Heilmittel und Krankentransport in der zahnärztlichen Praxis

Endlich Ordnung bei der Verordnung?

Ob und welche Heilmittel Zahnärzte verordnen dürfen und welche Krankentransportleistungen im Zusammenhang mit der zahnärztlichen Behandlung veranlasst werden können – diese Fragen führen oft zu großer Verunsicherung. Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) sorgt jetzt für Klarheit: Eine spezifische zahnärztliche Heilmittel-Richtlinie befindet sich derzeit in den letzten Zügen der Beratung. Und die ärztliche Krankentransport-Richtlinie ist zum 5. Mai 2016 auf den zahnärztlichen Bereich ausgedehnt worden. Mehr zu den Hintergünden.

Heilmittel gehören – genauso wie medizinische Hilfsmittel, Arzneimittel, Krankenbeförderungsleistungen, Rehabilitationsmaßnahmen und die Häusliche Krankenpflege – zu den sogenannten „veranlassten Leistungen“. Diese werden vom Arzt nicht unmittelbar geleistet, sondern von ihm verordnet und von anderen Leistungserbringern wie Physiotherapeuten, Logopäden, Apothekern, Rehabilitationseinrichtungen oder Krankentransportunternehmen für die Versicherten erbracht.

Die veranlassten Leistungen sind Bestand-teil der generellen vertragsärztlichen und vertragszahnärztlichen Versorgung. Auch Vertragszahnärzte sind damit grundsätzlich berechtigt, Heilmittel im Rahmen der vertragszahnärztlichen Versorgung zu verordnen – soweit dies zur Ausübung der Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde gehört und damit approbationsrechtlich abgedeckt ist.

Der Anspruch von Versicherten auf Versorgung mit Heilmitteln ist gesetzlich allgemein nur dahingehend geregelt, dass ein solcher Anspruch besteht. Welches Heilmittel bei welcher Indikation in welchem Umfang verordnungsfähig ist, hat der Gesetzgeber dagegen nicht vorgegeben.

Vielmehr hat diese Entscheidungen der G-BA zu treffen. Dieser hat festzulegen, welche Heilmittel verordnungsfähig sind. Dazu hat er einzelne Heilmittel bestimmten Indikationen zuzuordnen. Auch regelt er Besonderheiten von Wiederholungsverordnungen und gestaltet Inhalt und Umfang der Zusammenarbeit des verordnenden Arztes und des jeweiligen Heilmittelerbringers.

Für den vertragsärztlichen Bereich hatte der damalige Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen – der Vorläufer des heutigen G-BA – die Details von Heilmittelverordnungen in einer eigenständigen Richtlinie erstmals 2001 geregelt. Heilmittel sind danach persönlich zu erbringende medizinische Leistungen, die in folgende Arten unterteilt werden:

• physikalische Therapie

• podologische Therapie

• Stimm-, Sprech- und Sprachtherapie

• Ergotherapie

Die ärztliche Richtlinie galt jedoch nur für die vertragsärztliche, nicht aber für die vertragszahnärztliche Versorgung. Auch die vom G-BA als Nachfolger der alten Bundesausschüsse beschlossene Heilmittel-Richtlinie aus dem Jahr 2004 regelte nur die Heilmittelverordnung durch Ärzte.

Die alte Heilmittel-Richtlinie war nur für Ärzte

Gleichwohl war es Zahnärzten auch ohne spezifische Richtlinie möglich, in Einzelfällen Heilmittel zu verordnen. Denn Heilmittel gehörten auch schon vor der Gründung des G-BA zum zahnärztlichen Versorgungsalltag. Entsprechend regelten beide Bundesmantelverträge deren Verordnungsmöglichkeiten. Auch bestand inhaltlich zwischen der KZBV und den damaligen Spitzenverbänden der Krankenkassen grundsätzlich Einigkeit darüber, welche Heilmittel zur vertragszahnärztlichen Versorgung gehörten. So wurden etwa logopädische Behandlungen und physiotherapeutische Leistungen als verordnungsfähig angesehen. In einer Übereinkunft zwischen der KZBV und den damaligen Spitzenverbänden der Krankenkassen aus dem Jahr 1997 wurden diese in beiden Bereichen der Heilmittelverordnung, wenn sie durch Zahnärzte erfolgt, fixiert und darauf hingewiesen, dass bei der Verordnung von Heilmitteln das Wirtschaftlichkeitsgebot zu beachten sei.

