Editorial

So gut gelaufen wie noch nie

2003 wurde die Einführung der elektronischen Gesundheitskarte per Gesetz beschlossen. Erinnern Sie sich? Zum 1. Januar 2006 sollte die eGK die alte Krankenversichertenkarte ablösen. „Die Karte kommt!“ wiederholte Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt damals beschwörend – und in immer kürzerer Taktung.

14 Jahre später: Wir verwenden Smartphones, Apps, speichern unsere Daten in der Cloud und tauchen ab in virtuelle Welten. Nur die eGK bleibt hartnäckig die alte: eine aufgerüschte KVK ohne Zusatznutzen. Mitte des Jahres soll nun die Erprobung der Onlineprüfung und -aktualisierung der Versichertenstammdaten in den bundesweiten Rollout übergehen. Immerhin.

Hört man sich im Bundesgesundheitsministerium (BMG) so um, ist alles dufte: Dort zeigt man sich jedenfalls „äußerst zufrieden“ mit den bisher erzielten Erfolgen. Der mit dem E-Health-Gesetz erzeugte Druck auf die Selbstverwaltung habe sich augenscheinlich gelohnt, heißt es seitens der Verantwortlichen im Ministerium. Ob es um die „großen Fortschritte bei der Onlineanbindung der Ärzte an die Telematikinfrastruktur (TI)“ geht oder um Anwendungen wie das radiologische Telekonsil, den bundesweiten Medikationsplan oder die Videosprechstunde: Alles sei „so gut gelaufen wie noch nie“.

Eine interessante Einschätzung. Denn mal davon abgesehen, dass es nicht unbedingt die feine Art ist, KZBV, KBV und GKV-Spitzenverband Sanktionen wie Haushaltskürzungen anzudrohen, weil man sich nicht mit der Industrie anlegen will (Jene hatte es ja, auf gut Deutsch, versaubeutelt, rechtzeitig die notwendigen Komponenten – genauer: die Konnektoren – zu entwickeln und zu liefern, weshalb es zurzeit nur einen einzigen zertifizierten Konnektor auf dem Markt gibt.*): Die Probleme sind nach wie vor nicht gelöst. Die Ursachen, die zu den Lieferschwierigkeiten führten, nicht beseitigt, wie der Bundesverband Gesundheit-IT (bvitg) jetzt in einem Positionspapier ausführt und deswegen die „Sicherstellung etablierter und performanter Prozesse“ sowie eine Gewähr der Interoperabilität fordert.

Ein Knackpunkt, halten wir fest, sind demnach die fehlenden Schnittstellen. Dass diese technische Lücke nicht nur für die Leistungs- und Kostenträger, sondern auch für die Versicherten unüberwindbar ist, hat gerade die Gesellschaft für Telematikanwendungen der Gesundheitskarte, kurz gematik, festgestellt. Sie hat gemäß E-Health-Gesetz geprüft, inwieweit Patienten mit ihrem Computer oder mit ihren mobilen Endgeräten wie Tablets und Smartphones auf ihre auf der eGK gespeicherten Daten zugreifen können. Ihre Antwort: So erst mal gar nicht. Um überhaupt eine Verbindung herzustellen, müssen nämlich Smartphone und Tablet via Bluetooth oder USB-Stick mit einem Karten-Lesegerät verbunden werden. Eine eGK mit kontaktloser Schittstelle zur drahtlosen Datenübertragung? Gibt es nicht. „Daher ist bei der Anbindung der eGK an die Geräte der Versicherten derzeit immer von einer Nutzung eines separaten Kartenlesegeräts auszugehen“, heißt es in dem Prüfbericht. Damit nicht genug: Da die Funktionen der Nutzergeräte in puncto Sicherheit naturgemäß nicht auf einem Level sind, geschweige denn – im Gegensatz zu den Anwendungen der Telematikinfrastruktur – dahingehend zertifiziert, erfolgt der Zugriff für die Versicherten auf eigene Gefahr. Was nichts anderes bedeutet als: Der Datenschutz obliegt dem Patienten. Wie er das in der Praxis handhaben soll, weiß zum gegenwärtigen Zeitpunkt kein Mensch. Auch nicht die im Ministerium.

Aber angesichts der Tatsache, dass der Zugriff auf den Großteil der auf der eGK gespeicherten Daten sowieso nur im Zusammenspiel mit dem HBA funktioniert, sind solche Überlegungen höchstwahrscheinlich eh überflüssig. Einigen wir uns doch einfach auf den schönen Satz: Alles ist so gut gelaufen wie noch nie.

* Anscheinend ist es um die die Leistungsfähigkeit der deutschen Industrie wirklich schlecht bestellt: Kurz vor Redaktionsschluss erreichte uns eine Mitteilung der gematik, die nun eine österreichische Firma mit der Entwicklung eines Konnektors beauftragt hat.

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