Der besondere Fall

Therapie verlagerter Zähne mittels Gaumenimplantat

Bei der Behandlung multipler, verlagerter Zähne ist die skelettale Verankerung eine sinnvolle Therapieoption, um unerwünschte kieferorthopädischer Nebenwirkungen zu vermeiden. Notwendig ist eine gute interdisziplinäre Absprache zwischen Kieferorthopäden, Hauszahnarzt oder dem Chirurgen.

Der Zahndurchbruch ist ein komplexer Vorgang, weshalb Zahnretentionen mit relativ hohen Inzidenzen auftreten. In der kieferorthopädischen Praxis sind retinierte und verlagerte Zähne daher Teil des kieferorthopädischen Alltags. Neben den Weisheitszähnen (bis zu 39 Prozent) [Hattab, 1995] sind häufig die oberen Eckzähne (0,92 bis 3 Prozent) betroffen [Bishara, 1998]. Bei ihnen beträgt das Verhältnis von palatinaler zu bukkaler Verlagerung 2,5 bis 4:1 [Harzer, 2002; Stellzig, 1994].

In der Regel besteht bei retinierten und verlagerten Zähnen die Indikation für eine kieferorthopädische Behandlung, da sie zu klinischen Komplikationen führen können. Neben follikulären Zysten kann es zu Zahnhartsubstanzschäden an den Nachbarzähnen kommen. An 12 Prozent der seitlichen Schneidezähne bei verlagertem Eckzahn können Wurzelresorptionen unterschiedlicher Ausprägung nachgewiesen werden [Rimes, 1997], welche in Extremfällen eine Extraktion der betroffenen Zähne erfordern. Prophylaktisch kann eine vorzeitige Extraktion von Milchzähnen in vielen Fällen eine weitere Verlagerung verhindern oder sogar eine Einstellung des zuvor verlagerten Zahns bewirken [Ericson, 1988].

Zur Einordnung von verlagerten Zähnen ist häufig ein kombiniert kieferorthopädisch/ oralchirurgisches Vorgehen erforderlich. Dies umfasst in der Regel drei Phasen:

• die chirurgische Freilegung eines Teils der Zahnkrone mit der adhäsiven Anbringung eines orthodontischen Attachments,

• die Mobilisation und Eruption des verlagerten Zahns durch die Applikation einer extrusiven Kraft

• und die dreidimensionale kieferorthopädische Einordnung des Zahns in den Zahnbogen [Becker, 1998].

Die orthodontische Kraft, die zur Extrusion des verlagerten Zahns benötigt wird, kann ohne stabile Verankerung Nebenwirkungen wie die Intrusion der Verankerungszähne und die Kippung der Okklusalfläche nach sich ziehen [Kokich, 1993].

Zur Schaffung einer stabilen Verankerungseinheit gewinnt die skelettale Verankerung mithilfe von Mini-Implantaten immer mehr an Bedeutung. Sie hat sich in vielen klinischen Studien als verlässliche Verankerungsmethode erwiesen [Yao, 2008], zudem erfreut sie sich aufgrund ihrer vielfältigen Einsetzbarkeit, der minimalinvasiven Insertion und der relativ niedrigen Kosten immer größerer Beliebtheit [Nienkemper, 2012; Wilmes 2008; Melsen, 2000].

Der Fall

Dieser Fallbericht zeigt eine Patientin mit einer Transposition und multiplen verlagerten Zähnen, die mithilfe eines Gaumen- implantats eingeordnet wurden.

Das Mädchen stellte sich im Alter von 13,7 Jahren in unserer Praxis vor. Bei der klinischen Untersuchung fiel die Persistenz mehrerer Milchzähne auf. Der Zahn 13 war distal des Milchzahns 53 durchgebrochen (Abbildung 1).

Das OPG zeigte eine Dentitio tarda, eine mesial-exzentrische Verlagerung der Zähne 14 und 23 mit Persistenz der Milchzähne 53 und 63 sowie eine Transposition der Zähne 13 und 14. Alle bleibenden Zähne inklusive der Weisheitszähne sind angelegt. Zudem bestand eine mesial-exzentrische Keimlage der Zähne 15 und 25 (Abbildung 2). Per DVT konnten Wurzelresorptionen an den seitlichen Schneidezähnen ausgeschlossen und die genaue dreidimensionale Lage der retinierten und verlagerten Zähne 14 und 23 genauer beurteilt werden. Die Auswertung des FRS ergab eine skelettale Klasse I mit bignather Orthognathie bei mesofazialer Schädelstruktur.

