Abformung

Abformung auf alten und neuen Wegen

Die Abformung, ob traditionell oder digital, ist das Bindeglied zwischen zahnärztlicher und zahntechnischer Tätigkeit. Dieser Beitrag vergleicht Alt und Neu, beschreibt in erster Linie die Logik moderner Abformungswege und zeigt stärkere und schwächere technische Entwicklungen sowie die Bedingungen für optimale Abformergebnisse auf.

Moderne Prothetik mit Restaurationen, die hohen ästhetischen Ansprüchen genügen, ist nur in der Kooperation zwischen Zahnmedizin und Zahntechnik realisierbar. Damit ist zwingend ein dreidimensionales Abbild der Patientensituation als Arbeitsgrundlage für das zahntechnische Labor erforderlich. Bei diesem „Abbild“ kann es sich entweder um ein klassisches „Meistermodell“ oder auch um ein digitales, virtuelles Modell handeln.

So ist und bleibt die Abformung - einerlei ob konventionell oder digital - das verbindende Glied zwischen zahnärztlicher und zahntechnischer Tätigkeit. Ohne Abformung ist die aktuelle restaurative Zahnheilkunde undenkbar. Mit dem Vokabular der Informationstechnologie beschrieben, handelt es sich bei der Abformung schlicht um die Akquisition und den anschließenden Informationstransfer der dreidimensional vorliegenden Patientensituation aus der Praxis ins Labor.

Viele zahntechnische Arbeitsabläufe sind heute bereits digitalisiert und das zahntechnische Produkt wird im CAD/CAM-Verfahren (computer aided design / computer aided manufacturing) hergestellt und setzt damit auf einem virtuellen Modell auf. So ist es nur konsequent, wenn das virtuelle Modell nicht via Scan eines realen Modells gewonnen wird, sondern möglichst die digitale Datenakquisition mittels intraoralem Scanner unmittelbar in der Praxis am Patienten erfolgt. Die unvermeidlich mit der konventionellen Abformung und Modellherstellung verbundenen Dimensionsänderungen der Werkstoffe lassen sich so effektiv vermeiden.

Gewissermaßen eine Zwischenlösung stellt die Option dar, auf das Ausgießen der konventionellen Abformung zu verzichten und stattdessen dieselbe direkt zu scannen und so ein virtuelles Modell zu erstellen. Allerdings hat dieser Weg bisher keine große Verbreitung gefunden, was nicht zuletzt an den physikalischen Limitationen des Verfahrens liegen dürfte.

Letztlich handelt es sich bei den gegenwärtig eingesetzten Laborscannern um Systeme, die entweder laserbasiert durch Interferometrie beziehungsweise Triangulation beziehungsweise lichtoptisch moirétopografisch (Streifenprojektion) die Objektoberfläche digitalisieren. Alle Verfahren weisen dann die höchste Messgenauigkeit auf, wenn der Sichtwinkel auf die Oberfläche möglichst rechtwinklig ist (Abbildung 1). Je weiter vom rechten Winkel abgewichen wird, desto ungenauer wird das Verfahren.

Während sich die Abformung von Inlaykavitäten meistens problemlos realisieren lässt, ist grundsätzlich die Scanbarkeit insbesondere langer, schmaler Präparationen (etwa Frontzähne) limitiert, wenn nicht gar unmöglich. Damit kann der Abformungsscan nicht als alleiniges Verfahren angewendet werden und hat wohl deshalb auch bisher keine große Bedeutung erlangt.

Um die Schwierigkeit der eingeschränkten Sichtbarkeit zu überwinden, kommen prinzipiell alternativ tomografische Verfahren (etwa Micro-CT) in Betracht. In diesem Fall muss die Abformung mit einem Kunststofflöffel erfolgen, da metallische Löffel aufgrund der sonst unvermeidbaren Artefakte im Micro-CT ausscheiden. Diese Vorgehensweise ist zwar grundsätzlich möglich (etwa mit biodentis, Leipzig), hat sich aber bisher ebenso wenig etabliert.