Gleichwohl kam es in der Folgezeit immer wieder zu Fragen, welche Heilmittel im Einzelfall verordnungsfähig seien.

Im Jahr 2011 überarbeitete der G-BA die ärztliche Heilmittel-Richtlinie umfänglich. In diesem Zusammenhang wurde die Frage aufgeworfen, ob die neu gefasste Richtlinie nun auch für die Zahnärzte formelle Bindungswirkung entfalte. Denn da der G-BA mittlerweile zu einem vollständig sektorenübergreifenden Gremium umgestaltet worden war, wurde teilweise die Auffassung vertreten, dass die Beschlüsse des G-BA gegenüber allen Beteiligten verbindlich seien.

###more### ###title### Eine eigene Richtlinie für Zahnärzte ###title### ###more###

Eine eigene Richtlinie für Zahnärzte

Zwei Folgen ergaben sich aus dieser Diskussion: Zum einen wurde die ärztliche Heilmittel-Richtlinie mit einer ausdrücklichen Regelung versehen, dass diese Richtlinie nicht für die Verordnung von Heilmitteln durch Zahnärzte gelte. Zum anderen einigten sich KZBV, der GKV-SV und die Unparteiischen Mitglieder im G-BA darauf, dass eine eigenständige zahnärztliche Heilmittel-Richtlinie erarbeitet werden soll, in der die Besonderheiten der zahnärztlichen Versorgung berücksichtigt werden. Diese Entscheidung des G-BA war mehr als folgerichtig, berücksichtigt man, dass die ärztliche Richtlinie zahnmedizinische Problemstellungen und Indikationen vollkommen unberücksichtigt ließ.

Mit den ersten Arbeiten an einem spezifischen Heilmittelkatalog wurde 2012 auf Fachebene begonnen. Leitgedanke war, die im Versorgungsalltag laufenden Verordnungen von Heilmitteln auf eine rechtssichere Basis zu stellen. Seit 2014 wird im G-BA daran gearbeitet, die Ergebnisse der fachlichen Vorarbeit in einen konkreten Richtlinientext zu überführen. Geplant ist, dass die eigenständige zahnärztliche Heilmittel-Richtlinie zum Ende dieses Jahres steht.

Schon jetzt kann aber festgehalten werden, dass diese neu entstehende Richtlinie für Zahnärzte, Versicherte, Krankenkassen und Heilmittelerbringer zu einem deutlich höheren Maß an Rechtssicherheit führen wird. Konkrete Zuordnungen von Indikationen zu einzelnen Heilmitteln werden dazu die Entscheidung erleichtern, welche Heilmittel in welchem Umfang verordnungsfähig sind. Die zm wird die Richtlinie, wenn sie in der Endfassung vorliegt, detailliert vorstellen.

Die Grenzfälle der Krankentransport-Richtlinie

Die Verordnung von Krankenbeförderungsleistungen zulasten der gesetzlichen Krankenversicherung war und ist ein Politikum. Denn die Anzahl der Krankenfahrten hatte über Jahre hinweg ein Ausmaß erreicht, das der Gesetzgeber 1989 zum Anlass nahm, den Anspruch auf Fahrtkostenerstattung auf ein Mindestmaß herunterzufahren und Fahrten zur ambulanten Behandlung nur noch in sogenannten Härtefällen zuzulassen.

Ausdrücklich hatte der Gesetzgeber seine Entscheidung damals mit dem Argument begründet, dass die Ausgaben für Krankenfahrten einen Umfang erreicht hätten, der finanziell nicht mehr vertretbar sei.