Im Rahmen der Modellanalyse ergaben sich folgende Befunde: Im Oberkiefer lagen außer der Transposition der Zähne 13 und 14 multiple Rotationen und Kippstände vor. Die Unterkieferfront wies einen Engstand auf. Im Molarenbereich lag beidseits eine Distalokklusion von ¼ Prämolarenbreite vor. Der Overjet betrug 2 mm, der Overbite 3 mm. Die Zähne 22/33, sowie 24/74 wiesen eine Kopfbissrelation auf.

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Therapie

Der Therapieplan sah die chirurgische Freilegung von 14 und 23 vor, deren Einordnung in den Zahnbogen, die Beseitigung der Transposition zwischen den Zähnen 13 zu 14, sowie die Herstellung einer gesicherten Seitenzahnokklusion mit regelrechter sagittaler und vertikaler Frontzahnstufe.

Zur Schaffung einer stabilen Verankerungseinheit wurde ein Gaumenimplantat inseriert. Aufgrund des palatinal verlagerten Zähne 14 und 23 wurde das Gaumenimplantat im posterioren Gaumen platziert.

Ein mit dem Implantat verbundener Transpalatinalbogen, welcher adhäsiv an den Sechsjahresmolaren befestigt wurde, sollte letztere in ihrer Position stabilisieren und das während der Extrusion der verlagerten Zähne auf sie wirkende Drehmoment auffangen. Nach der Milchzahnextraktion und der chirurgischen Freilegung der Zähne 14 und 23 begann die kieferorthopädischen Einstellung der Zähne in den Zahnbogen mit geringen, kontinuierlich applizierten Kräften (Abbildungen 3a-b).

Im Laufe der Behandlung wurde Zahn 13 mesialisiert, um die Transposition mit Zahn 14 aufzulösen. Nachdem die Kronen der verlagerten Zähne soweit durchgebrochen waren, dass ein Bracket geklebt werden konnte, wurden sie mithilfe der Overlay- bogentechnik in den Zahnbogen eingestellt. Die Wurzelaufrichtung des Zahn 14 fand mit einer Aufrichtefeder statt. Die restlichen Zähne wurden dabei mit einem 19 x 25 Stahlbogen stabilisiert. Nach dreijähriger kieferorthopädischer Behandlung konnte die Patientin entbändert werden. Eine Stabilisierungsphase mit herausnehmbaren Essixschienen folgte. Nach Ende der aktiven Behandlungszeit waren die Therapieziele weitgehend erfolgreich umgesetzt worden (Abbildungen 4 und 5a bis e).

Diskussion

Meistens ist die kieferorthopädische Einordnung verlagerter Zähne die Therapie der Wahl. Zur Vermeidung unerwünschter Nebenwirkungen ist dabei eine stabile Verankerung von großer Bedeutung [Nienkemper, 2012].

Zur Verbesserung der Verankerungsqualität wurde bei der vorgestellten Patientin eine skelettal verankerte Mechanik verwendet. In Fällen mit palatinal verlagerten Zähen empfiehlt sich die radiografische Lokation dieser Zähne vor Implantatinsertion. Der typische Insertionsort für Miniimplantate ist im Oberkiefer der anteriore mediane oder paramediane Gaumen, da hier eine gute Knochenqualität und -dicke zu finden ist [Nienkemper, 2012; Kang, 2007; Wehrbein, 1996].

Um eine Schädigung des verlagerten Eckzahns während der Implantatinsertion zu vermeiden, wurde in diesem Fall weiter posterior implantiert. Der posteriore Gaumen wurde bereits als möglicher Insertionsort für Miniimplantate beschrieben [Ludwig, 2011]. Wie im anterioren Gaumen ist der Gaumen auch hier mit befestigter Mundschleimhaut bedeckt, wodurch die Erfolgsrate der Miniimplantate gesteigert wird [Park, 2006]. Prinzipiell muss eine Transposition nicht zwingend aufgelöst werden. Aufgrund der Wurzelspitzentopografie entschieden sich die Autoren aber in diesem Fall dafür.

Großes Augenmerk muss während der Extrusionsphase der verlagerten Zähne auf den Kraftvektor der extrusiven Kraft gelegt werden. Das ist wichtig, um Wurzelresorptionen zu vermeiden [Nienkemper, 2012]. Ein palatinal verlagerter Zahn sollte bei enger Topografie zu den Wurzelspitzen der Nachbarzähne zunächst von diesen weggezogen und zum palatinal zum Durchbruch gebracht werden, um ihn in einem zweiten Schritt, beispielsweise mit der im Fallbericht angewendeten Overlaybogentechnik, in den Zahnbogen einzuordnen. Bei dieser Patientin hätte man die Angulation von Zahn 14 den Torque von Zahn 13 noch etwas besser einstellen können. Die Patientin wünschte sich in der Finishingphase jedoch eine vorzeitige Entbänderung.

Dr. Danae Brender, Fachzahnärztin für KieferorthopädieRömerstraße 75, 71229 Leonberg, E-mail:

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