Von der Poliklinik in die Niederlassung

Kollegenhilfe nach dem Mauerfall

Am 9. November 1989 wird am Grenzübergang Bornholmer Straße in Berlin Geschichte geschrieben. Für die Zahnärzte aus der DDR war mit dem Mauerfall auch der langersehnte Weg frei in die Niederlassung. Unterstützt wurden sie dabei von erfahrenen Kollegen aus dem Westen. Einer von ihnen war Wolfgang Laube.

„Als am 9. November 1989 die Mauer fiel, kam diese Wende für uns alle völlig überraschend, und sie traf uns auch völlig unvorbereitet“, erinnert sich Wolfgang Laube im zm-Gespräch rückblickend an die Zeit der Wiedervereinigung. Er selbst erlebte diesen Tag in Oberfranken. Dort hatte er sich ein Grundstück gekauft und ein Haus mit einer Zahnarztpraxis errichtet. Für den Fall, dass der Kalte Krieg ein Leben in Berlin unmöglich gemacht hätte, wäre er übergesiedelt. Ihm zufolge gab es manche Berliner , die in den politischen Wirren der siebziger und achtziger Jahre ähnlich gedacht und gehandelt haben. Aber es kam zum Glück anders und das geteilte Deutschland wurde nach mehr als 28 Jahren wiedervereinigt.

Raus aus der Poliklinik, rein in die Niederlassung

Die Vorstände von KZV und Kammer sowie der Verband der Zahnärzte von Berlin wurden dann sehr zügig tätig, erzählt Laube. Schnell wurde absehbar, dass das bundesdeutsche Gesundheitssystem auf die neuen Länder übertragen werden würde. Die Polikliniken lösten sich auf beziehungsweise wurden von Kollegen übernommen. Praxisgründungen schossen wie Pilze aus dem Boden. Die Krankenkassen etablierten sich im Osten genauso wie die regionalen Kammern und KZVen.

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Eine Besonderheit kennzeichnete die Berliner Situation: Im Unterschied zu den übrigen fünf Bundesländern wurden die Zahnärzte der neuen Stadtbezirke in die bereits existierenden Körperschaften von Kammer und KZV aufgenommen.

Informationsabende sollten den hinzukommenden Kollegen die Praxisaufnahme, vor allem aber auch die fremden Abrechnungs- und Verwaltungsvorschriften nahebringen. Das ’Raus aus der Poliklinik und Rein in die Niederlassung’ musste für die meisten zahnmedizinischen Neubundesbürger mit dem Beginn der neunziger Jahre zu einer enormen Herausforderung werden, die sie „aber mit Bravour meisterten“, bilanziert Laube.

Ein Beispiel: Wie schwierig war es etwa für langjährig erfahrene Kinderzahnärztinnen, sich niederzulassen und sich damit für alle zahnmedizinischen Fachgebiete öffnen zu müssen? Und welchen Mutes bedurfte es, sich aus dem sicheren Angestelltenverhältnis zu lösen und ein risikoreiches Unternehmen namens Praxis zu gründen? Durch Kurse und Fortbildungen erfuhren sie Unterstützung auf dem Weg zur niedergelassenen Allgemeinzahnärztin. Schließlich wurden ja alle Kollegen zur Sicherstellung der Versorgung der Berliner Bevölkerung dringend gebraucht. Und genau hier sah Wolfgang Laube sein neues Betätigungsfeld. Nach seinem Engagement in der Berliner KZV wurde er wenige Monate später als jahrzehntelanges Mitglied des Verbandes der Zahnärzte von Berlin zum ersten Ansprechpartner für viele Kollegen in den neuen Stadtbezirken.

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Behutsamkeit als Maxime der Niederlassung

Vor allem beim Aufbau neuer Praxen war Laubes Beratung hilfreich. Wie andere Wirtschaftsunternehmen auch, drängten die Dentaldepots auf den Markt. Hierbei solide von unsoliden Angeboten zu unterscheiden, erwies sich zuweilen als schwierig, zumal der Enthusiasmus, sich eine tolle Praxis einrichten zu lassen, leicht zu Fehlinvestitionen führen konnte. Eine attraktive und moderne Ausstattung zu wählen ohne zugleich die möglichen Risiken im Blick zu haben, konnte fatal sein. Laube riet: „Behutsamkeit sollte eine Maxime der Niederlassung sein.“

Er erinnert sich noch recht genau an zwei Kolleginnen aus einem Berliner Randbezirk im Osten der Stadt, die sich gleich mehrere funkelnagelneue Behandlungsräume einrichten ließen. Hinzu kamen auf der Kostenseite noch zehn Helferinnen, die man aus dem ehemaligen Ambulatorium übernommen hatte. Laube: „Hier war mein Rat zwar bitter, aber vermutlich überlebensrettend: Wenn am Investitionsvolumen nichts mehr zu ändern ist, dann muss der Personalschlüssel korrigiert werden. Und so geschah es dann auch.“

Gewiefte Pappenheimer

Neben vielen großen Informationsveranstaltungen gab es eben auch solche Einzelberatungen gegeben. Laubes Erfahrungen mit dem Dentalmarkt erlaubten ihm wertvolle Tipps. Er kannte seine „Pappenheimer“ und wusste, von „wem eine solide und angemessene Beratung zu erwarten war und wer nicht gleich jedem Kollegen eine kleine Klinik verkaufen wollte“.

Viele der neu niedergelassenen Zahnärzte richteten ihre Praxen Laube zufolge aus einer Kombination von altem Inventar aus der Poliklinik und neu erworbenen Gegenständen ein: „Damals musste man für eine kleine Praxis mit einem sechsstelligen Betrag kalkulieren.“

Zwischen Wolfgang Laube und einigen „Neu-Kollegen“, übrigens auch aus der Mark Brandenburg, haben sich im laufe der Zeit wahre Freundschaften entwickelt, die vor allem durch gemeinsame Reisen – etwa nach Dänemark – intensiviert wurden. Jahrzehntelang traf man sich immer am 9. November zu Acht mit Ehefrauen und einem Kollegen aus Berlin-Wannsee zum Gedenken mit einer Flasche Sekt an der geschichtsträchtigen Glienicker Brücke.

Auf die Frage, ob er heutzutage noch einmal beraten wollen würde, antwortet Laube: „Unbedingt! Aus heutiger Sicht sogar noch intensiver.“ Nach seinem Ausscheiden aus dem Vorstand der KZV wurde er 1989 in die Zahnärztliche Stelle Röntgen der Kammer gewählt. Auch auf diesem Gebiet konnte er dem Kollegenkreis im Osten wie im Westen mit Rat und Tat zur Seite stehen. Mit dieser Aufgabe war er bis kurz vor seinem 80. Geburtstag betraut.

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