Der besondere Fall mit CME

CME: Zylindrom der Kopfhaut

Christian Walter
,
Uwe Kirschner
,
Christoph Renné
Eine Patientin wurde mit multiplen Veränderungen an der behaarten Kopfhaut vorstellig. Ein seltenes Krankheitsbild, das während einer zahnärztlichen Behandlung durchaus auffallen sollte.

Eine 58-jährige Patientin wurde über die dermatologische Praxis in der Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie unseres Zentrums zur Entfernung multipler, partiell bis zu 3 cm x 3 cm großer, exophytisch wachsender Befunde an der Kopfhaut vorstellig (Abbildung 1), wovon einzelne in letzter Zeit ein Größenwachstum aufwiesen.

Anamnestisch war eine Neurofibromatose bekannt, bei der Schwester der Patientin lagen ähnliche Veränderungen der Kopfhaut vor. Beschwerden gab die Patientin keine an, bis auf Probleme beim Kämmen der Haare und dabei induzierte rezidivierende Blutungen.

Bei der klinischen Untersuchung zeigten sich multiple Tumore an der behaarten Kopfhaut und im Bereich der Haaransatzgrenze (Abbildungen 1 und 2). Die Tumore waren deutlich über das Hautniveau erhaben, so dass es leicht erklärlich war, dass sich die Patientin hier häufiger verletzt hatte. Die Befunde hatten keine normale Hauttextur und waren selbst so gut wie nicht behaart. Sie waren relativ scharf begrenzt, partiell etwas lobuliert und besaßen eine feine Gefäßtextur. Die Tumore waren derb und nicht druckdolent. Kleinere Tumore waren gegenüber der Unterlage gut verschieblich, der größte allerdings nicht, so dass hier eine digitale Volumentomografie durchgeführt wurde (Abbildung 3), um eine Arrosion des Knochens und gegebenenfalls einen Einbruch nach intracerebral auszuschließen. Dies war glücklicherweise nicht der Fall.

In einem ersten Schritt erfolgte die Entfernung eines kleineren Befunds, zur Diagnosesicherung. Die histopathologische Aufbereitung bestätigte die Verdachtsdiagnose eines Zylindroms (Abbildungen 4a bis 4c), so dass die Diagnose der Neurofibromatose nochmals hinterfragt wurde und sich im weiteren Verlauf nicht halten ließ.

In einem zweiten Schritt wurden die weiteren Hautveränderungen in Intubationsnarkose entfernt – wobei die histopathologische Begutachtung jedes Mal das Vorliegen eines Zylindroms bestätigte.

Diskussion

Das dermale Zylindrom wird in der Literatur meist nur als Zylindrom bezeichnet und ist ein gutartiger Tumor der Hautanhangsgebilde. Zu den Hautanhangsgebilden gehören neben den Haaren auch Finger- und Zehennägel sowie Schweiß- und Talgdrüsen.

Der Begriff Zylindrom ist auch ein nicht mehr verwendeter Begriff für das adenoid-zystische Karzinom der Speicheldrüsen. Synonym eingesetzt für das dermale Zylindrom werden die Begriffe Spiegler-Tumor oder dermales ekkrines Zylindrom, wobei interessanterweise nicht zweifelsfrei klar ist, ob es ekkriner oder apokriner Genese ist.

Weitere Synonyme sind Zylindrospiradenom und Spiradenozylindrom. Der Hintergrund liegt hier darin begründet, dass Zylindrome häufig als Hybrid mit Spiradenomen auftreten, also polare Enden eines identischen Tumorspektrums darstellen.

Beim Vorliegen multipler konfluierender Zylindrome spricht man – rein vom Bild her – von einem Turbantumor [Barnes et al., 2005].