2004 erteilte der Gesetzgeber dem G-BA den Auftrag, konkrete Ausnahmetatbestände zu definieren, in welchen Fällen Fahrtkosten zu einer ambulanten Behandlung von den Krankenkassen getragen werden. Dieser definierte zwei Fallgruppen, in denen Fahrten zur ambulanten Behandlung ausnahmsweise verordnet werden können. Zum einen konnten Fahrtkosten zu einer ambulanten Behandlung übernommen werden, wenn der Patient „mit einem durch die Grunderkrankung vorgegebenen Therapieschema behandelt wird, das eine hohe Behandlungsfrequenz über einen längeren Zeitraum aufweist, und wenn diese Behandlung oder der zu dieser Behandlung führende Krankheitsverlauf den Patienten in einer Weise beeinträchtigt, dass eine Beförderung zur Vermeidung von Schaden an Leib und Leben unerlässlich ist“. Diese Fälle betreffen insbesondere Fahrten zur Dialysebehandlung sowie zur onkologischen Chemo- oder Strahlentherapie.

Zum anderen konnten Fahrtkosten zur ambulanten Behandlung übernommen werden, wenn der Versicherte dauerhaft immobil ist. Dies betraf Versicherte, die einen Schwerbehindertenausweis mit dem Merkzeichen „aG“ (außergewöhnlich gehbehindert), „Bl“ (blind) oder „H“ (hilfebedürftig) besaßen oder die Pflegestufe II oder III zuerkannt bekamen oder in vergleichbarer Weise in ihrer Mobilität betroffen waren und einer ambulanten Behandlung über einen längeren Zeitraum bedurften.

Was ist mit den zahnärztlichen Besonderheiten?

Aus fiskalischer Sicht ist der Ansatz des Gesetzgebers, den Anspruch auf Krankenbeförderung derart einzuschränken, sicherlich nachvollziehbar. Doch wird die alleinige Fokussierung auf den Ausgabenaspekt der Funktion der Krankenbeförderung nur unzureichend gerecht. Denn der Anspruch des Versicherten auf Krankenbeförderung steht in unmittelbarem Zusammenhang mit seinem Anspruch auf ambulante ärztliche und zahnärztliche Behandlung. Dieser Anspruch läuft ins Leere, wenn der Arzt oder Zahnarzt weder zum Versicherten nach Hause noch der Versicherte eigenständig in die Praxis kommen kann.

Der G-BA hat sich im Zuge der Diskussion über eine eigenständige zahnärztliche Heilmittel-Richtlinie auch mit der Frage befasst, ob die ärztliche Krankentransport-Richtlinie für Zahnärzte gilt und ob Besonderheiten der zahnärztlichen Versorgung eine eigenständige zahnärztliche Krankentransport-Richtlinie rechtfertigen würden. Die KZBV hat sich im G-BA mit Nachdruck für eine eigenständige Richtlinie starkgemacht. Diesem Ansinnen trug der G-BA jedoch keine Rechnung. Er entschied vielmehr, dass Regelungen für die Verordnung von Krankenbeförderungsleistungen durch Zahnärzte in der bestehenden ärztlichen Richtlinie zu verankern seien und diese damit für den ärztlichen und zahnärztlichen Bereich anwendbar sei.

Die KZBV hatte sich in den nachfolgenden Beratungen gemeinsam mit der Patientenvertretung dafür eingesetzt, den Kreis der Anspruchsberechtigten auszuweiten. Ihnen ging es vor allem um Situationen, in denen Versicherte vorübergehend immobil sind und ein akuter oder nicht aufschiebbarer Handlungsbedarf besteht. Damit sollten insbesondere Fälle erfasst werden, in denen Patienten während einer Phase der Immobilität zum Zahnarzt müssen und auf einen Krankentransport angewiesen sind, weil komplexe zahnmedizinische Behandlungen ausschließlich in der Zahnarztpraxis durchgeführt werden können. Diese Regelungen wären aus Sicht der KZBV eine sinnvolle und notwendige Ergänzung zur aufsuchenden Behandlung gewesen. Denn hierdurch wäre die Versorgung der Versicherten „in beide Richtungen“ sichergestellt worden. Jedoch waren die Krankenkassen auch nach langen Verhandlungen nicht bereit, diese Erweiterung mitzutragen. Es blieb bei der Entscheidung, die ärztliche Richtlinie auch auf den zahnärztlichen Bereich auszudehnen.

