Helicobacter pylori

Welche Rolle spielt die Mundhöhle?

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Elmar Hellwig
Das 1982 von den australischen Medizinern Barry James Marshall und John Robin Warren entdeckte gramnegative Bakterium Helicobacter pylori besiedelt den Magen von mehr als der Hälfte der Weltbevölkerung. Die Rolle der Mundhöhle für den Infektionsweg bleibt indes weiter umstritten. Eine Literaturübersicht.

Der Keim gilt als eine Ursache für Gastritis, Magen- und Duodenalulcus [Kusters et al., 2006]. Weiterhin werden bestimmte Stämme des Stäbchenbakteriums für die Entstehung des Magenkarzinoms verantwortlich gemacht. Im Dezember 2005 erhielten die oben genannten Wissenschaftler den Nobelpreis für die Entdeckung und Aufklärung der Pathogenität von H. pylori.

Die Rolle der Mundhöhle für den Infektionsweg dieses Keims ist aber bisher nicht geklärt und die vorhandene Literatur dazu sehr verwirrend. Es gibt Modelle des oralen Biofilms, die H. pylori als Spätbesiedler neben anderen parodontalpathogenen Bakterien zeigen [Rickard et al., 2003]. Solche Darstellungen erwecken den Eindruck, dass H. pylori selbstverständlich als Bestandteil der oralen Keimflora zu betrachten ist. Hinzu kommt eine Vielzahl an Publikationen, die den Nachweis von H. pylori in verschiedenen Kompartimenten der Mundhöhle beschreibt [Al-Ahmad et al., 2010, 2012, Yee, 2016]. Einige Autoren korrelierten das Vorkommen von H. pylori in der Mundhöhle mit dem oralen Hygienestatus der untersuchten Patienten. Manche Autoren empfahlen sogar die Eradikation dieses Keims in der Mundhöhle zum Beispiel durch Anwendung von Antibiotika.

Es gibt jedoch viele Arbeiten, die keinen Nachweis für die Präsenz dieses pathogenen Mikroorganismus in der Mundhöhle erbringen konnten [Al-Ahmad et al., 2012]. Die Verfasser dieser Arbeiten betonen eher den transienten Charakter von H. pylori. Bei der näheren Analyse der vielen Veröffentlichungen zum Nachweis des Bakteriums im Speichel oder im oralen Biofilm wird ersichtlich, dass positive Befunde mittels Polymerase-Kettenreaktion (PCR) – das ist eine Methode, um die Erbsubstanz DNS in vitro zu vervielfältigen – oder Antigentests erfolgten. Über einen Nachweis und eine Isolierung des Keims aus der Mundhöhle mittels der Kulturtechnik wurde bisher nicht berichtet, obwohl H. pylori auf geeigneten Agarplatten gut isolierbar ist.

Falsch positive Nachweisergebnisse aufgrund von Kreuzreaktionen mit anderen Keimen der Mundhöhle (wie mit Campylobacter spp.) können mittels molekularbiologischer Methoden nicht ausgeschlossen werden [Al-Ahmad et al., 2010].

Die bisherige Literatur deutet also eher darauf hin, dass H. pylori nur transient in der Mundhöhle vorkommen kann. So lange keine oralen Isolate in den internationalen Stammsammlungen dokumentiert und hinterlegt sind, sollte die Mundhöhle nicht als Nische für dieses Bakterium betrachtet werden. Ein Überleben von H. pylori im oralen Biofilm würde bedeuten, dass die Durchseuchungsrate mit diesem Bakterium wesentlich höher liegen müsste als bisher berichtet. Der Grund für das Vorhandensein von DNA oder Antigenen von H. pylori in der Mundhöhle könnte zudem auf Reflux-Erkrankungen zurückzuführen sein, die eine hohe Prävalenz in den Industrieländern haben.

Auch eine Übertragung des Keims über den Austausch von Speichel wäre möglich. Der Editor des „American Journal of Medicine“ hat 2013 darauf hingewiesen, dass 9 ml Speichel mit einer Vielzahl an apathogenen und pathogenen Mikroorganismen beim intimen Küssen von Paaren übertragen werden können [Alpert, 2013]. Solch ein intensiver Speichelaustausch würde für die Übertragung von H. pylori ausreichen. Aber selbst dann könnte das Bakterium nach dem Küssen nur transient in der Mundhöhle vorkommen.

Zusammenfassend kann H. pylori nach bisherigem Wissensstand nur als transient in der Mundhöhle betrachtet werden. Der Einfluss von Speichel und der oralen Flora auf das Überleben von H. pylori in der Mundhöhle muss noch in zukünftigen Forschungsarbeiten geklärt werden.

Prof. Dr. Ali Al-Ahmad, Prof. Dr. Elmar HellwigKlinik für Zahnerhaltungskunde und Parodontologie, Department für ZMK des Universitätsklinikums Freiburg, Albert-Ludwigs-Universität Freiburg,Hugstetter Str. 55, 79106 Freiburg E-mail:

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