Darüber hinaus werden zunehmend Verfahren vorgestellt, entweder Modelle oder Abformungen mittels konventioneller DVT-Geräte (wie etwa Carestream) zu digitalisieren, meist mit dem Ziel, sie für die präoperative implantologische Planung oder für die kieferorthopädische Diagnostik zu nutzen [Akyalcin et al., 2013].

Ob die zur Anfertigung festsitzender Restaurationen auf diesem Weg erreichbare Genauigkeit bereits ausreichend und mit der konventioneller Verfahren vergleichbar ist, ist im Moment keineswegs ausreichend geklärt und muss eher bezweifelt werden [Detterbeck, 2012]. Letztendlich können aber auch diese Verfahren die grundsätzlichen Probleme der konventionellen Abformung nicht überwinden, da alle diese Ansätze entweder auf einer konventionellen Abformung oder auf einem Modell aufsetzen.

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Entwicklungen beim konventionellen Abformen

Vergleicht man gegenwärtig den Entwicklungsstand der konventionellen Abformtechnologie mit dem der digitalen, so ist zu konstatieren, dass die konventionelle Technik seit Jahren weitgehend stagniert. Dementsprechend handelt es sich bei allen diesbezüglichen Entwicklungen der vergangenen Jahre eher um Detailverbesserungen. Am grundsätzlichen Prinzip der Abformung hat sich seit Jahrzehnten nichts geändert.

Weiterentwicklungen betrafen vorzugsweise die Abformmassen (Entwicklung von Silikon-Polyether-Hybriden, Optimierung des Verhältnisses von Verarbeitungszeit zur Mundverweildauer, Weiterentwicklung automatischer Mischverfahren, Hydrophilisierung) sowie die Methoden des Weichgewebsmanagements [Wöstmann et al., 2005; Balkenhol, Eichhorn et al., 2009; Balkenhol, Haunschild et al., 2009; Wöstmann et al., 2008]. Die  Entwicklung der Silikon-Polyether-Hybridmaterialien (wie etwa Identium, Kettenbach, beziehungsweise Exa’lence, GC) war von der Idee geleitet, die positiven Eigenschaften von Polyethern (genuine Hydrophile) mit der der A-Silikone (kurze Abbindezeit, neutraler Geschmack) zu kombinieren.

Durch die Integration der Polyether-Moleküle in die Silikonkette werden erstmals polare und damit hydrophile Anteile in das Siloxangrundgerüst eingefügt (Abbildung 2).

Andere Bestrebungen betrafen die Verkürzung der Mundverweildauer (wie etwa Flexitime, Heraeus Kulzer; Imprint 4, 3M) im Vergleich zur verfügbaren Verarbeitungszeit (verbesserter Snap-set). Aus wissenschaftlicher Sicht ist dies eine sehr hilfreiche Maßnahme, um ungewollte Deformationen während der Aushärtungsphase des Materials zu vermindern. Der zusätzlich eintretende Zeitgewinn bei der Behandlung ist zwar nützlich, erscheint demgegenüber aber eher vernachlässigbar klein.

Erfreulicherweise hat der Anteil automatisch gemischter Materialen, sei es mittels Dispensing-Gun oder auch mittels motorisch betriebenem Mischgerät weiter zugenommen und der wesentliche Hersteller automatischer Handmischsysteme (Sulzer) hat verschiedene Detailverbesserungen vorgenommen (kurze Kanülen, dünne Applikatoren), die die Applikation erleichtern. Diese wurden von den unterschiedlichen Abformmassenherstellern für ihre Produkte übernommen oder auch ergänzt (Abbildung 3).

Auch Knetmassen (Putty) sind mittlerweile in automatisch mischbarer Form vorhanden und helfen so ebenfalls, Fehler beim Anmischen zu vermeiden. Erwähnenswert sind weiterhin die von einigen Herstellern (wie etwa Imprint 4 Preliminary, 3M; Status Blue, DMG; AlgiNot, Kerr; Silginat, Kettenbach; Xantasil, Heraues Kulzer) angebotenen „Alginatersatzmaterialien“, bei denen es sich im Prinzip um mit kostengünstigen Füllstoffen versehene Polyvinylsiloxane (A-Silikone) handelt, mit einer Konsistenz, die den Alginaten nachempfunden ist.

