"Das hat mit freier Therapiewahl nichts zu tun!"

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Praxis
Die Groupon GmbH darf laut Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) nicht mehr für zahnärztliche Leistungen werben. Dr. Ralf Hausweiler, Vizepräsident der erfolgreich klagenden Zahnärztekammer Nordrhein, erklärt, warum dieses Urteil für Zahnärzte und Patienten so wichtig ist.

WarumistdieKammerjuristischgegendieGroupon-GmbHvorgegangen?

Dr. Ralf Hausweiler:Die Groupon GmbH hatte auf ihrem Schnäppchenportal im Internet nicht nur Wellness-Reisen, Friseurbesuche und Autowäschen, sondern auch zahnärztliche Leistungen wie Zahnreinigungen, Bleaching-Leistungen, kieferorthopädische Zahnkorrekturen, Implantatversorgungen, prothetische Versorgungen und Zahnfüllungen beworben.

Diese Leistungen wurden in unzulässiger Weise mit Rabatten von bis zu 90 Prozent und zu Festpreisen im Rahmen von sogenannten „Deals“ für eine begrenzte Laufzeit zum Kauf angeboten. Auf der Grundlage von eigenständigen Kooperationsverträgen wurden die Zahnbehandlungen sodann durch Zahnärzte erbracht, die wiederum 50 Prozent des rabattierten Preises als Erfolgsprämie im Falle der Behandlung des Patienten an die Groupon GmbH leisteten.

Im Rahmen der Berufsaufsicht war die Zahnärztekammer Nordrhein gehalten, rechtliche Schritte gegen die an den berufsrechtlich und wettbewerbsrechtlich unzulässigen Angeboten teilnehmenden Zahnärzte aus Nordrhein einzuleiten, um derartige Werbung zu unterbinden. Dennoch gelang es den Vertretern der Groupon GmbH immer wieder, weitere Zahnärzte für ihr Geschäftsmodell zu gewinnen.

Zum Schutze der Patienten und des Berufsstandes sollte daher eine endgültige Klärung herbeigeführt werden, die nur durch eine Klage gegen die Groupon GmbH als Betreiberin des Internetportals möglich war.

WelcheFolgenhatdiesesUrteilfürdiedentaleLandschaft?

Die Groupon GmbH ist nunmehr rechtskräftig dazu verurteilt, die beanstandeten Werbungen für zahnärztliche Leistungen zu unterlassen. Dieses Verbot gilt nicht nur für Werbungen aus Nordrhein, sondern bundesweit.

Das Ziel der Zahnärztekammer Nordrhein, eine endgültige Klärung bezüglich der berufsrechtswidrigen Angebote herbeizuführen, konnte daher erfreulicherweise erreicht werden. Noch offen ist die Frage, ob diese Art der Kooperation zugleich auch eine unzulässige Zuweisung von Patienten gegen Entgelt darstellt; hierzu wird der BGH im noch anhängigen Revisionsverfahren entscheiden.

Abzuwarten bleibt, ob durch eine andere Gestaltung der Werbung versucht werden wird, der rechtskräftigen Unterlassungsverpflichtung zu entgehen. In diesem Falle wären weitere Gerichtsverfahren einzuleiten.

Warumwaressowichtig,hiereineklarePositionzuerwirken?

Auf Schnäppchenportalen wie groupon.de kann ein Patient ärztliche und zahnärztliche Leistungen zu stark rabattierten Tagespreisen und damit zu qualitätsgefährdenden Dumpingpreisen erwerben. Das Spektrum reicht dabei von Implantatbehandlungen über Brustvergrößerungen bis hin zu Bleaching und PZR.

Unabhängig davon, dass beispielsweise tausend so erworbene PZR-Behandlungen für jeweils etwa 19 Euro (abzüglich des Anteils von etwa 50 Prozent für die vermittelnde Firma) betriebswirtschaftlich für die Praxis nicht darstellbar sind, hat das Vorgehen an sich mit medizinischer Berufsausübung nicht mehr viel gemein: Der Patient erwirbt zum Beispiel eine Implantatbehandlung, ohne den Arzt zu kennen und ohne, dass der Arzt den Patienten kennt. Befundung und Diagnose sowie Aufklärung des Patienten sind offensichtlich völlig unerheblich, Indikationsstellung geschweige denn Kenntnis von Kontraindikationen uninteressant.

Es geht hier also eindeutig nicht um individuelle Hilfe, nachdem ein patientenbezogener Befund aufgenommen wurde, der für jede ärztliche Leistung unabdingbare Grundbedingung ist. Anscheinend reichen die medizinischen Kenntnisse von Patient und Internetfirma dazu aus. Die ärztliche Kompetenz bei Befundung und Diagnose ist bei einem Gutscheinportal wie groupon.de nebensächlich.

Der Arzt wiederum ist verpflichtet, dem Patienten gegenüber die erkaufte Leistung dem Gutschein gemäß auch zu erbringen. Dabei stellt sich zum Beispiel bei einem Rabattgutschein für vier Implantate zu einem Festpreis die Frage: Was geschieht, wenn der Patient kein Implantat benötigt? Was passiert, wenn nicht vier, sondern nur zwei oder drei Implantate indiziert sind? Was, wenn nur mit größerer Augmentation anschließend implantiert werden könnte? Und was, wenn aufgrund allgemeinmedizinischer Vorerkrankung eine Kontraindikation vorliegt? Das hat mit freier Therapiewahl des Arztes nichts mehr zu tun.

Ein Zahnarzt ist verpflichtet, medizinische Entscheidungen zum Wohl des Patienten zu treffen. Damit ist nicht vereinbar, dass Patienten durch hohe Rabatte zur Inanspruchnahme bestimmter Leistungen verleitet werden.

Es ist auch eine Frage des Selbstverständnisses des Arztes, wenn Therapieverfahren zwischen Patient und Internetanbieter ausgehandelt werden, ohne dass medizinische Befundung und Diagnostik an den Anfang einer ärztlichen Therapie gestellt werden. Ein solches Selbstverständnis entspricht nicht dem zahnärztlichen Berufsstand und wird daher von uns entschieden abgelehnt.

Die Zahnärztekammer Nordrhein hat in dritter Instanz erfolgreich Unterlassungsansprüche gegen die Groupon GmbH wegen der Werbung für zahnärztliche Leistungen geltend gemacht. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat mit Beschluss vom 17. November 2014, Az. I ZR 183/13, die Beschwerde der Groupon GmbH gegen die Nichtzulassung der Revision gegen das Urteil des KG Berlin vom 9. August .2013, Az. 5 U 88/12, insoweit zurückgewiesen, als die Groupon GmbH erstinstanzlich zur Unterlassung der Werbung für zahnärztliche Leistungen in der beanstandeten Art und Weise verurteilt worden war. Diese Verurteilung ist somit in Rechtskraft erwachsen. Die Zahnärztekammer Nordrhein begrüßt diese Entscheidung ausdrücklich.

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