Reinheit von Dentalimplantaten

Sauber, aber nicht rein

Dirk U. Duddeck
Rückstände auf steril verpackten Implantaten, insbesondere organische Partikel aus dem Produktions- oder Verpackungsprozess, stehen im Verdacht, für eine unvollständige Osseointegration von Implantaten oder für frühen Knochenverlust mitverantwortlich zu sein. Studien haben gezeigt, dass weder das CE-Zeichen noch die Zulassung der amerikanischen Arzneimittelbehörde FDA einen verlässlichen Hinweis auf die Reinheit von dentalen Implantaten geben können.

In drei konsekutiven REM-Untersuchungen der Uniklinik Köln und der Charité Universitätsmedizin Berlin wurden in den vergangenen zehn Jahren rund 250 steril verpackte Implantate nach dem gleichen Protokoll analysiert [Duddeck, 2009: Duddeck et al., 2013; Duddeck et al., 2015]. Ergebnisse der jüngsten Studie mit über 100 untersuchten Implantaten und Vergleiche mit Analysen der Vorjahre haben eine erhebliche Zunahme von Implantaten mit auffälligen Rückständen gezeigt. Dabei ist es – heute – technisch möglich, rückstandsfreie Implantate herzustellen, wie viele der untersuchten Implantate belegen.

Solche – rückstandsfreien – Medizinprodukte sind stets Ergebnis eines ganz erheblichen  produktionstechnischen Aufwands und eines konsequenten Qualitätsmanagements. Werden hingegen qualitätssichernde Überprüfungen in der Produktion nicht ausreichend durchgeführt, sind ganz offenbar minderwertige Medizinprodukte die Folge – trotz einer vorhandenen Zulassung für die Inverkehrbringung. Man muss davon ausgehen, dass weltweit auch Implantate mit Rückständen aus der Fertigung, dem Handling oder der Verpackung (von Implantologen in Unkenntnis dieser Tatsache) inseriert werden.

Doch wie kann der Praktiker wissen, welche Implantate von diesen Verunreinigungen nicht betroffen sind? Durch die Vielfalt der auf dem Markt angeboten Implantatsysteme ist es für den einzelnen Zahnarzt schwer geworden, ein sicheres System für seine Praxis zu finden.

Das Qualitätsversprechen der Industrie

Anlässlich der IDS 2017 trafen sich Mitglieder der CleanImplant Foundation mit Vertretern der Industrie (siehe Kasten). Vorgestellt wurde ein neuer, weltweit beworbener Qualitätsnachweis für dentale Implantate, der es Praktikern ermöglichen soll, auf einen Blick zu erkennen, ob der entsprechende Implantathersteller sein Qualitätsversprechen auch erfüllen kann. Die „CleanImplant Trusted Quality“-Auszeichnung wird für die Dauer von zwei Jahren verliehen, wenn die Implantate nicht nur evidenzbasierte, wissenschaftliche und klinische Langzeitstudien vorweisen können, sondern die Implantate auch in einer umfangreichen neutralen Analyse gezeigt haben, dass sie beispielsweise frei von Partikeln sind, die Kupfer, Chrom, Nickel, Eisen, Wolfram, Zinn, Zink oder sogar Antimon enthalten und keine erheblichen organischen Verunreinigungen auf der Implantatoberfläche zeigen (Abbildungen 1 bis 7).

Leider wurden derartige Rückstände in den bisherigen Untersuchungen auf zahlreichen Implantaten gefunden, die zum Beispiel in Deutschland und/oder in den USA im Verkehr sind. Alle untersuchten Implantate trugen entweder das CE-Zeichen, das Zeichen der FDA-Zulassung oder sogar beide. Wenn man erwartet hatte, dass es sich bei diesen Implantaten sämtlich um minderwertige Copycat-Produkte, das heißt Nachbauten (zum Beispiel aus chinesischer Billig-Produktion), handelt, so wird man durch das Ergebnis eines Besseren belehrt. Denn unter den Anbietern auffälliger Produkte finden sich neben Herstellern aus Israel, Brasilien oder Italien ebenso Unternehmen aus Deutschland, der Schweiz oder den USA.

Aus fast allen dieser Länder kamen aber auch Implantate, die in den Analysen unauffällig waren, das heißt jene Reinheit aufwiesen, die im Verkaufsprospekt auch versprochen wird. Damit ist die Produktqualität offenkundig kein länderspezifisches Privileg.

