Die neue S2k-Leitlinie „Kariesprophylaxe bei bleibenden Zähnen“

So machen Sie in der Prophylaxe alles richtig

Werner Geurtsen
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Elmar Hellwig
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Zentrales Ziel der Zahnerhaltung ist die Gesunderhaltung des naturgesunden beziehungsweise des kariesfreien, sanierten Gebisses. In der vorliegenden Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Zahnerhaltung (DGZ) und der Deutschen Gesellschaft für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde (DGZMK) werden grundlegende Empfehlungen zur Kariesprophylaxe bei bleibenden Zähnen formuliert.

Als Volkskrankheit Nummer eins trumpft in Deutschland nach wie vor die Karies. So sind fast jeder Erwachsene und immer noch sehr viele Jugendliche und auch Kinder betroffen. Jetzt liegt erstmals eine von allen zuständigen Fachgesellschaften konsentierte medizinische Leitlinie vor. Hieran können Zahnärzte und auch Patienten zukünftig ihre kariesprophylaktischen Maßnahmen orientieren. Diese S2k-Leitlinie umfasst sieben wichtige Punkte, die zur Vermeidung eines kariösen Gebisses nicht im Ausschlussverfahren, sondern möglichst summarisch eingehalten werden sollen:

1. Mechanische Verfahren zur Biofilmreduzierung

Es ist hinreichend nachgewiesen, dass Zähneputzen zweimal täglich mit einer fluoridhaltigen Zahnpasta das Kariesvorkommen reduziert, und dass mehrfach täglich durchgeführtes Zähneputzen mit einer fluoridhaltigen Zahnpasta eine bessere kariespräventive Wirkung zeigt, als ein einmal täglich durchgeführtes Putzen. Die Vermutung, dass durch selbstständig durchgeführte mechanische Mundhygienemaßnahmen (Zähneputzen und Zahnzwischenraum- reinigung) Karies vermindert wird, kann nur durch Surrogatparameter wie zum Beispiel eine Plaquereduktion belegt werden, da keine adäquaten klinischen Studien existieren.

2. Chemische Beeinflussung des Biofilms

Neben mechanischen Hilfsmitteln werden zur Beeinflussung des Metabolismus beziehungsweise zur Verhinderung des Wachstums kariogener Mikroorganismen unterschiedliche chemische Verbindungen in Zahnpasten und auch in Spüllösungen, Gelen und Lacken eingesetzt. Übersichtsarbeiten zeigen, dass der Einsatz derartiger Präparate zu einer Keimreduktion führt.

In klinischen Studien konnte einzig die kariesreduzierende Wirkung von Chlorhexidin-Lack im Okklusalbereich durchbrechender Zähne und bei Wurzelkaries nachgewiesen werden.

3. Prophylaxeprogramme

Mit einem Gesamtkonzept, welches den Einsatz unterschiedlicher Prophylaxemaßnahmen beinhaltet, ist es möglich, Karies deutlich zu reduzieren. Dies konnte in sorgfältig durchgeführten klinischen Studien für alle Altersgruppen gezeigt werden. Diese Studien lassen jedoch keine Aussage zur relativen Effektivität einzelner Maßnahmen zu.

4. Maßnahmen der Fluoridierung

Einer der wichtigsten Eckpfeiler der individuellen und gruppenbezogenen Kariesprophylaxe ist die Anwendung unterschiedlicher fluoridhaltiger Präparate. Zahlreiche Metaanalysen und systematische Reviews kommen zu dem Schluss, dass die Anwendung fluoridhaltiger Präparate zu unterschiedlichen, aber deutlichen Kariesreduktionsraten führen. Im Jahr 2005 wurde von der AWMF eine Leitlinie Fluoridierungsmaßnahmen zur Kariesprophylaxe publiziert, die im Jahr 2013 aktualisiert wurde [AWMF Register Nr. 083– 001].

5. Ernährungslenkung

Es liegen überzeugende Beweise durch Tierstudien sowie epidemiologische und experimentelle Studien bei Menschen dafür vor, dass es einen Zusammenhang zwischen der Menge und der Häufigkeit der Aufnahme von freien Zuckern und der Entstehung von Karies gibt. Als freie Zucker gelten alle Zucker, die Nahrungsmitteln zugesetzt werden, sowie die Zucker, die natürlich in Honig, Früchten, Fruchtsäften, Sirup und mehr vorhanden sind. Nach Einführung von Fluoridierungsmaßnahmen lässt sich aber zumeist nur noch ein schwacher Zusammenhang darstellen. Obwohl hierzu nicht genügend adäquate klinische Studien vorliegen, ist es biologisch plausibel, dass durch kompletten oder partiellen Ersatz des Zuckers durch Zuckeraustauschstoffe oder Süßstoffe das Kariesrisiko vermindert werden kann.

6. Speichelstimulation durch Kaugummikauen

Die Entstehung und die Progression von Karies werden vielfältig durch protektive Speichelfaktoren (Neutralisation von Säuren, Spülfunktion, Remineralisation) beeinflusst. Das Kauen von zuckerfreiem Kaugummi kann sowohl den Speichelfluss als auch den Speichel-pH erhöhen, sowie die Plaquebildung und Speichelkonzentrationen an Mutans-Streptokokken und Laktobazillen senken. Durch das Kauen zuckerfreien Kaugummis für zehn bis 20 Minuten nach den Mahlzeiten kann die Kariesinzidenz verringert werden. Das regelmäßige Kauen zuckerfreier Kaugummis hat einen kariespräventiven Effekt und kann deshalb zur Kariesprophylaxe empfohlen werden.

7. Fissurenversiegelungen

Fissuren und Grübchen durchbrechender beziehungsweise gerade durchgebrochener Molaren werden als stark gefährdete Karies-prädilektionsstellen bei Kindern und Jugendlichen angesehen. Wenn die Kauflächen der Molaren versiegelt werden, entwickeln Kinder und Jugendliche weniger Karies als solche, bei denen keine Versiegeler angewendet werden. Die Fissurenversiegelung ist demnach eine empfehlenswerte Maßnahme, um Karies der Okklusalflächen zu verhindern. Das gilt insbesondere für Kinder mit hohem Kariesrisiko. Für andere Patientengruppen gibt es keine ausreichende Information. Die in der Leitlinie Fissurenversiegelung aus dem Jahr 2010 [AWMF Register Nr. 083/002; Kühnisch et al.] publizierten grundlegenden Empfehlungen können demnach inhaltlich übernommen werden.

Prof. Dr. Werner GeurtsenKlinik für Zahnerhaltung, Parodontologie und Präventive Zahnheilkunde, Medizinische Hochschule HannoverCarl-Neuberg-Straße 1, 30625 Hannover, E-mail:Prof. Dr. Elmar HellwigUniversitätsklinikum Freiburg, Department für Zahn-, Mund- und Kiefer- heilkunde, Klinik für Zahnerhaltungskunde und ParodontologieHugstetter Straße 55, 79106 Freiburg

Prof. Dr. Joachim Klimek, i. R.ehemals: Poliklinik für Zahnerhaltungskunde und Präventive Zahnheilkunde, Justus-Liebig-Universität GießenSchlangenzahl 14, 35392 Gießen

Die unter der Federführung der Deutschen Gesellschaft für Zahnerhaltung (DGZ) und der DGZMK erstellte Leitlinie wurde kürzlich von der Arbeitsgemeinschaft Wissenschaftlicher Medizinischer Fachgesellschaften (AWMF) publiziert und steht online samt umfangreichem Literaturverzeichnis zur  Verfügung – unterhttp://www.awmf.org/ leitlinien/detail/ll/083-021.html.

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