Nach lichtmikroskopischen Erkenntnissen hat man Drüsen bezüglich der Abgabe ihres Sekrets in die Umgebung eingeteilt in holokrine, apokrine und merokrine Drüsen. Bei holokrinen geht die gesamte Zelle zugrunde und der Zellinhalt ergießt sich, wie es zum Beispiel bei Talgdrüsen der Fall ist. Bei apokrinen Drüsen wird ein lichtmikroskopisch erkennbares Vesikel zum Beispiel durch Milchdrüsen abgeschnürt, wobei die Vesikelwand aus der Zellmembran der Drüse entstammt. Merokrine Drüsen, wie zum Beispiel Speicheldrüsen, geben ihr Sekret nach außen ab, ohne dabei Zytoplasma mit nach außen zu geben [Junqueira and Carneiro, 1991]. Der Begriff ekkrin wird von manchen Autoren mit merokrin gleichgesetzt. Durch rasterelektronenmikroskopische Aufnahmen wurden jedoch neue Erkenntnisse gewonnen, so dass der Gebrauch der Termini sehr uneinheitlich ist. Epidemiologisch gibt es keine Geschlechterpräferenz, die Ätiologie ist weitgehend unbekannt [LeBoit et al., 2006]..

Dermale Zylindrome können solitär oder, wie im vorliegenden Fall, multipel auftreten und bei entsprechender Lage und Größe konfluieren, so dass es an einen Turban erinnert, woher sich der Begriff des Turbantumors ableitet. Sie finden sich meist auf der behaarten Kopfhaut oder im Gesicht, hier häufig im Bereich des Ohres. Ungewöhnlicher ist das Auftreten am Stamm oder an den Extremitäten.

Klinisch weisen die kugeligen Raumforderungen meist eine glatte, haarlose Oberfläche auf [LeBoit et al., 2006], auf größeren Befunden lässt sich eine feine Gefäßzeichnung erkennen.

Kommt es zum parallelen Auftreten von Zylindromen, Tricheepitheliomen und gegebenenfalls Spiradenomen, spricht man vom Vorliegen eines Brooke-Spiegler-Syndroms oder einer familiären Zylindromatose, die einem autosomal dominanten Erbgang unterliegt und eine variable Penetranz aufweist, so dass es unterschiedlich starke Ausprägungen gibt.

Therapeutisch werden dermale Zylindrome mit kleinem Sicherheitsabstand chirurgisch entfernt, eine maligne Transformation ist beschrieben, aber extrem selten.

Im vorliegenden Fall wurde die Patientin mit der Diagnose einer Neurofibromatose, die wohl niemals weiter abgeklärt wurde, an eine dermatologische Praxis überwiesen, wo diese Diagnose erstmalig infrage gestellt und dann durch die histopathologische Abklärung der MKG definitiv korrigiert wurde.

Die Neurofibromatose ist eine neuroektodermale Systemerkrankung, gehört zu den Phakomatosen und ist durch die Symptomentrias der Neurofibrome, Café-au-lait-Flecken und eine kleinfleckige Hyperpigmentierung der Axillen gekennzeichnet.

Die Erkrankung ist chronisch progredient und häufig determiniert durch die maligne Entartung in zum Beispiel Neurofibrosarkome.

Fazit für die Praxis

  • Bereits bestehende Diagnosen müssen partiell kritisch hinterfragt werden.

  • Es gibt Veränderungen, die sich unterschiedlich manifestieren, und unterschiedliche Erkrankungen, die sich identisch manifestieren.

  • Beim Zylindrom handelt es sich insgesamt um einen relativ seltenen Tumor der Hautanhangsgebilde, der in aller Regel chirurgisch therapiert wird.

  • Eine maligne Transformation des dermalen Zylindroms kann vorkommen.

Prof. Dr. Dr. Christian Walter

Medi+, Zahnärztliche Praxisklinik
Haifa-Allee 20, 55128 Mainz
walter@mainz-mkg.de

Dr. med. Uwe Kirschner

Hautarztpraxis
Schillerstr. 26–28, 55116 Mainz

PD Dr. Christoph Renné

Fachärzte für Pathologie
Gemeinschaftspraxis Wiesbaden
Ludwig-Erhard-Str. 100, 65199 Wiesbaden

Prof. Dr. Dr. Christian Walter

medi+ Zahnärztliche Praxisklinik
Haifa-Allee 20, 55128 Mainz
und
Klinik und Poliklinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie – plastische Operationen, Universitätsmedizin der Johannes Gutenberg-Universität Mainz

Dr. med. Uwe Kirschner

Hautarztpraxis
Schillerstr. 26–28,
55116 Mainz

PD Dr. Christoph Renné

Fachärzte für Pathologie
Gemeinschaftspraxis Wiesbaden,
Ludwig-Erhard-Strasse 100,
65199 Wiesbaden

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