Diese Materialien übertreffen in der Regel die mit Alginaten darstellbare Abformgenauigkeit (Abbildung 4), sie haben eine mit A-Silikonen vergleichbare Lagerstabilität und bieten sich daher insbesondere in Situationen an, in denen die Abformung nicht direkt in der Praxis ausgegossen wird und damit längere Lagerzeiten unausweichlich sind [Nassar et al., 2012].

Trotz der unterschiedlichen Detailverbesserungen ist die konventionelle Abformung nach wie vor problematisch. Die in vivo erreichte Abformgenauigkeit erreicht bei Weitem nicht das in vitro Mögliche [Boeddinghaus et al., 2015; Seelbach et al., 2013]. Trotz all der genannten Verbesserungen der Materialien und ihrer Applikation bieten die klinischen Rahmenbedingungen immer noch mannigfaltige Fehlermöglichkeiten, deren gänzliche Vermeidung im praktischen Alltag nur schwer möglich ist. Ein Quantensprung bei der konventionellen Abformtechnik ist gegenwärtig (eher) nicht (mehr) zu erwarten.

###more### ###title### Digitale Abformung ###title### ###more###

Digitale Abformung

Im Vergleich zur konventionellen Abformung bieten intraorale Scanner eine gänzlich andere Herangehensweise, die sich erst langsam zu etablieren beginnt, obwohl das Prinzip des intraoralen Scans mit dem Cerec-System bereits seit etwa 30 Jahren verfügbar ist. Allerdings zielte Cerec bis vor einigen Jahren nahezu ausschließlich auf das ursprüngliche Anliegen der „Chairside Reconstruction“ einzelner Restaurationen, als denn auf die Verfügbarmachung eines digitalen Modells für die Zahntechnik. Aus dieser Perspektive steht die digitale Abformung als Alternative zur konventionellen noch ganz am Anfang ihrer Entwicklung.

Alle Geräte ähneln sich in ihrer klinischen Handhabung, unterscheiden sich jedoch teilweise in ihren Funktionsprinzipien (siehe unten). Natürliche Zähne werden von allen Systemen in der Regel unproblematisch erfasst, die Wiedergabe unbezahnter Schleimhautareale ist jedoch Prinzip-bedingt problematisch, da zum fehlerfreien Stiching (Zusammenfügung der einzelnen gescannten Bilder durch die Software) der Einzelbilder klar identifizierbare Strukturen mit markanten geometrischen Charakteristiken erforderlich sind.

Nach ersten Erfahrungen lässt sich das Scanresultat bei allen Systemen deutlich verbessern, wenn man – etwa im Rahmen der Anästhesie – kleine weitere Blutungspunkte im Bereich der unbezahnten Areale setzt, die von der Matchingsoftware des jeweiligen Systems erkannt werden können und das Zusammenfügen der einzelnen Messbilder deutlich erleichtern. Nach dem Scanvorgang wird der Datensatz an ein Dentallabor versandt (je nach System entweder direkt via Internet beziehungsweise auch USB-Stick), wo dann die Weiterbearbeitung erfolgt.

Verfügbare Systeme und ihre Funktionsweise

Gegenwärtig dominieren drei Systeme den deutschen Markt. Der True Definition Scanner (3M), die Cerec-Familie (Bluecam, Omnicam, Sirona) sowie der Trios Scanner (3Shape, Vertrieb in Deutschland zum Beispiel über Teamziereis GmbH, beziehungsweise auch Heraeus Kulzer, Cara Trios). Die genannten Systeme bedienen sich unterschiedlicher Verfahren, um die dreidimensionale Situation zu erfassen.

Alle Scannerversionen des Cerec-Systems bedienen sich des Prinzips der optischen Triangulation mithilfe der Streifenlichtprojektion, bei der ein Streifenmuster auf die zu scannende Oberfläche aufprojiziert wird. Die unterschiedlichen Objekthöhen verzerren das Muster. Diese Verzerrungen werden im aufgenommen Bild von der Auswertungssoftware, die das eigentliche Herzstück des jeweiligen Scanners ausmacht, analysiert und aus den detektierten Höhenlinien wird das Profil zurückgerechnet.

