Wenn die Studie erfolgreich ist, wird die App bis Mitte Mai in ganz Großbritannien eingeführt, sagte der britische Gesundheitsminister Matt Hancock laut BBC.
Hancock: Großbritannien folgt der Isle of Wight
Die Funktionsweise der britischen App ist den deutschen Plänen sehr ähnlich: Die Software zeichnet auf, wenn sich zwei Personen, die die App heruntergeladen haben, länger als 15 Minuten weniger als zwei Meter weit voneinander entfernt befinden. Wenn eine dieser Personen später berichtet, Symptome zu haben, werden alle anderen App-Nutzer, mit denen sie in den letzten Tagen in signifikanten Kontakt kamen, alarmiert und, falls für notwendig erachtet, aufgefordert, sich selbst zu isolieren.
Tracing- und Tracking-Apps in Deutschlands Nachbarländern
Die dänische Regierung hat mit dem IT-Dienstleister Netcompany digitale Lösungen entwickelt, mit denen die nationalen Sperrbeschränkungen gelockert werden sollen. Das dänische Technologieunternehmen und das National Board of Digitalization haben ein „COVIDmeter“ entwickelt, mit dem Benutzer Coronavirus-Symptome eingeben und überwachen können, heißt es in einem Medienbericht.
Das COVIDmeter soll demnach den dänischen Gesundheitsbehörden Informationen über die weitere Verbreitung und den Status des Coronavirus liefern, wenn die Einschränkungen gelockert werden. Die Plattform ist mit dem Statens Serum Institut (SSI) verbunden, der für Infektionskrankheiten zuständigen Abteilung des dänischen Gesundheitsministeriums.
Ein Fragebogen pro Woche
Die Bürger beantworten beim COVIDmeter freiwillig einen wöchentlichen Fragebogen über ihre Gesundheit, einschließlich der Frage, ob sie auf das Virus getestet wurden oder nach ihrem Wissen mit ihm in Kontakt gekommen sind. Die Anmeldung ist mit einem ähnlichen Schutz wie beim Online-Banking gesichert, und alle identifizierenden Informationen stehen der SSI nur in pseudo-anonymisierter Form zur Verfügung, um einen möglichen Missbrauch zu verhindern, heißt es in dem Bericht weiter.
Außerdem gibt es für das Tracing der Bürger die "Mobile Proximity App". Diese nutzt Bluetooth, um länger andauernden Kontakt mit anderen App-Benutzern innerhalb eines Radius von zwei Metern zu erkennen und Benutzer auf das Ausmaß ihres sozialen Kontakts aufmerksam zu machen. Die Gesundheitsbehörden hoffen, dass dies hilft, die Bewegung des Virus zu verfolgen, soziale Distanzierung zu überwachen und gutes Verhalten zu fördern. Die App wird aktuell landesweit eingeführt.
In den Niederlanden heißt die App "PrivateTracer". Wie der Hersteller mitteilt, gehöre "die Gewährleistung von Privatsphäre, Sicherheit und Ethik" zu den angewendeten Designprinzipien. Die App ist eine Initiative der gemeinnützigen, Open-Source-, Public-Private-Partnerschaft PrivateTracer.org. Der Quellcode und die Dokumentation sind öffentlich verfügbar.
Die Initiative gibt sich auf ihrer Website selbstkritisch: "Ist eine App ein wirksames Werkzeug im Kampf gegen COVID-19? Wir wissen es noch nicht. Das wollen wir mit dem PrivateTracer-Projekt herausfinden." Ziel sei, durch das Erstellen und Testen zu klären, "ob eine App ein effektives Werkzeug sein kann und wird, um das Virus zu reduzieren und unsere Gesellschaft weiter zu öffnen." Die Wirkungsweise ist Bluetooth-basiert, es wird jedoch das DP-3T-Protokoll verwendet und die Daten werden dezentral abgelegt.
Die französische App "StopCovid" hat eine Debatte über die Ethik der digitalen Überwachung ausgelöst. Und das, obwohl die Technik anstelle von GPS ausschließlich Bluetooth-Daten erfasst und verarbeitet. Präsident Emmanuel Macron hatte am 13. April noch einmal betont, die App sei "auf freiwilliger und anonymer Basis", die Daten würden nach der Krise vernichtet. Die Technik könne jedoch nur funktionieren, wenn die Franzosen ihr vertrauten.
Bis dahin ist es ein weiter Weg: Erst Ende April hatten einem Medienbericht zufolge eine Vielzahl französischer Kryptografie- und Sicherheitsforscher einen offenen Brief unterzeichnet, um auf die potenziellen Risiken einer Kontaktverfolgungs-App aufmerksam zu machen. Es sei wichtig, die gesundheitlichen Vorteile einer digitalen Lösung mit Spezialisten gründlich zu analysieren, heißt es demnach in dem Schreiben. Und es sollte "wichtige Beweise geben, um die eingegangenen Risiken zu rechtfertigen".
Die Schweizer verfügen bereits über die nötige Technik, die auf einer dezentralen Speicherung aufbaut und auch schon in der Schweizer Armee getestet wurde. Doch bei den National- und Ständeräten gibt es zahlreiche Skeptiker, laut einer Umfrage will nur eine knappe Mehrheit der Parlamentarier die Tracing-App bei sich selbst installieren. Das Parlament hat daraufhin am 5. Mai beschlossen, dass erst eine gesetzliche Grundlage geschaffen werden müsse. Die Regierung hatte die App eigentlich so schnell wie möglich geplant - jetzt soll sie vorerst nur weiter getestet werden.
