Unsere Ermittlungen zu Nutzerbewertungen im Internet zeigen vor allem eines: Portale und Plattformen müssen für die von ihnen dargestellten Bewertungen deutlich mehr Verantwortung übernehmen", teilte der Präsident des Bundeskartellamts, Andreas Mundt, im Juni mit. Dazu gehörten vor allem eine zielgenaue Filterung der abgegebenen Bewertungen und die Zulassung gekennzeichneter und damit für den Verbraucher erkennbarer Produkttests.
"Viele Verbraucher vertrauen bei der Suche nach einem Produkt, einem Arzt oder einer Reise im Internet auf die Bewertungen anderer Nutzer", führte Mundt aus. "Wenn die angezeigten Bewertungen aber gar nicht von echten Nutzern stammen, inhaltlich beeinflusst oder durch die Portale verzerrend gefiltert werden, können Verbraucher getäuscht werden und eine falsche Entscheidung treffen."
Viele lesen, aber nur wenige schreiben Bewertungen
Das Bundeskartellamt hatte in seiner Sektoruntersuchung die Funktionsweisen von Bewertungssystemen untersucht, die Interessenlagen der verschiedenen Marktteilnehmer analysiert, eine Kategorisierung der in der Praxis relevanten Problembereiche vorgenommen sowie sachgerechte Lösungsansätze formuliert.
Die Untersuchung der Bewertungssysteme ergab große Unterschiede im Hinblick auf die Vorgehensweise der verschiedenen Portale bei der Erfassung, der Filterung und der Darstellung von Bewertungen. Nur einzelne Portale setzen spezifische Filter zur Identifizierung von gefälschten Bewertungen ein und sanktionieren diese auch systematisch. Die meisten nehmen hingegen nur eine automatische oder manuelle Vorab-Prüfung auf Schimpfworte, Werbung oder Datenschutzverstöße vor und beschränken sich auf die nachträgliche Überprüfung der als kritisch gemeldeten Bewertungen, urteilt das Bundeskartellamt.
Unseriöse Bewertungsvermittler stoßen in die Angebotslücke
Die Untersuchung zeigt laut Bundeskartellamt, dass zwar ein Großteil der Verbraucher Nutzerbewertungen lesen will, aber nur wenige selbst Bewertungen schreibt. Das das Interesse der Portale an Nutzerbewertungen sehr hoch ist, kommt es so zu einer „Angebotslücke“ bei den Bewertungen. "In dieser Lücke bewegt sich das Geschäftsfeld der Bewertungsvermittler, deren seriöse Vertreter allerdings zunehmend von unseriösen '5-Sterne-Garantie'-Angeboten in den sozialen Netzwerken verdrängt werden", berichtet die Behörde.
Mundt: Das Problem von Fake-Bewertungen wird oft mit Bewertungen, die von Computerprogrammen oder von Dienstleistern erstellt wurden, gleichgesetzt. Diese Pauschalisierung wird dem tatsächlichen Spannungsfeld der Interessenlagen und den unterschiedlichen Geschäftsmodellen der Portale nicht gerecht. Beispielsweise können seriöse Bewertungsvermittler durchaus einen Beitrag für die Erstellung von Bewertungen leisten. Es muss vielmehr darum gehen, für den Verbraucher Transparenz zu schaffen, ob Bewertungsvermittler eingeschaltet waren, um damit die schwarzen Schafe von den seriösen Vermittlern zu trennen.
Das Bundeskartellamt kann nach Feststellung der identifizierten Probleme nur an die Portalbetreiber appellieren, da es in Deutschland keinen behördlichen Verbraucherschutz gibt. Es gibt folgende Empfehlungen:
- Für Bewertungen, bei denen das Produkt in Wahrheit gar nicht genutzt wurde, oder inhaltlich beeinflusste Bewertungen sollten die Portale in die Pflicht genommen werden, damit solche Bewertungen unterbleiben. Dafür müssen spezifische Vorab-Prüfungen und Filtertechnologien verwendet werden. Einzelne Portale führen solche Prüfungen bereits durch.
- Bewertungen werden zum Teil durch die kostenlose Überlassung eines Produkts für einen Test oder durch andere Anreize initiiert. Solche Bewertungen können in der Regel durchaus einen Nutzen für die Verbraucher haben, sie müssen aber insbesondere auf Handelsplattformen als solche gekennzeichnet sein, damit der Verbraucher die Bewertung richtig einordnen kann.