Zur sauberen Projektion des Höhenprofilmusters ist bei allen Modellen des Cerec-Systems bis hin zur Bluecam eine durchgängige Puderung der aufzunehmenden Areale notwendig. Die mittlerweile mit der Bluecam erreichbare Präzision hat sich im Vergleich zu den ersten Systemen (Cerec I – III) erheblich verbessert und ist mit der mit konventionellen Verfahren erreichbaren Abformgenauigkeit in Bezug auf die Darstellung einzelner Zähne absolut vergleichbar (Abbildung 5) [Seelbach et al., 2013; van der Meer et al., 2012; Reich et al., 2005; Mörmann et al., 1985; Luthardt et al., 2005; Ender und Mehl, 2011; Ender et al., 2015].

Die Omnicam dagegen arbeitet anstatt mit Einzelaufnahmen mit einem Videomodus, der sich letztendlich aus einer sehr schnellen Folge von Einzelaufnahmen zusammensetzt. Dabei fährt der Anwender mit dem Scankopf das darzustellende Areal ab und erfasst die Strukturen dabei von allen Seiten. Besonderes Augenmerk ist dabei auf die vollständige Wiedergabe approximaler Areale an präparierten Zähnen zu richten. Eine weitere, wesentliche Veränderung besteht darin, dass bei der Omnicam als erstem Modell der Cerec-Reihe eine Puderung des abzuformenden Areals entbehrlich ist.

Die True Definition Scanner (3M) verwenden zur Datenakquisition dagegen ein gänzlich anderes Prinzip (Wavefront Sampling). Dabei handelt es sich im Kern um ein Verfahren, wie es auch in der Navigation beziehungsweise Peilung verwendet wird: Ein Objekt wird dabei aus mehreren Perspektiven betrachtet (etwa wie ein Schiff, das von mehreren Leuchttürmen beobachtet wird) und seine Position aus den unterschiedlichen resultierenden Blickwinkeln („Peilwinkel“) berechnet.

Die praktische Schwierigkeit dieses prinzipiell hochgenauen Verfahrens beruht darin, identische Punkte in den unterschiedlichen Perspektiven zu identifizieren. Dazu bedarf es zunächst einer leichten Puderung der Oberfläche, damit die Messsoftware die aufgenommen Bilder nach charakteristischen Mustern absuchen kann (vergleichbar etwa der Identifikation eines Sternenbildes bei Ansicht des Himmels aus unterschiedlichen Perspektiven) (Abbildung 6).

Eigene (unveröffentlichte) Versuche mit unterschiedlichen Pudern zeigen, dass die besten Resultate mit dem zum System gelieferten Puder erreichbar sind. Offenbar ist die Software besonders an die Charakteristika dieses Puders angepasst. Eine zu starke Puderung ist ebenfalls kontraproduktiv, da eine homogene Puderschicht die Erkennung identischer Muster verhindert. Klinisch wie auch im Laborversuch lassen sich mit dem True Definition Scanner sowohl präparierte Zähne als auch die Transversaldimension des Kiefers außerordentlich präzise darstellen [van der Meer et al., 2012; Ender und Mehl, 2011; Seelbach et al., 2013; Brückel et al., 2012; Syrek et al., 2010; Guth et al., 2012; Boeddinghaus et al., 2015].

Beim Trios-System beruht die Datenakquisition auf einem gänzlich anderen physikalischen Prinzip. Vereinfacht werden dabei die x,y-Koordinaten eines Bildpunkts durch seine Lage auf dem Bildwandlerchip ermittelt, zur Höhenberechnung (z-Koordinate) verwendet das System ein konfokales Prinzip, das ähnlich der automatischen Entfernungseinstellung in vielen herkömmlichen Spiegelreflexkameras sich den physikalischen Umstand zunutze macht, dass ein Bild dann den größten Kontrast aufweist, wenn es fokussiert ist.

Der eigentliche Scanner entspricht daher am ehesten einer Hochfrequenzkamera, die anders als die oben beschrieben Verfahren nicht einzelne Bilder aufnimmt und diese gegebenenfalls zu einem Video kombiniert, sondern vielmehr jeweils ganze Bildstapel erfasst. Dementsprechend fällt primär eine extrem große Datenmenge an, die zunächst der Vorverarbeitung durch einen im Scankopf untergebrachten speziellen Bildprozessor bedarf. Aus diesem Grund ist das Handstück des Trios-Scanners auch vergleichsweise groß dimensioniert (Abbildung 7).

