Volker Looman über „kluge“ Finanzierungsmodelle in Zeiten des Niedrigzinses

Finger weg von Experimenten mit der Zukunft!

Ich bin Mitglied in einem Club, der weiland eine feste Burg für Männer war, im Laufe der letzten Jahre aber von Frauen geschleift worden ist. Natürlich werde ich – das ist Ehrensache – den Namen dieses Clubs nicht preisgeben. Ich verrate Ihnen aber aus Gründen der Geldräson, dass ich in dem Mitglieder-Magazin vor einiger Zeit bemerkenswerte „Gedanken über Geldanlagen in Zeiten der Niedrigzinspolitik der Europäischen Zentralbank“ gelesen habe. Der Autor ist ein gestandenes Mannsbild, 68 Jahren jung, das 40 Jahre lang in leitenden Stellungen bei Großbanken tätig war. Nun ist er als unabhängiger Vermögensverwalter unterwegs. Nein, ich rede nicht von mir!

Der Experte schlägt den „Freunden“ dieses Clubs, die im Besitz lastenfreier Immobilien sind, die Aufnahme eines Kredites in Höhe von 60 Prozent des Beleihungswertes vor. Die eine Hälfte soll Kindern und Enkeln geschenkt werden, und die andere Hälfte soll in europäische Aktien mit Top-Dividenden investiert werden. So könne nach Steuern eine „markante Ertragsdifferenz“ vereinnahmt werden. Das klingt doch edel, hilfreich, ist es aber auch gut?

Ich habe den Artikel mindestens dreimal gelesen. Anschließend habe ich einige Dinge gesagt, die nicht protokollfähig sind. Danach habe ich den Rechner eingeschaltet und den Vorschlag mit Hilfe aktueller Marktdaten durchgerechnet. Nun bringe ich meine Sicht der Dinge in der zm zu Papier, weil ich die Sorge habe, dass auch Zahnärzte für solche Experimente zu haben sein könnten.

Wenn ich für die „Erwiderung“ einen Titel finden müsste, hieße die Überschrift: Die Chancen und Risiken der Mitgift auf Pump – dargestellt am Beispiel hanseatischer Pfeffersäcke. Mit diesem Thema würde ich, da bin ich mir sicher, an jeder nordischen Universität promoviert werden. Ich müsste zwar für den „Pfeffersack“ noch eine Formulierung finden, die politisch korrekt ist, aber das ist von untergeordneter Bedeutung.

Ich sehe vor mir rüstige und stolze Hanseaten, die im jugendlichen Alter von 70 Jahren in großen Eigenheimen residieren und standesgemäß Hof halten. Der Minimalwert pro Liegenschaft dürfte in diesen Kreisen bei zweieinhalb Millionen Euro liegen, natürlich netto, wie sich das für ehrbare Kaufleute von der Küste geziemt. Folglich lautet die Formel für die Geldaufnahme: Verkehrswert (2.500.000 Euro) minus Sicherheitsabschlag von 20 Prozent (500.000 Euro) ergibt einen Beleihungswert von 2.000.000 Euro, und 60 Prozent des Beleihungswertes erlauben eine Hypothek von 1.200.000 Euro.

Die eine Hälfte (600.000 Euro) soll Kindern und Erben zukommen. Die andere Hälfte (600.000 Euro) soll in europäische Aktien fließen, die laut www.boersennews.de eine jährliche Dividende von 6,5 Prozent abwerfen. Die Aktien bringen also 39.000 Euro pro Jahr. Davon abzuziehen sind die Gebühren des Verwalters, der jährlich 1,5 Prozent beziehungsweise 9.000 Euro fakturiert. Hinzu kommen die Abgeltungssteuer von 10.286 Euro und die Sollzinsen – laut www.fmh.de jährlich 2,5 Prozent – von 30.000 Euro. Das führt zu Aufwendungen von 10.286 Euro pro Jahr. Im Laufe von 20 Jahren macht das unter dem Strich aufgerundet 206.000 Euro. Nüchterne Kaufleute werden völlig zu Recht anmerken, dass Aufwendungen keine Ertragsdifferenz, sondern Ausgaben sind. Das wird zu der Frage führen, wofür das gut sein soll. Geschenke für Kinder und Enkel sind ja aller Ehren wert, doch rechtfertigen sie Ausgaben von 206.000 Euro? Ich will mich kurz fassen: Im Prinzip nein, aber keine Regel ohne Ausnahme: Sie wissen ja, dass der Wunsch nach einem Sohn der Vater vieler Töchter ist. Sollten auch Sie in der glücklichen Lage sein, vier Töchter zu haben, sich aber in der misslichen Lage befinden, für das reizende Quartett trotz exzellenter Ausbildung keine Schwiegersöhne zu finden, vermag eine Mitgift von 150.000 Euro pro Töchterlein die Absatzchancen auf dem Heiratsmarkt durchaus zu erhöhen. Das wäre jedoch mit Aufwendungen von 51.500 Euro pro Tochter verbunden. Glauben Sie, dass sich das lohnt?

Aktien, Frauen, Kinder und Pferde unterliegen, wie jeder Vater weiß, unkalkulierbaren Risiken. Daher ist zu prüfen, ob nicht die einfache Mitgift auf Kredit vorteilhafter ist. Man nimmt nur 600.000 Euro auf und bezahlt dafür 2,5 Prozent pro Jahr, so dass im Laufe von 20 Jahren insgesamt 300.000 Euro anfallen. Das sind 105.000 Euro mehr als bei der Börsen-Lösung, schließt aber das Risiko von Verlusten aus. Ich schlage für die Klärung der Frage, ob bei Ihnen die erste oder zweite Lösung vorteilhafter ist, das vertrauliche Gespräch mit Ihrem geliebten Ehepartner vor. Das Thema des Abends bei Rotwein soll lauten: Erhöhen 206.000 oder 300.000 Euro die „Absatzchancen“ der Töchter?

Ich kann aus eigener Erfahrung einen kleinen Beitrag zur Lösung des Problems beisteuern. Ich habe von vier Kindern zwei Söhne im Angebot, und ich habe nicht den Eindruck, die beiden Herren mit Hilfe von Morgengaben auf Pump schneller unter den Zylinder zu bekommen. Ich pfeife trotz meiner Liebe für die Börse und meine Söhne auf Kredite und am allerschlimmsten Aktienkauf auf Kredit. Und ich glaube auch nicht an die Wertsteigerung von Immobilien, die Kredite „bezahlt“. Diese Giftmischung kommt mir nicht ins Haus!

Kolumnen entsprechen nicht immer der Ansicht der Herausgeber.

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