Österreich gehörte mit der seit Mitte März verfügbaren und mittlerweile mehr als 400.000 Mal installierten App zu den ersten Ländern in Europa, die eine Mobilanwendung zur Nachverfolgung von Corona-Infektionsketten einsetzen, berichtet Heise online. Die "Stopp-Corona-App" soll nach einiger Kritik von Datenschützern zum Vorzeigemodell für Europa werden. Dazu stellten die Macher ihren Quellcode den drei österreichischen Bürgerrechts- und Forschungsorganisationen Epicenter.works, Noyb und SBA Research zur Verfügung.
Diese haben der App nach einer technischen und rechtlichen Analyse demnach ein "gutes Ausgangsniveau" bescheinigt. Die Prüfer hielten jedoch ein "Offline-Tracking von Geräten" etwa via Bluetooth für möglich. "Es ist für Angreifer möglich, Smartphones über längere Zeiträume an bestimmten Orten wiederzuerkennen und im Extremfall Bewegungsprofile zu erstellen", sagte Christian Kudera, IT-Sicherheitsforscher bei SBA Research dem Onlineportal.
Eine weitere Kritik der Datenschützer: Weil beim Datenaustausch Systeme von Google und Server von Amazon zum Einsatz kommen, könnten grundsätzlich auch US-Behörden Zugriff auf die Daten haben. Bis spätestens Ende Mai sollen diese Probleme aber behoben sein, stellte der App-Hersteller in Aussicht.
In Tschechien wird die von einer Gruppe tschechischer IT-Experten unter dem Namen COVID19CZ entwickelte App gerade im Süden des Landes getestet. Nach vielversprechenden Ergebnissen sind die Behörden nun daran interessiert, das System im Rest des Landes umzusetzen, heißt es in einem Medienbericht. Die App erstellt eine Karte der Bewegungen von Infizierten.
Durch die Verfolgung der Daten von Mobiltelefonen und Kartenzahlungen, die Coronavirus-Patienten in den letzten fünf Tagen getätigt haben, können die Gesundheitsbehörden Personen identifizieren, die möglicherweise mit ihnen in Kontakt gekommen sind.
Die Behörden setzen sich dann mit diesen Personen in Verbindung und unterstellen sie einer dreitägigen Quarantäne, bis sie auf COVID-19 getestet werden. Laut dem tschechischen stellvertretenden Gesundheitsminister Roman Prymula, dem Hauptkoordinator des Projekts, nahmen 150 Personen an der Testphase des Systems teil. Er erklärte zudem, dass das tschechische Militär an dem Projekt beteiligt sein wird, "um die Logistik für die Testkits bereitzustellen und die Gesundheitsbehörden zu unterstützen".
Trotz der weitreichenden Eingriffe in die Privatsphäre der Bürger habe es in Bezug auf das Thema Datenschutz nur "eine sehr begrenzte öffentliche Debatte" gegeben, wird Michal Vit, Professor an der Metropolitan University in Prag, von ZDNet zitiert.
Die COVID19CZ-Gruppe erklärte dem Bericht zufolge, dass die gesammelten Daten maximal sechs Stunden im Archiv des Systems verbleiben und danach gelöscht werden. Das tschechische Gesundheitsministerium hat außerdem ein Datensicherheitssystem eingerichtet, das sicherstellt, dass der gesamte Prozess transparent ist.
Für die Behörden in Polen entwickelte die in England eingetragene Protego App Ltd. eine Bluetooth-basierte mobile App namens ProteGO: Diese warnt Benutzer, wenn sie mit jemandem in Kontakt gekommen sind, der positiv auf das Virus getestet wurde. Wird eine Person krank, kann sie ihren Status in der App anonym ändern. Die App benachrichtigt dann alle Benutzer, die in den letzten Wochen Kontakt mit der Person hatten, zeigt mögliche Risiken auf und berät über geeignete Schritte, teilt der Hersteller mit.
Die Daten werden einem Medienbericht zufolge verschlüsselt zwei Wochen lang im Telefon gespeichert, aber nach Angaben des polnischen Digitalministeriums nirgendwohin gesendet und nicht zum Sammeln von Daten über den Standort der Benutzer verwendet.
Hancock forderte alle rund 140.000 Bewohner der Isle of Wight auf, die App herunterzuladen und zu nutzen. Während des Prozesses würden die Regeln des social distancing weiter gelten, sagte er. "Mit der App schützen Sie Ihre eigene Gesundheit, Sie schützen die Gesundheit Ihrer Lieben und die Gesundheit Ihrer Gemeinschaft", sagte Hancock laut BBC. "Wohin die Isle of Wight geht, folgt Großbritannien." Die Insel sei für die Studie ausgewählt worden, weil sie eine geringere Anzahl von Neuinfektionen hat und weil der Verkehr von und zur Insel eingeschränkt ist.
Fachleute sind skeptisch
Fachleute wie Muttukrishnan Rajarajan, Professor für Sicherheitstechnologie und Direktor des Institute for Cyber Security an der City University of London, sind jedoch skeptisch, wie sicher die zentrale Speicherung ist. Wenn die Daten bei der zentralen Gesundheitsbehörde liegen, wo für jeden Nutzer täglich eine neue ID generiert wird, können sie dort auch angegriffen werden, so der Experte.
Google und Apple wollen nur eine App pro Land
Google und Apple haben erste Ergebnisse ihres gemeinsamen Konzepts zum Corona-Tracing präsentiert. Die Schnittstellen werden demnach für jeweils eine Anwendung pro Land verfügbar gemacht. Das soll dafür sorgen, dass mehr Nutzer sie installieren und einen Flickenteppich aus verschiedenen Apps in jedem Land verhindern, erklärten die Unternehmen.
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