Keine eigene Richtlinie für die Zahnärzte

Die Erweiterung des Anwendungsbereichs der ärztlichen Krankentransport-Richtlinie auf die Zahnärzte hat der G-BA schließlich am 18.02.2016 beschlossen. Seit dem 05.05.2016 ist die Richtlinie in Kraft und stellt damit die verbindliche Rechtsgrundlage dar, auf der Zahnärzte Krankenbeförderungsleistungen verordnen können. Da die Verordnung von Krankenbeförderungsleistungen durch Zahnärzte zur stationären Behandlung die absolute Ausnahme darstellen dürfte, wird der Hauptanwendungsbereich die Verordnung zur ambulanten zahnärztlichen Behandlung sein. Hier gelten nun die selben Ausnahmetatbestände wie in der ärztlichen Versorgung. Allein in den oben genannten Fällen, in denen Versicherte dauerhaft in ihrer Mobilität eingeschränkt sind, können Zahnärzte Krankenbeförderungsleistungen verordnen, wenn die Fahrten im Zusammenhang mit einer zahnärztlichen Behandlungsbedürftigkeit stehen. Die Verordnung ist dabei unter Verwendung des vertragsärztlichen Musters 4 „Verordnung einer Krankenbeförderung“ vorzunehmen. Außerdem erfolgt die Übernahme von Fahrtkosten nur nach vorheriger Genehmigung der Krankenkasse.

Mehr Rechtssicherheit, weiterer Handlungsbedarf

Positiv ist festzuhalten, dass durch die Erweiterung des Anwendungsbereichs der Krankentransport-Richtlinie auf die zahnärztliche Versorgung nun Rechtssicherheit für alle Beteiligten geschaffen wurde. Inhaltlich gehen die Anwendungsfälle sowie das gesetzlich vorgegebene bürokratische Prozedere des Genehmigungsvorbehalts jedoch weit an den Bedürfnissen einer praxisnahen Versorgung vorbei.

Berücksichtigt man die sinnvollen gesetzlichen Neuregelungen zur Möglichkeit der aufsuchenden Behandlung durch Zahnärzte am Wohnort des Patienten oder in Pflegeheimen und das Bemühen, die Versorgung an die jeweiligen Bedürfnisse der Patienten anzupassen, können derartige Relikte, die aus rein fiskalischen Interessen heraus überlebt haben, nur als anachronistischer Hemmschuh einer flexiblen Versorgung bewertet werden.

Es bleibt zu hoffen, dass die Regelungen für Krankenfahrten zur ambulanten Behandlung bald einer entsprechenden Revision unterzogen werden, wenn ihre Kontraproduktivität erkannt wird. Klar ist, dass eine vollständige Freigabe der Verordnungsmöglichkeiten nicht im Sinne aller Beteiligten sein kann. Fachlich fundierte Ausnahmen, wie von der KZBV vorgelegt, sollten jedoch mehr als ausreichend sein, diese Versorgungslücke zu schließen.

RA Christian Nobmann, Leiter der Abteilung „Koordination Gemeinsamer Bundesausschuss“ der KZBV

• Den vollständigen Text der Krankentransport-Richtlinie können Sie im Heft auf S. 88ff. im  Bekanntmachungsteil nachlesen.

Melden Sie sich hier zum zm-Newsletter des Magazins an

Die aktuellen Nachrichten direkt in Ihren Posteingang

zm Heft-Newsletter


Sie interessieren sich für einen unserer anderen Newsletter?
Hier geht zu den Anmeldungen zm Online-Newsletter und zm starter-Newsletter.