Der Vorteil der konfokalen Technik besteht vor allem darin, dass keine Puderung zur Datengewinnung notwendig ist. Mit der gegenwärtig verfügbaren Version Trios-3 hat der Hersteller noch einmal die mögliche Scangeschwindigkeit erheblich gesteigert. Die erreichbaren Genauigkeiten sind nach den vorliegenden Daten ebenfalls sehr hoch [van der Meer et al., 2012; Ender und Mehl, 2011; Seelbach et al., 2013; Brückel et al., 2012; Berrendero et al., 2016; Boeddinghaus et al., 2015].

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Weichgewebsmanagement

Die digitale Abformung benötigt noch mehr als konventionelle Techniken ein konsequentes Weichgewebsmanagement mit sorgfältiger Vorbereitung der abzuformenden Areale, da alle Scanner letztlich Kameras darstellen, die nur direkt sichtbare Areale fehlerfrei erfassen können. Nach wie vor stellt die Gingivaretraktion mittels Faden die wichtigste Methodik zur Exposition der Präparationsgrenze dar. Insgesamt sind zum Einsatz unterschiedlicher Techniken der Retraktion beim Einsatz von Retraktionsfäden nur wenige Informationen verfügbar, so dass die folgenden Ausführungen im Wesentlichen auf eigenen klinischen Erfahrungen basieren.

Im Gegensatz zur konventionellen Abformung, bei der die Anwendung der Einfadentechnik (Applikation nur eines Retraktionsfadens um die gesamte Zirkumferenz des Zahnes) Vorteile bietet, da sich der beim Einsatz der Zweifadentechnik (beziehungsweise Doppelfadentechnik; ein dünnerer, primär gelegter Retraktionsfaden verbleibt bei der Abformung im Sulkus) am Sulkusboden liegende Faden oftmals mit der Abformmasse verklebt und so die Modellherstellung behindert, ist im Zusammenhang mit der digitalen Abformung unbedingt die Verwendung der Doppelfadentechnik empfehlenswert. Durch den unten liegenden Faden lässt sich der Sulkus sehr gut über einen längeren Zeitraum auf- und trockenhalten, was zur Vornahme eines intraoralen Scans unabdingbar ist. Im Gegensatz dazu reicht es bei der konventionellen Abformung in der Regel aus, den gingivalen Sulkus nach der Entfernung der Retraktionsmedien einige Sekunden offenzuhalten, bis die Abformmasse eingespritzt ist.

Mehr noch als zur Retraktion als vielmehr zur Blutstillung haben sich Retraktionspasten verschiedener Art bewährt (wie etwa Expasyl, Pierre Roland; Traxodent, American Dental Systems; Adstringent, 3M) (Abbildung 8). Mit diesen Pasten ist eine Blutstillung sehr zuverlässig möglich und ihr größter Nachteil, nämlich die sichere Inhibition von Polyether-basierten Abformmaterialien sowie auch potenziell von A-Silikonen, kommt bei der digitalen Abformung nicht zum Tragen [Wöstmann et al., 2008]. Zusätzlich bietet sich die Elektro- oder Laserchirurgie zur Blutstillung an, wobei jedoch im Frontzahnbereich stets zu bedenken ist, dass diese Methoden meistens zu einer – auch bei sachgemäßer Anwendung – geringfügigen Retraktion der Gingiva führen.

###more### ###title### Chancen der digitalen Abformung ###title### ###more###

Chancen der digitalen Abformung

Im Gegensatz zur konventionellen Abformung erlaubt die digitale Technik ein Nachscannen von Teilarealen. So ist es zum Beispiel möglich, einen Bereich der Präparationsgrenze, der auf dem Scan nicht fehlerfrei dargestellt ist, aus dem gescannten Bild zu entfernen und erneut zu erfassen (Abbildung 9). Dies geht sogar so weit, dass ohne Weiteres eine Korrektur der Präparationsgrenze durch Nachpräparieren erfolgen kann.

