Im Folgenden soll auf einige Kernpunkte für die zahnärztliche/chirurgische Vorgehensweise eingegangen werden. Details können in der Leitlinie unter nachgelesen werden. Die methodologische Vorgehensweise und Exaktheit zur formalen Konsensfindung für die Erstellung der Leitlinie sind dem Leitlinienreport ebenda zu entnehmen.
Ziel ist die Vereinheitlichung der Therapie
Epidemiologie: Die Prävalenz des dentalen Traumas wird in nahezu allen Altersgruppen unabhängig von der Region weltweit mit rund 25 bis 30 Prozent angegeben. Die Inzidenz des dentalen Traumas von Patienten im Alter bis etwa 35 Jahre wird auf bis zu 20 Prozent geschätzt [Bastone, 2000; Glendor, 2008; Glendor, 2009]. In Deutschland wird über ähnliche Häufigkeiten mit einer Prävalenz von sechs bis 38 Prozent im Kindes- und Jugendalter berichtet [Maurer, 2010; Brüllmann, 2011]. Nach einer Studie der Universität Gießen aus dem Jahr 2002 wird die Avulsion von Milchzähnen mit rund elf Prozent, die Avulsion bleibender Zähne mit etwa neun Prozent angegeben. Sieben bis acht Prozent aller Unfälle dieser Studie gingen mit dem Verlust des entsprechenden Zahnes einher [Hergenröther, 2002].
Info
Weltweit gibt es bislang keine Leitlinie zum dentalen Trauma, die auf Basis
aktueller sowie akzeptierter Vorgaben und Kriterien (AWMF, SIGN) erstellt worden ist. Auch in Deutschland gab es bisher keine von allen Fachgesellschaften anerkannte Leitlinie zur Behandlung des dentalen Traumas. Internationale Empfehlungen liegen vonseiten der IADT (International Association of Dental Traumatology) in aktualisierter Form vor [Andersson, 2012; Diangelis, 2012; Malmgren, 2012], deren methodische Qualität jedoch unklar ist.
Zu Avulsionen permanenter Zähne bei Kindern existiert zwar eine britische Leitlinie [Day, 2012], die jedoch von nur zwei Autoren erstellt wurde. Aufgrund dieser Situation wurde unter Federführung der DGZMK sowie der DGMKG eine deutsche Leitlinie zur
Behandlung des dentalen Traumas bleibender Zähne in Zusammenarbeit von insgesamt 19 Fachgesellschaften erstellt, die am 31. Mai 2015 auf der Homepage der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften e.V. (AWMF) online gestellt wurde.
Definition und Klassifikation: Als Zahntrauma (dentales Trauma, DT; engl.: traumatic dental injury, TDI) wird die akute mechanische Verletzung von Zähnen und deren benachbarten Strukturen bezeichnet. Die Klassifikation und aktuelle Nomenklatur der Zahnverletzungen [modifiziert nach WHO, 2007 und Bastone, 2000] ist in der Tabelle dargestellt. Der frühere Begriff der Subluxation/Luxation von Zähnen wurde durch den Begriff der Dislokation ersetzt. Die Nomenklatur der Kronenfrakturen (früher: I. bis III. Grades) wurde ersetzt durch die Begriffe der Schmelzfraktur, der unkomplizierten sowie der komplizierten Kronenfraktur. Auch die Einteilung der Wurzelfrakturen (früher: oberes/mittleres/unteres Drittel) wurde geändert in Wurzelfrakturen mit und ohne Kommunikation zur Mundhöhle. Mit dieser neuen Einteilung wird der klinischen Situation und der damit verbundenen Prognose besser Rechnung getragen. Dies entspricht auch der internationalen Nomenklatur, so dass der Vielzahl der derzeit kursierenden Begriffe nun ein Ende gesetzt ist.
Zielsetzung: Das Behandlungsziel beim DT ist die Gewährleistung einer bestmöglichen und zeitnahen Versorgung zur Minimierung des Auftretens von Folgeschäden und Komplikationen. Ungünstige Auswirkungen auf das Kieferwachstum, insbesondere das vertikale Kieferwachstum durch Ankylose, sind nach Möglichkeit zu vermeiden. So soll eine möglichst einheitliche Vorgehensweise bei der Versorgung des Frontzahntraumas, insbesondere der Dislokationsverletzungen, in Deutschland erreicht werden. Zweifellos besteht noch erheblicher Aufklärungsbedarf in der Versorgung von dislozierten Zähnen sowie deren Nachbehandlung.
Anamnese, Untersuchung, Diagnostik, Dokumentation: Bei der Anamneseerhebung sollen behandlungsrelevante Grunderkrankungen wie hämorrhagische Diathesen, Allergien, Immunsuppressionen und mehr erhoben werden. Zusätzlich sollen traumarelevante Aspekte der Sturzursache, Hinweise auf ein Schädelhirntrauma, detaillierte Angaben zum Unfallhergang sowie versicherungstechnische Aspekte (Wege-, Schul-, Arbeitsunfall) abgeklärt worden sein. Eine wichtige anamnestische Angabe im Hinblick auf die Langzeitprognose des ausgeschlagenen Zahnes stellt die sogenannte extraorale Trockenlagerungszeit (siehe unten) dar.
