Spahn will selbst über neue Kassenleistungen entscheiden

KZBV: Die Kompetenzen des G-BA müssen erhalten bleiben!

ck/pm
Bundesgesundheitsminister Jens Spahn will den Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) übergehen und die Liposuktion per Rechtsverordnung zur Kassenleistung machen. Kritik kommt auch von der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung (KZBV).

Maßstäbe der Methodenbewertung sollten nicht grundsätzlich aufgeweicht werden, vielmehr sollte man die Kompetenz für die Bewertung neuer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden in den Händen des G-BA belassen, mahnt der KZBV-Vorsitzende  Dr. Wolfgang Eßer.

Spahn hatte vergangene Woche vorgeschlagen, das Bundesgesundheitsministerium (BMG) zu ermächtigen, durch Rechtsverordnung Untersuchungs- und Behandlungsmethoden in die Versorgung aufzunehmen - und zwar unabhängig davon, ob sich der G-BA bereits mit der betreffenden Methode befasst hat. Auslöser sind die Beratungen über die Liposuktion bei Lipödemen, deren Nutzen der G-BA als noch nicht belegt ansieht und daher eine Erprobungsstudie auf den Weg gebracht hat.

Konkret plant Spahn, mithilfe eines Ergänzungsantrags zum derzeit im Bundestag beratenen Terminservice- und Versorgungsgesetz (TVSG) sein Ministerium grundsätzlich zu ermächtigen, alleine und ohne Zustimmung des Bundesrats darüber zu entscheiden, welche Untersuchungs- und Behandlungsmethoden die Krankenkassen bezahlen müssen. Bisher entscheidet der G-BA darüber.

Eßer: "Es ist außerordentlich unglücklich, dass ausgehend von einem Einzelfall grundlegende Prinzipien der Selbstverwaltung und der evidenzbasierten Medizin aufgeweicht werden sollen!"

"Wir erachten es als außerordentlich unglücklich, dass ausgehend von einem Einzelfall grundlegende Prinzipien der Selbstverwaltung und der evidenzbasierten Medizin aufgeweicht werden sollen", sagte Eßer. Werden Kompetenzen zur Festlegung neuer Leistungen auf das BMG verlagert, ohne dass es Evidenzgrundlagen und das Wirtschaftlichkeitsgebot beachten muss, würden grundlegende Prinzipien des Leistungsrechts ausgehebelt und damit das Solidarprinzip in der gesetzlichen Krankenversicherung gefährdet.

Spahn zur Liposuktion in der FAZ

Der Vorstoß sei im Übrigen nicht geeignet, eine Debatte über Strukturen und Legitimation des G-BA zu führen. Eßer: "Kritik an langen Beratungsdauern und an Inhalten der Entscheidung des G-BA kann legitim sein. Jedoch sollte deshalb nicht gleich das gesamte System infrage gestellt werden." 

Auch die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) stellte sich gegen Spahns Vorgehen. KBV-Chef Dr. Andreas Gassen forderte, dass sich Patienten darauf verlassen können müssen, dass sie mit sicheren und

basierten Verfahren behandelt werden. „Es wäre ein schlechtes Signal,  wenn Leistungen mit nicht eindeutig nachgewiesenem Nutzen per Rechtsverordnung eingeführt würden. Dadurch wäre die Sicherheit der Patientenversorgung nicht mehr in jedem Fall gewährleistet“, wird Gassen im Deutschen Ärzteblatt zitiert.

Die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) begrüßte dagegen Spahns Initiative: In den vergangenen Jahren hätte die „dominante Kostenträgerseite in der Selbstverwaltung medizinisch sinnvolle Leistungen oftmals verhindert“.

Hecken: "Mit einer solchen Ermächtigung des BMG wäre der Weg in die Beliebigkeit und Staatsmedizin vorprogrammiert!"

„Mit einer solchen Ermächtigung des BMG wäre der Weg in die Beliebigkeit und Staatsmedizin vorprogrammiert", rügte dagegen der G-BA-Vorsitzende Prof. Josef Hecken. "Per Ministerverordnung könnten Behandlungsmethoden, deren Nutzen und Schaden völlig ungeklärt sind, nach Belieben und politischer Opportunität in die gesetzliche Krankenversicherung gelangen. Dies wäre ein vollständiger Systembruch."

Laut Hecken hätte das BMG hätte geltender Rechtslage schon längst die Möglichkeit gehabt, eine Behandlungsmethode – auch die Liposuktion beim Lipödem – zur Kassenleistung zu machen, wenn es der Auffassung gewesen wäre, dass sie trotz fehlender wissenschaftlicher Belege Patientinnen zur Verfügung stehen müsse. Die hieraus folgenden Risiken für die Gesundheit der Patientinnen und die hieran anknüpfenden Rechtsrisiken hätten allerdings von der Bundesregierung getragen werden müssen, wozu man offenkundig dann doch nicht bereit war. Es  sei deshalb nicht nachvollziehbar, dem G-BA hier Untätigkeit beziehungsweise Verzögerung vorzuwerfen.

Hecken: "Nun liegt ein völlig systemfremder, überzogener und unangemessener Vorschlag in Gestalt einer Verordnungsermächtigung auf dem Tisch, mit der ohne jede Evidenz für 70 Millionen GKV-Versicherte nach politischem Belieben oder Kalkül Untersuchungs- und Behandlungsmethoden in die Regelversorgung gelangen könnten."

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