Da bei allen Systemen auch die digitale Erfassung des Gegenkiefers einschließlich einer digitalen Kieferrelationsbestimmung (Scannen der geschlossenen Zahnreihen) vorgesehen ist (Abbildung 10), ergibt sich eine weitere wertvolle Kontrollmöglichkeit: Mittlerweile bietet die Software aller Scansysteme einen Kontrollmodus an, bei dem direkt der Abstand einzelner Anteile des oder der präparierten Zähne zur antagonistischen Zahnreihe visualisiert wird. So ist schnell eine Beurteilung des verfügbaren Platzangebots für die geplante Restauration möglich.

Selbstverständlich lässt sich im Fall unzureichenden Platzes die Präparation korrigieren und das geänderte Areal entsprechend nachscannen. Sind mehrere präparierte Zähne darzustellen, kann der Scan schrittweise erfolgen und muss nicht – wie bei der konventionellen Technik – auf einmal geschehen. In der täglichen Praxis erlaubt dies sogar eine gänzlich andere Herangehensweise (Abbildung 11): Dabei wird bereits vor der Präparation gescannt und anschließend lediglich dieser Vorscan um die präparierten Zähne ergänzt. Dies kann eine enorme Entlastung darstellen, da der Vorscan durch eine entsprechend geschulte Fachangestellte oder ZMF denkbar ist.

Zusätzlich stellt der intraorale Scan ein hervorragendes Hilfsmittel zur Selbstkontrolle und zur Steigerung der eigenen Behandlungsqualität dar, da er die Betrachtung der Präparation in erheblicher Vergrößerung erlaubt und dem Behandler so ein unmittelbares Feedback ermöglicht [Boeddinghaus et al., 2015]. Hierbei entdeckte Fehlstellen können im Anschluss direkt durch Nachscannen ergänzt werden – eine Option, die man sich bei der üblichen Abformung oft wünschen würde.

Weiterhin entfallen bei der durchgängigen Anwendung digitaler Techniken sowohl in der zahnärztlichen Praxis als auch im Dentallabor zahlreiche Arbeitsschritte und damit Fehlerquellen, was die Vorhersagbarkeit des Behandlungsergebnisses insgesamt verbessert [Seelbach et al., 2013]. Hierzu zählen beispielsweise die Auswahl des Abformlöffels, die Vorbereitung des Abformmaterials, das Abwarten von Abbinde- und Desinfektionszeiten sowie alle Schritte der Modellherstellung. Zusätzlich bietet das neue Verfahren auch für die Patienten Vorteile, da insbesondere der Würgereiz, der schlechte Geschmack der Abformmasse und eine gefühlte Behinderung der Atmung während der Abformung entfallen [Boeddinghaus et al., 2015].

Ausblick

Intraorale Scantechniken haben mittlerweile einen hohen Standard und erreichen eine Genauigkeit, die der mit konventionellen Abformmethoden erreichbaren Präzision mindestens ebenbürtig ist. Beim festsitzenden Zahnersatz stellt die digitale Abformung mehr und mehr eine echte Alternative zur traditionellen Abformung dar. Die Wiedergabe von Schleimhautarealen und schwer einsehbaren Bereichen ist allerdings noch limitiert. Hier sind weitere Entwicklungen notwendig, um das immense Potenzial dieser Technologie vollständig zu nutzen und neue Behandlungskonzepte zu ermöglichen.

Vor annähernd 200 Jahren hat die Erfindung der heute traditionellen Abformtechnik mittels Abformlöffel und darin befindlicher Masse einen Quantensprung in der Zahnheilkunde ausgelöst und die zahnärztliche Prothetik revolutioniert. Die digitale Abformung hat das Potenzial, dies zu wiederholen.

Prof. Dr. Bernd WöstmannMedizinisches Zentrum für ZMK-Heilkunde an der Justus-Liebig-Universität GießenPoliklinik für Zahnärztliche ProthetikSchlangenzahl 14, 35392 Gießen E-mail:

Univ.-Prof. Dr. med. dent. Bernd Wöstmann

Univ.-Prof. Dr. med. dent. Bernd Wöstmann

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