- Auf einigen Portalen führen die existierenden Bewertungssysteme zu einer verzerrten Darstellung des tatsächlichen Meinungsbildes. Dies kann dadurch geschehen, dass die Abgabe einer positiven Bewertung für den Nutzer technisch deutlich einfacher zu bewerkstelligen ist als eine negative Bewertung. Auch bei nachträglichen Überprüfungen von Bewertungen kann es zu Verzerrungen kommen, da mehr negative als positive Bewertungen aufgrund von entsprechenden Beschwerden überprüft und entfernt werden. Abhilfe könnten hier verbesserte Bedingungen für die Prüfung der Authentizität der Bewertungen schaffen.
Gut vier Wochen später änderte das Arztbewertungsportal jameda – nach eigenen Angaben völlig unabhängig von dem Bericht des Bundeskartellamts (siehe Kasten unten) – sein Prüfverfahren für Erfahrungsberichte von Patienten. Alle – auch kostenlos – registrierte Ärzte erhalten danach eine E-Mail über den Eingang und den Inhalt einer neuen Patientenerfahrung bevor diese auf ihrem Profil veröffentlicht wird, teilet jameda mit.
In einer 24-stündigen Frist könne der Arzt anschließend aus drei Möglichkeiten wählen, um auf den Patientenbeitrag zu reagieren: "Der Arzt kann den Beitrag direkt ohne Wartefrist veröffentlichen, diesen kommentieren oder er meldet ihn dem jameda Qualitätsmanagement zur weiteren Prüfung." Diese drei Reaktionsmöglichkeiten hätten Ärzten schon immer zur Verfügung gestanden – konnten bisher aber erst nach Veröffentlichung des Beitrags genutzt werden, betont jameda.
Wie bewertet jameda die Ergebnisse der Sektoruntersuchung des Bundeskartellamts?
Wir haben die Durchführung der Sektoruntersuchung durch das Bundeskartellamt begrüßt. (...) Auch die nun vorliegenden Ergebnisse sehen wir grundsätzlich positiv. Der Bericht fordert vor allem, dass Portale mehr tun sollten, um die Authentizität von Bewertungen sicherzustellen.
jameda ist mit seinen Verfahren seit langem Vorreiter in diesem Bereich – zum Beispiel aufgrund der nach unserem Kenntnisstand einmaligen SMS-Prüfung, aufgrund des sorgfältigen Prüfprozesses in Folge der Meldung eines Berichtes, aufgrund der regelmäßigen Befragungen der Verfasser von Patientenbeiträgen oder auch aufgrund unseres Vorgehens gegen gekaufte Bewertungen. Darüberhinausgehende Maßnahmen, die der Bericht des Kartellamtes vorschlägt, greifen wir zusätzlich gerne auf bzw. setzen wir ohnehin bereits um.
Hat jameda eine Stellungnahme zu dem Konsultationspapier abgegeben?
Ja, wir waren in die Untersuchung eingebunden und haben nun auch unsere Stellungnahme zum vorliegenden Bericht abgegeben. Nach unserer Überzeugung trägt die Untersuchung dazu bei, das komplexe Thema übersichtlicher zu machen, differenziert Probleme zu benennen und Lösungsansätze darzustellen – das begrüßen wir sehr und freuen uns, dass wir dabei mitwirken konnten.
Inwieweit ist die Änderung, dass registrierte Ärzte Bewertungen künftig 24 Stunden vor Veröffentlichung einsehen können, eine Reaktion von jameda auf vom Bundeskartellamt im Untersuchungsbericht angemahnten Missstände?
Zunächst möchten wir ausdrücklich herausstellen: Im gesamten Bericht findet sich kein Hinweis auf Missstände bei jameda. (...) Das Angebot Ärzte, Zahnärzte und Therapeuten vor dessen Veröffentlichung über den Eingang eines Patientenbeitrags zu informieren, hat mit dieser Untersuchung nichts zu tun. Mit diesem Angebot setzen wir einen Wunsch um, der im Dialog mit Ärzten und Zahnärzten an uns herangetragen wurde.
Gilt diese Änderung auch für Ärzte, die keines der kostenpflichtigen Produktpakete der jameda GmbH gebucht haben?
Ja, dieses Angebot gilt auch für Ärzte, die kein kostenpflichtiges Premium-Paket nutzen. Zahnärzte müssen sich lediglich kostenlos registrieren, damit wir sie per E-Mail anschreiben können.
Die Fragen stellte Marius Gießmann.
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