Klinische Relevanz

Auch wenn die klinische Relevanz der festgestellten Rückstände nicht abschließend geklärt werden konnte, so darf die Frage gestellt werden, warum nicht alle Hersteller rückstandsfreie Implantate anbieten, wenn dies offenbar technisch möglich ist. Beunruhigend ist die Tatsache, dass es sich bei den nachgewiesenen Verunreinigungen auf steril verpackten Implantaten keineswegs nur um Elementspuren im Nanometerbereich, sondern vielmehr um klinisch relevante Partikelgrößen von 0,5 bis 10 µm handelt. Dies ist durchaus von Bedeutung, da Partikel, die kleiner als 10 µm sind, durch Phagozytose aufgenommen werden können [Hallab and Jacobs, 2009]. Wenn sich diese Partikel während der Implantatinsertion lösen, sammeln sie sich an der Eintrittsstelle des Implantats im kortikalen Knochen und können zu einer Fremdkörperreaktion führen [Albrektsson et al., 2014]. Diese wiederum geht einher mit einer erhöhten Osteoklastenaktivität, die gerade in der ersten Einheilungsphase einen frühzeitigen Knochenverlust zur Folge haben kann, wenn Makrophagen mehr Knochen abbauen als durch Osteoblastenenaktivität aufgebaut wird [Trindade et al., 2016].

Eine „smoking gun“, der endgültige Beweis, dass es einen ursächlichen Zusammenhang zwischen bestimmten Rückständen, deren Menge oder Zelltoxizität und beispielsweise einer sich früh entwickelnden Periimplantitis gibt, ist noch nicht gefunden. Dieser Aufgabe wird sich das CleanImplant-Projekt zukünftig verstärkt widmen und beispielsweise weiterführende Studien unter Leitung von Prof. Tomas Albrektsson sowie mit der Universität in Malmö unter Leitung von Prof. Ann Wennerberg durchführen.

CleanImplant Foundation

Im März wurde auf der IDS eine gemeinsam mit der Industrie entwickelte Initiative zur Reinheit von Dentaltimplantaten vorgestellt. Gegründet wurde die CleanImplant Foundation 2016 nach dem Vorbild einer Stiftung mit dem Ziel, Informationen über mögliche Verunreinigungen auf steril verpackten Implantaten und deren klinische Bedeutung weltweit zur Verfügung zu stellen.

Unterstützt wird die Aufklärungsarbeit dieser unabhängigen Non-profit-Organisation durch ein Scientific Advisory Board, dem Prof. Tomas Albrektsson, Univ. Göteborg, Prof. Ann Wennerberg, Univ. Malmö, Prof. Florian Beuer, Charité Berlin, Prof. Jaafar Mouhyi, Univ. Agadir, PD Dr. Luigi Canullo, Rom, und Dr. Michal Norton, London, der erst kürzlich gewählte Präsident der US-amerikanischen Academy of Osseointegration, angehören.

Die Anschubfinanzierung des Projekts erfolgte mit Unterstützung zahlreicher Implantathersteller und anderer Firmen aus dem Umfeld der Implantologie, die das vitale Interesse vereint, eine neutrale Plattform zur Aufklärungsarbeit zu etablieren und damit einen Beitrag für mehr Sicherheit in der Behandlung zu leisten. Die Förderung der Projektarbeit steht allen Firmen offen, wobei weder die Form noch der Umfang der Unterstützung Einfluss auf das Analyseergebnis der getesteten Proben haben.

Neutrale Analysen durch akkreditierte Labore

Für das nun gestartete CleanImplant-Projekt werden die Untersuchungen steril verpackter Implantate im Rasterelektronenmikroskop und die damit einhergehenden Elementanalysen ausschließlich von geeigneten Prüflaboren durchgeführt, die sich gemäß DIN EN ISO/IEC 17025 hierfür akkreditieren lassen. Diese Akkreditierung schließt nicht nur den Qualitätsstandard DIN EN ISO 9001:2015 ein, sondern sichert auch die Begutachtung und Überwachung durch regelmäßige Begehungen von Experten einer unabhängigen Akkreditierungsstelle, die die Norm DIN EN ISO/IEC 17011 erfüllt. Selbst das Auspacken der Implantate und die Beladung des Probenhalters sowie das Einschleusen in das REM erfolgt unter Reinraumbedingungen, das heißt einer Arbeitsumgebung, die eine Reinraumklasse 100 nach US Fed. 209 beziehungsweise ISO-Klasse 5 nach DIN ISO 14644–1 sicherstellt.

Die Implantatmuster werden anschließend nach dem in der Akkreditierung festgelegten Analyseverfahren systematisch gescannt, die gegebenenfalls gefundenen Rückstände und Partikel vermessen sowie mittels energiedispersiver Röntgenspektroskopie (EDX) einer qualitativen und quantitativen Elementanalyse zugeführt. Die durch rückgestreute Elektronen erzeugten Materialkontrastbilder eignen sich dabei besonders für diese Analysen, da sich Fremdpartikel durch andere Grauwerte im Bild deutlich abheben und so gezielte EDX-Spotanalysen erlauben.