Die klinische Untersuchung sollte nach dem Grundprinzip „Hartgewebe vor Weichgewebe“ und „von innen nach außen“ jeweils mit Inspektion, Palpation und Funktionsprüfung erfolgen. Die Inspektion sollte die gesamte Mundhöhle umfassen.
Bei anamnestischem und/oder klinischem Verdacht auf ein dentales Trauma soll eine bildgebende Diagnostik erfolgen (Zahnfilm, Orthopantomogramm, gegebenenfalls ein DVT).
Die wesentlichen Befunde sollen aus Gründen der Sorgfalts- und Dokumentationspflicht in strukturierter Form dokumentiert werden. Hier empfiehlt sich die Verwendung von vorgefertigten Erfassungsformularen zum Frontzahntrauma.
Therapie: Folgende Grundsätze sollten beachtet werden:
• minimalinvasives Vorgehen mit Reposition und Ruhigstellung sowie Weichteilversorgung in der Akutsituation, invasives Vorgehen (wie Extraktion, Enttrümmerung, Sofortimplantation und mehr) in der Akutsituation vermeiden
• Sofortmaßnahme: avulsierte Zähne vorzugsweise zellphysiologisch lagern (Zahnrettungsbox), bis der Patient (wieder) zahnmedizinisch versorgt werden kann
• alternative Lagerungen (in alphabetischer Reihenfolge): Alveole, H-Milch, isotone Kochsalzlösung, Mundspeichel, Ringerlösung [Blomlöf, 1981; Layug, 1998].
Nachsorge: Die Nachsorge nach Abschluss der Primärtherapie dient der Früherkennung potenzieller – etwa endodontischer oder parodontaler – Komplikationen. Dabei stehen periradikuläre Entzündungen, Zysten sowie interne und externe Resorptionen im Vordergrund. Die Nachsorge ist ein wichtiger Bestandteil zur frühzeitigen Erkennung von Komplikationen, deren Nichterkennung und -therapie langfristig den Erhalt des Zahnes gefährden kann. Für die meisten Verletzungsarten sollte daher eine mindestens einmalige Kontrolle innerhalb des ersten Jahres erfolgen. Danach kann die Nachsorge im Rahmen der üblichen zahnärztlichen Betreuung individuell durchgeführt werden.
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Bei der AWMF ist seit dem 19. Februar erstmals eine S3-Leitlinie zu vollkeramischen Kronen und Brücken abrufbar. In einem über zweijährigen Prozess wurde federführend durch die DGPro und die DGZMK in Zusammenarbeit mit zwölf weiteren beteiligten Fachgesellschaften und Institutionen die vorhandene wissenschaftliche Evidenz zur Langzeitbewährung vollkeramischer Kronen (Vollkronen) und Brücken (3-gliedrige Brücken) ausgewertet.
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Patienten mit einer Lippen-Kiefer-Gaumenspalte oder nach Tumoroperationen leiden mitunter an komplexen Formstörungen. Liegen diese im Nasen-Bereich, gibt eine neue Leitlinie Orientierung für Behandler.
Erstmals wurde nach den offiziellen Regularien der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF) eine S3-Leitlinie zur Therapie periimplantärer Infektionen (periimplantäre Mukositis und Periimplantitis) entwickelt.
Die erste S2k-Leitlinie zur Diagnostik und Therapie des Down-Syndroms (Trisomie 21) im Kindes- und Jugendalter ist da. Sie enthält zahlreiche Handlungsempfehlungen für Vorsorge, Diagnostik, Therapie und Entwicklungsförderung - auch für Zahnmediziner.
Erstmals wurde federführend durch die DGI und die DGZMK eine S3-Leitlinie zur kaufunktionellen Rehabilitation bei Zahnunterzahl beziehungsweise Zahnverlust bei Patienten unter Antiresorptivatherapie (Bisphosphonate, Denosumab) entwickelt.
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Rezidivierende Aphthen gehören zu den häufigsten Erkrankungen der Mund- und Rachenschleimhaut. Jetzt ist die S2k-Leitlinie zur Diagnostik und zu Therapieoptionen von Aphthen und aphthoiden Läsionen erschienen.
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Zentrales Ziel der Zahnerhaltung ist die Gesunderhaltung des naturgesunden beziehungsweise des kariesfreien, sanierten Gebisses. In der vorliegenden Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Zahnerhaltung (DGZ) und der Deutschen Gesellschaft für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde (DGZMK) werden grundlegende Empfehlungen zur Kariesprophylaxe bei bleibenden Zähnen formuliert.
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