Editorial

E-Health: Endlich mehr als nur Gefühle …

Was haben fast alle offiziellen Medizininformatikprojekte im Gesundheitswesen, die unter Begrifflichkeiten wie E-Health, digitale Gesundheit, Telematik etc. segeln, gemeinsam? Sie versprechen viel, dauern immer länger als geplant, kosten deutlich mehr als veranschlagt und erreichen … bis dato gefühlt wenig bis nichts.

Woran könnte es liegen? Wenn ich die E-Health-Situation in Deutschland der letzten beiden Jahrzehnte aus der Helikopterperspektive betrachte, fällt mir immer der Spruch aus einer Bierwerbung ein, als einer der im Spot kickenden Ex-Fußballer die Reporter-Legende Waldemar Hartmann im schönsten Bayrisch fragte: „Spielst Du auch oder redest Du nur?“ Und die Antwort von Waldi (mit Bierglas in der Hand) lautete: „Nein, ich red’ nur drüber.“ Unsereins mag dem Reporter noch Ahnung vom Fußball zugestehen – der ehemalige Bundestrainer Rudi Völler äußerte in seiner berühmtem Wutrede ( https://www.youtube.com/watch?v=V0xIECkaMVA ) eine ganz andere Meinung. Immerhin – er bezog Stellung.

Ob eine ähnliche Wutrede auch im Bundesgesundheitsministerium stattfand – wer weiß. Aber vor etwas mehr als anderthalb Jahren geschah dort Bahnbrechendes: der Bundesweite Medikationsplan (BMP) als zentraler Teil der Arzneimitteltherapiesicherheit (AMTS) wurde geboren. Nach Jahren inhaltlicher und technischer Diskussionen um Standards (HL7 etc.) und mögliche Applikationen ist es die erste „echte“, für den Patienten sicht- und nutzbare eGK-Anwendung, die nun in Betrieb geht. Bekommt ein Patient mehr als drei Medikamente – und das sind überschlägig fast zehn Millionen GKV- Versicherte – muss der BMP von Ärzten und Apothekern verpflichtend erstellt und laufend aktualisiert werden. Auch wenn es derzeit keine diesbezüglichen Verpflichtungen für Zahnärzte gibt, die Patienten werden auf jeden Fall Medikationspläne mitbringen.

Diese simpel wirkende Anwendung ist weit mehr als nur ein Stück bedrucktes Papier: Es ist der erste Schritt hinaus aus einem schier endlosen Geschwafel und Streit der in den unterschiedlichsten Lagern des bundesdeutschen Gesundheitswesens verorteten Experten, um die jeweils beste, will heißen eigene Lösung und damit eine De-facto-Standardisierung. Quasi ein Entwicklungs-Nucleus. Deshalb: Hut ab vor der Entscheidung des Bundesgesundheitsministeriums, nicht nur darüber zu reden, sondern den Medikationsplan nach vorne zu ziehen, die wesentlichen Parameter im Hause (!) erarbeiten zu lassen und das Ganze dann verbindlich vorzugeben. Für die Patienten ist es der erste erlebbare Nutzen aus der digitalen „Medizin“Welt, für die Medizin-IT wird es der Zündfunke für weitere Applikationen sein.

Die Zauberworte für den BMP heißen Datenreduktion und Standardisierung. So hat der Papier-BMP nur ein einziges Ziel: Die Adhärenz (Compliance) des Patienten zu fördern. Der dazu notwendige Datenkranz umfasst folgende Angaben:

Was: Name des Arzneimittels, Angaben zu Wirkstoff und Wirkstärke;

Wie: Dosierung, Darreichung und Hinweise; Wann: Dosierschema und Angaben zur Anwendung;

Warum: Behandlungsgrund. Als zentrale Identifikation fungiert die Pharmazentralnummer (PZN). All diese Informationen sind auch für Arztbrief, Rezept, Notfall- daten und die elektronische Patienten- akte essenziell. Und natürlich auch für die Versorgungsprozesse wie auch für einen erheblichen Teil der Geldflüsse im System.

In seiner Eröffnungsrede auf der diesjährigen ConHIT, der Medizin-IT Fachmesse, sagte Bundesgesundheitsminister Gröhe denn auch: „Die elektronische Gesundheitskarte kann mehr und das möglichst bald.“ Das ist gefühlt deutlich mehr als jemals zuvor.

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