Probiotika während der UPT

Parodontitis: Lutschtabletten helfen (ein bisschen)

Kerstin Albrecht
Zahnmedizin
Nach einer Parodontitisbehandlung kehren pathogene Keime meist sehr schnell in die Zahnfleischtaschen zurück. Können Probiotika wie Laktobazillus reuteri diesen Prozess bremsen? Italienische Forscher testeten entsprechende Lutschtabletten.

Die Idee ist faszinierend: Wenn sich Parodontitis infolge von Plaqueansammlung und einer ins Dysbiotische „entgleisten“ Mundflora entwickelt, sollte der Prozess durch eine gezielte Gabe geeigneter harmloser Bakterien (Probiotika), die die pathogenen Keime aus dem Biofilm der Zahnfleischtasche verdrängen, zu stoppen sein - ein Reset der Mundflora zum ursprünglich gesunden, symbiotischen Zustand.

In der Praxis hat sich das jedoch als schwierig erwiesen: Die vorhandene Mundflora zeigt ein hohes Beharrungsvermögen. Probiotika können jedoch durchaus messbare Effekte bewirken, wie jüngst auch eine italienische Studie mit Laktobazillus reuteri zeigt.

Wissenschaftler der parodontologischen Fakultät der Universität Brescia in Italien testeten in einer doppelblinden, Placebo-kontrollierten, klinischen Studie die Wirksamkeit von Laktobazillus reuteri während der unterstützenden Parodontaltherapie (UPT). L. reuteri hat antibakterielle und entzündungshemmende Eigenschaften. Es kommt häufig im Speichel, in seltenen Fällen auch in subgingivaler Sulkusflüssigkeit vor.

Methode

Für die Studie teilten die Forscher 20 Patienten mit Parodontitis im Stadium III und IV, Grad C (8 Männer und 12 Frauen im Alter zwischen 31 bis 70 Jahren), zufällig auf zwei Gruppen auf. Alle Patienten hatten bereits eine konservative Parodontitisbehandlung hinter sich und befanden sich in der Phase der UPT. Eine Antibiotika-Einnahme galt als Ausschlusskriterium von der Studie.

Die Testgruppe erhielt zweimal täglich eine L. reuteri-haltige Lutschtablette, die die Probanden jeweils nach dem Zähneputzen lutschten, insgesamt über drei Monate. Danach folgte eine dreimonatige „Auswaschphase“ ohne L. reuteri-Lutschtabletten. Anschließend wurde das gleiche Procedere weitere sechs Monate wiederholt.

Die Kontrollgruppe bekam zweimal täglich eine Placebo-Lutschtablette über einen Zeitraum von zwei Wochen. Follow up-Kontrollen erfolgten nach drei, sechs, neun und zwölf Monaten. Die Forscher untersuchten bei den Kontrolluntersuchungen die Sondierungstiefen, interdentale Attachmentverluste und den BOP. Nach drei und nach neun Monaten, also nach der ersten und zweiten Einnahme der probiotischen Lutschtablette, füllten die Probanden Fragebögen zur Therapiezufriedenheit und zur individuellen Mundgesundheit aus.

Ergebnisse

Die mittleren Sondierungstiefen verbesserten sich bei beiden Gruppen zu jedem Kontrollzeitpunkt signifikant, genauso wie der BOP. Nach sechs, neun und zwölf Monaten verringerte sich die Anzahl der Stellen mit mittlerem Attachmentverlust von über vier Millimetern in der L. reuteri-Gruppe signifikant im Vergleich zum Anfangswert. Gleiches galt jedoch auch für die Placebo-Gruppe zu den Messzeitpunkten nach neun und zwölf Monaten. Zwischen Probiotika- und Placebogruppe gab es bezogen auf den Prozentwert an Stellen mit Attachmentverlust von über vier Millimetern keinen signifikanten Unterschied.

Das mittlere interdentale Attachmentlevel verbesserte sich in der Studien- und der Kontrollgruppe. Eine signifikante Verbesserung der L. reuteri-Gruppe gegenüber der Placebo-Gruppe ergab sich nur für den Messzeitpunkt nach sechs Monaten. Der BOP war nach sechs und neun Monaten in der L. reuteri-Gruppe signifikant besser als in der Placebo-Gruppe.

Über den Fragebogen bescheinigten die Patienten hohe Zufriedenheitswerte. 85 Prozent gaben nach neun Monaten an, dass die probiotischen Lutschtabletten ihre Mundgesundheit verbessert hätten, 80 Prozent gaben dies bereits nach drei Monaten an.

Ergebnisse von Studien mit unterschiedlichen Einnahmeprotokollen der Lutschtabletten lassen sich schlecht vergleichen. Auch im Rahmen dieser Studie blieb unklar, mit welcher Dosierung und Häufigkeit der Einnahme die besten klinischen Ergebnisse hätten erzielt werden können. Nach Tekce et al. [2015] war nach einer dreiwöchigen Einnahme von L. reuteri der Laktobazillus nach 180 Tagen noch vorhanden, nach sechs Monaten allerdings nicht mehr nachweisbar. Dennoch war der Anteil an obligaten Anaerobiern bis zu 180 Tage signifikant niedriger in der Probiotika-Gruppe.

Fazit

Die mittleren Sondierungstiefen und teilweise auch der Attachmentgewinn und der BOP konnte bei Patienten mit Parodontitis im Stadium III und IV, Grad C, mit der zusätzlichen Einnahme von L. reuteri-haltigen Lutschtabletten signifikant verbessert werden. Probiotika könnten daher eine sinnvolle Ergänzung während der unterstützenden Parodontaltherapie sein. Doch es sind noch mehr Studien mit größeren Patientenkohorten und längerer Nachbeobachtungszeit nötig, um die hier beobachteten Effekte zu validieren und ein ideales Einnahmeprotokoll zu finden.

Quelle: Maria Gabriella Grusovin, Simone Bossini, Stefano Calza, Veronica Cappa, Gianluca Garzetti, Eleonara Scotti, Enrico Felice Gherlone, Magda Mensi: “Clinical Efficacy of Lactobacillus Reuteri-Containing Lozenges in the Supportive Therapy of Generalized Periodontitis Stage III and IV, Grade C: 1-year Results of a Double-Blind Randomized Placebo-Controlled Pilot Study.“ Clin Oral Investig. 2020 Jun; 24(6): 2015-2024. doi: 10.1007/s00784-019-03065-x.

Literatur: Tekce M, Ince G, Gursoy H, Dirikan Ipci S, Cakar G, Kadir T, Yilmaz S (2015) Clinical and microbiological effects of probiotic lozenges in the treatment of chronic periodontitis: a 1-year follow-up study. J Clin Periodontol 2015. doi.org/10.1111/jcpe.12387

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