatzansprüche so wichtige Kausalität festgestellt werden. Das bedeute, dass nachgewiesen wurde, dass der Fehler Ursache für den eingetretenen Schaden war. Eines ist für Gronemeyer jedoch klar: „Die vom MDK im vergangenen Jahr festgestellten 3.337 Fehler, bei denen Patientinnen und Patienten zu Schaden gekommen sind, sind 3.337 Fehler zu viel.“

Auch Never Events gibt es immer wieder

Ernüchterung zeigte er angesichts der nunmehr seit sieben Jahren durchgeführten Berichterstattung: „Wir sehen immer wieder die gleichen Fehler! Auch Fehler, die eigentlich nie passieren dürften, sogenannte „Never Events“ gibt es immer wieder. Das sind Fehler, die besonders folgenschwer sind und eigentlich sehr gut zu vermeiden wären. Jedes Jahr kommt es wieder vor, dass im Körper des Patienten Operationsgegenstände zurückgelassen werden. Es gibt Verwechslungen von Patienten, Körperteilen oder auch Medikamenten. Es gibt vermeidbare schwere Druckgeschwüre und viele andere Schadensereignisse, die eigentlich zu verhindern wären.“

Was laut Gronemeyer hierzulande fehlt, ist eine konsequente Strategie zur Fehlervermeidung. Voraussetzung dafür wäre für ihn mehr Transparenz über Art und Umfang fehlerbedingter Schadensereignisse, damit man deren Vermeidung systematisch angehen kann. Er forderte deshalb eine Meldepflicht für fehlerbedingte Schadensereignisse – ähnlich wie etwa in den Niederlanden, den USA oder in England. Gronemeyer: „Eine nationale Never Event-Liste und eine Meldepflicht für diese kritischen Ereignisse wären wichtige Schritte.“

Prof. Dr. Astrid Zobel, leitende Ärztin des MDK Bayern, stellte den Report im Detail vor. „Viele Vorwürfe beziehen sich auf chirurgische Eingriffe, weil Patienten diese oft leichter an den Folgen erkennen können als zum Beispiel Medikationsfehler“, sagte sie. Zobel erklärte weiter, dass in Fachgebieten, in denen häufig Behandlungsfehler vorgeworfen werden, jedoch nicht die meisten Fehler bestätigt werden. Eine Häufung von Vorwürfen in einem Bereich sage nichts über die Fehlerquote oder die Sicherheit in dem jeweiligen Gebiet aus. Häufungen sagten viel mehr etwas darüber aus, wie Patienten Behandlungen erleben. Ihr Fazit: „Für die Patientensicherheit ist es unentbehrlich, Fehler zu kommunizieren, zu analysieren und die Fehlerquellen zu erkennen.“

Die in Deutschland verfügbaren Daten zu Behandlungsfehlern seien nicht repräsentativ für das Fehlergeschehen und erlaubten daher kaum Rückschlüsse auf die Patientensicherheit, erläuterte PD Dr. Max Skorning, Leiter Patientensicherheit beim MDS. Daten von Krankenhäusern, Ärzten, Haftpflichtversicherungen und Gerichten würden nicht veröffentlicht. Skorning weiter: „Den Statistiken des MDK und der Ärztekammern liegen zwar einerseits echte Fälle zugrunde, andererseits eben nur von den Patientinnen und Patienten, die – mehr oder weniger zufällig – bei einer der beiden Institutionen begutachtet wurden. Solche Statistiken können nicht repräsentativ sein für das gesamte Fehlergeschehen bei allen medizinischen Behandlungen in Deutschland. Eine gewisse Repräsentativität kann hingegen für Hochrechnungen aus Studien angenommen werden, sofern diese nach wissenschaftlichen Standards erfolgten.“

Hintergrund MDS und MDK

Hintergrund MDS und MDK

Skorning schlussfolgerte, dass über den konkreten Fall hinaus der systemische Blick auf Fehler erfolgen sollte - mit dem Ziel eines Lernprozesses und resultierend in einer nachweislichen Fehlervermeidung: „Im besten Fall ist damit vor allem die Fehlervermeidung bei anderen gemeint, denen der Fehler bislang - noch - nicht unterlaufen ist. Im Gesundheitssystem sollte das „Lernen aus Fehlern“ deshalb vor allem verstanden werden als das „Lernen aus den Fehlern anderer“.

Auf Nachfrage der zm, welche Bedeutung ärztlichen und zahnärztlichen Berichts- und Meldesystemen zukommt, erklärte Skoning, dass diese – freiwillig zu nutzenden - Systeme eine gute Ergänzung zu einer verpflichtenden Meldesystematik darstellen. Sie sollten allerdings intensiver genutzt werden, empfahl er.

Melden Sie sich hier zum zm Online-Newsletter an

Die aktuellen Nachrichten direkt in Ihren Posteingang

zm Online-Newsletter


Sie interessieren sich für einen unserer anderen Newsletter?
Hier geht zu den Anmeldungen zm starter-Newsletter und zm Heft-Newsletter.