Mystery-Shopping und Peer-Review-Verfahren

Bei der Bereitstellung und der Auswahl der zu analysierenden Implantate mussten neue Wege eingeschlagen werden. Wurden in der Vergangenheit noch Stichproben, das heißt einzelne Implantate oder höchstens zwei Implantate aus dem gleichen Produktionszyklus untersucht, so werden zukünftig jeweils fünf Implantate analysiert. Um den Vorbehalt zu entkräften, dass herstellerseitig lediglich speziell manipulierte und vorgetestete Muster zur Verfügung gestellt werden könnten, werden künftig darüber hinaus zwei der fünf zu analysierenden Implantate aus jüngster Produktion direkt von Praxen im Sinne des Mystery-Shopping bezogen. Implantologen, die sich hieran beteiligen möchten, erhalten selbstverständlich Ersatz für diese Prüfmuster und können der CleanImplant Foundation ihr Interesse an einer Projektunterstützung mit formloser Mail mitteilen. Die umfangreichen Analyseberichte werden im Anschluss vom wissenschaftlichen Beirat im Peer-Review-Verfahren gesichtet und freigegeben, so dass stets zwei Gutachter unabhängig voneinander zum gleichen Ergebnis kommen müssen.

Durch dieses Verfahren soll absolut sicher- gestellt werden, dass es keinen Zusammenhang zwischen der finanziellen Förderung des Projekts und dem Analyseergebnis gibt. Der größte Unterschied zu allen bisherigen Versuchen, ein solches Qualitätsmerkmal zu entwickeln, liegt darin, dass nicht nur alle zwei Jahre die Ergebnisse mit neuen Implantatmustern überprüft werden, sondern auch die Kriterien für die Qualitätsmarke regelmäßig verschärft werden. Hier wird die bisherige Analytik in den kommenden Jahren wesentlich erweitert. Damit dürften zukünftig nicht mehr allein Verunreinigungen im Mikrometerbereich, sondern auch solche im Nanometerbereich in den Fokus rücken.

Erste Ergebnisse im Herbst 2017

Die ersten Untersuchungsergebnisse von Implantaten, die den Kriterien des hier beschriebenen Qualitätsnachweises entsprechen, werden im Herbst 2017 auf den Internetseiten des Projekts veröffentlicht werden. Hier finden interessierte Implantologen schon jetzt eine umfangreiche Darstellung der Problematik sowie zahlreiche Analyseergebnisse sowohl verunreinigter als auch sauberer Implantate aus den Untersuchungen der vergangenen Jahre. Die kostenaufwendige Untersuchung der klinischen Auswirkung verschiedener Verunreinigungen sowie eine weltweite Aufklärungskampagne werden zu den künftigen Hauptaufgaben des Projekts gehören. Implantologen aus allen Ländern können das Projekt ebenso fördern wie Industrieunternehmen, denen der Schutz von Patienten vor möglicherweise minderwertigen Medizinprodukten ein besonderes Anliegen ist. Mehr Informationen und ein korrespondierender Newsletter sind auf der Homepage des Projekts www.cleanimplant.com abrufbar.

Dr. med. dent. Dirk U. Duddeck

Gastwissenschaftler an der Charité, Univ.-Medizin Berlin
Zahnärztliche Prothetik, Alterszahnmedizin und Funktionslehre
und
Managing Director CleanImplant Foundation
CleanImplant Foundation CIF GmbH
Pariser Platz 4a, 10117 Berlin
duddeck@cleanimplant.com

Literaturliste

Albrektsson, T., C. Dahlin, T. Jemt, L. Sennerby, A. Turri and A. Wennerberg (2014). „Is marginal bone loss around oral implants the result of a provoked foreign body reaction?“ Clin Implant Dent Relat Res 16(2): 155-165.

Hallab, N. J. and J. J. Jacobs (2009). „Biologic effects of implant debris.“ Bull NYU Hosp Jt Dis 67(2): 182-188.

Trindade, R., T. Albrektsson, P. Tengvall and A. Wennerberg (2016). „Foreign Body Reaction to Biomaterials: On Mechanisms for Buildup and Breakdown of Osseointegration.“ Clin Implant Dent Relat Res 18(1): 192-203.

Dr. med. dent. Dirk U. Duddeck


Gastwissenschaftler an der Charité,
Univ.-Medizin Berlin, Zahnärztliche Prothetik,
Alterszahnmedizin und Funktionslehre und Managing Director CleanImplant Foundation CleanImplant Foundation CIF GmbH
Pariser Platz 4a,
10117 Berlin\r\n

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